Nach dem Abschluss

Ab ins Arbeitsleben – Wohin will ich eigentlich?

| Lesedauer: 8 Minuten
Tobias von Heymann

Foto: Christian Kielmann

Der Übergang vom Studium ins Berufsleben ist nicht einfach. Viele Universitäten und Projekte helfen dabei, die erste Stufe der Karriereleiter zu meistern.

Der Übergang vom Studium ins Berufsleben stellt für viele Studierende eine ernste Hürde dar, die sie vor viele Fragen stellt, die nicht immer leicht zu beantworten sind. Zumal, wenn sie nicht von vornherein auf ein relativ klar umrissenes späteres Tätigkeitsfeld hin studieren, das den Einstieg in den Job von Anfang an zumindest in der Perspektive schon einmal erleichtert – wie zum Beispiel für Fächer wie Medizin, Jura oder Naturwissenschaften.

Aber insbesondere Studierende von Geistes- und Gesellschaftswissenschaften sind sich bei der Wahl des für sie passenden Berufs oft unsicher: Welchen Weg in welche Branche soll ich überhaupt einschlagen?

Wie sind die Karriereaussichten? Wo sind überhaupt interessante, freie Stellen zu finden? Was kann ich verdienen?

Neue Konzepte

Um den Studierenden den Schritt in die Arbeitswelt zu erleichtern, haben bundesweit zahlreiche Universitäten und Hochschulen unterschiedliche Konzepte und Projekte entwickelt, die junge Akademiker dabei unterstützen, die erste Stufe der Karriereleiter zu meistern.

Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigen die Beispiele von drei Studierenden, die am Modulangebot „Kompass“ zur beruflichen Kursbestimmung und Selbststeuerung der Freien Universität Berlin (FU) teilnehmen oder bereits den Wechsel in den Beruf hinter sich haben.

Alle drei haben außer dem Studium an der FU bei allen Unterschieden einiges gemeinsam: Sie sind in Berlin geboren und haben eine Zeit lang auf der anderen Seite des Globus in Australien oder Neuseeland Auslandserfahrungen gesammelt.

Zielstrebig Gedanken machen

Schon während der Schulzeit hat sich der in Kreuzberg geborene Lucas Mees intensive Gedanken über seine berufliche Zukunft gemacht. „Mir war schon früh klar, dass ich mir schon gerne selbst aussuchen würde, was ich später einmal studieren wollte“, sagt der 25-Jährige. „Zunächst interessierte ich mich vor allem für Jura, Psychologie und Betriebswirtschaftslehre, die in Berlin einen Numerus Clausus haben. Also gab ich für mein Abitur richtig Gas.“

Mit Erfolg: Seine Schulzeit schloss er 2008 mit einem Notenschnitt von 1,7 ab. Noch während der zwölften Klasse hatte er sich parallel als Mediator in Konfliktmanagement ausbilden lassen.

„Das war für mich ein neues Lernerlebnis, weil ich da nur mit bereits Berufstätigen zusammen kam“, sagt er. Um sich für den Einstieg an die Uni breit aufzustellen, kaufte er sich Bücher zu BWL und anderen Themen, führte zahlreiche Gespräche mit Freunden seiner Eltern, die in unterschiedlichen Branchen arbeiten.

Zielgruppen ansprechen

Dann arbeitete er für etwa ein Jahr für zwei bis drei Tage die Woche bei einem Unternehmen, das neurochirurgische medizinische Implantate herstellt. „In dessen Marketing-Abteilung lernte ich, wie man Zielgruppen anspricht, sich in die Perspektive von Kunden versetzt und jede Menge Informationsmaterial erstellt“, sagt Mees.

Schließlich folgte ein Praktikum bei einer kleinen Anwaltskanzlei – mit dem Ziel, auch etwas über die Welt der Juristen zu erfahren. Doch bevor er sich letztlich für ein BWL-Studium entschied und dieses im Herbst 2009 begann, flog er für drei Monate nach Australien, wo er in einem großen Nationalpark ein Camp zum Ausbilden von Tour-Guides mit aufbaute und den Kontinent bereiste.

Trotz dieser Erfahrungen nahm er während seines mittlerweile abgeschlossenen Studiums am „Kompass“-Projekt der FU teil – eine Entscheidung, die er nicht bereut. Im Gegenteil: „Ich hatte zwar schon ein Job-Angebot in der Tasche, doch in einem strukturierten Prozess die eigene Zukunft reflektieren, war für mich beim Stellen meiner beruflichen Weichen sehr wichtig“, kommentiert Lucas Mees.

Weniger Tempo

„Außerdem war ich dadurch gewissermaßen gezwungen, mich zu entschleunigen und ein paar Gänge herunterzuschalten, da ich sonst gewohnt war, alles schnell und effizient anzugehen. Das sehe ich auch als Prävention an, nicht eines Tages ausgebrannt zu sein.“

Mittlerweile ist er bei der Peter Knapp GmbH für Marketing und Strategie verantwortlich und wird dort als Führungskraft und Berater aufgebaut.

Viel ausprobiert hat auch Tamara Nilse, um ihren Weg in die Berufswelt zu finden. „Nach dem Abitur 2010 habe ich erst einmal ein Jahr Pause gemacht und bin unter anderem mit ‚work and travel‘ ein halbes Jahr durch Neuseeland gereist, arbeitete auf einer Farm und baute meine Englischkenntnisse aus“, sagt die Spandauerin. „Doch was ich studieren wollte, war mir nach dem Abi noch nicht klar, da ich mich für vieles interessiere und überall gut war.“

So hatte sie ihre allgemeine Hochschulreife mit einer Note von 1,2 abgeschlossen – und entschloss sich nach einigen Recherchen letztlich für das Fach Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der FU. Schon als Schülerin spielte sie nebenbei Theater und machte das auch neben dem Studium. Gerade übernimmt sie die Hauptrolle in der Inszenierung von „Alice – a Musical Adventure“ des English Theater Spandau mit Aufführungen in der Martin-Buber-Oberschule und der Jugendtheaterwerkstatt Spandau.

Im Team arbeiten

„Das Organisieren, Mitdenken, Arbeiten im Team machte mir dabei neben dem Auswendiglernen von Texten besonders Spaß“, sagt sie. Um sich über ihre berufliche Zukunft klarer zu werden, meldete sie sich ebenfalls beim „Kompass“-Programm der FU an.

„In wechselnden Gruppen und Workshops lernten wir uns selbst besser kennen und lernten auf diese Weise, wie wir unsere eigenen Ziele finden und Entscheidungen fällen können“, sagt sie. „Auch der konkrete Weg in die Berufswelt wurde mir klarer.“

So stieß sie beim gezielten Auswerten von Anzeigen für eine Übung auf eine Annonce für eine Stelle im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Eventorganisation in einem Museum, die sie interessierte.

„Ein Praktikum hatte ich bereits im Museum für Kommunikation gemacht, so wuchs bei mir der Wunsch, etwas in dieser Richtung zu machen.“ Der Plan ging auf: So organisiert sie gerade am Tieranatomischen Theater mit einem Projektseminar der Humboldt Universität mit anderen Studierenden die Ausstellung „Mensch macht Pferd – Von Zügellosigkeit und Züchtigung“, die im September eröffnet wird. Außerdem gibt sie ihr bei „Kompass“ erworbenes Wissen jetzt selbst an andere Studierende weiter – im Einsatz als studentische Hilfskraft.

Auslandsstation nach dem Abitur

Ebenfalls ein Jahr in Australien war Magdalena Nagel, die 2005 ihr Abitur abschloss. Dort arbeitete sie in einem Café in Sydney – und kehrte schließlich 2006 zurück. „Als ich wieder zurückkam, absolvierte ich erst einmal eine zweieinhalbjährige Ausbildung zur Hotelfachfrau“, sagt die Berlinerin.

„Dann studierte ich zunächst mehrere Semester Biophysik an der Humboldt-Universität, doch das passte nicht so gut zu mir“, sagt sie. „Dann wechselte ich zur FU, wo ich jetzt Biologie studiere und auch an Kompass teilnehme. Gerade der Austausch und das Feedback von den anderen Teilnehmern und den Dozenten bringt mir sehr viel, um mir über meine Ziele klarer zu werden“, sagt Magdalena Nagel.

„So zum Beispiel habe ich bei mehreren Projekten erkannt, dass ich gut organisieren kann“, sagt sie. „So habe ich beim Vorbereiten von zwei Kongressen mitgewirkt und war in einer Arbeitsgruppe für die Finanz- und Personalpläne sowie Abrechnung von Reisekosten zuständig. Kompass half mir hier dabei, solche Talente auch wirklich zu entdecken.“

Mehr Selbstwertgefühl

Auch stärkt das Projekt das Selbstwertgefühl. „Die ultimative Erkenntnis und ein genauer Plan für die Zukunft fehlen mir zwar noch, aber ich habe genug Vertrauen in meine Fähigkeiten, so dass ich sicher bin, etwas Passendes zu finden, wenn die Zeit reif dafür ist“, sagt die 28-Jährige.

Doch jetzt steht erst einmal die Arbeit an ihrer Bachelorarbeit an. „Ich habe zwar schon eine Idee für ein Thema, doch die kann sich noch ändern.“ Und wer weiß: Vielleicht findet sich auf dem Weg dorthin ja auch noch eine zündende Idee für ihr Berufsleben.