Inflation

Chinas Wirtschaft steuert auf holprige Landung zu

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Frank Stocker

Die anhaltende Teuerung macht China zu schaffen. Panisch versucht die Notenbank, das Wachstum zu bremsen. Die Furcht vor einer harten Landung der Wirtschaft steigt.

Knoblauch ist endlich wieder billiger geworden. Vor einigen Monaten waren in China die Preise für das Lauch-Gemüse, das bei kaum einem Gericht fehlen darf, ins Unermessliche geschossen. Teilweise wurden die Knollen sogar gehortet. Inzwischen hat sich die Lage jedoch wieder etwas beruhigt, nicht nur bei Knoblauch, auch bei anderen Lebensmitteln.

Doch das ist schon die einzige gute Nachricht von der Preisfront. Denn nach wie vor ist die anhaltende Teuerung eines der größten Probleme für Chinas Wirtschaft und deren Lenker. Die Notenbank versucht bislang eher erfolglos dagegen anzugehen. Immer weiter verknappt sie die Geldzufuhr. Daher greifen nun Ängste um sich, dass sie die Wirtschaft stranguliert. Das hätte angesichts der Bedeutung Chinas für die Weltwirtschaft drastische Folgen für deutsche Unternehmen, aber auch für die hiesigen Sparer und Anleger.

Um 5,3 Prozent waren die Preise nach Angaben des Statistikamtes in Peking im April gestiegen. Lebensmittel legten um 7,3 Prozent zu, was aber sogar einen deutlichen Rückgang zu den Vormonaten bedeutet, denn da hatten sie teilweise um bis zu 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Entwarnung kann dennoch nicht gegeben werden, denn die niedrigeren Zuwachsraten kommen auch dadurch zustande, dass die Preisbasis des jeweiligen Vorjahresmonats inzwischen wesentlich höher ist.

„Zudem hat die Regierung die Bauern stark subventioniert“, sagt Christina Chung, Portfolio-Managerin bei RCM, einer Tochter der Allianz. Denn Peking will die Inflation mit allen Mitteln eindämmen. Die Gefahr von Unruhen in der Bevölkerung soll schon im Ansatz erstickt werden. Doch trotz der ersten Erfolge bei den Lebensmittelpreisen ist die Gesamt-Inflationsrate anhaltend hoch. Die Zentralbank hob daher erst am Donnerstag erneut die Mindestreservesätze für die Geschäftsbanken an, zum fünften Mal in diesem Jahr. Inzwischen müssen sie für jeden Kredit, den sie vergeben, 21 Prozent der Summe als Reserve zurücklegen. Das ist ein absoluter Rekordwert.

Sie dreht auch deshalb so panisch an dieser Schraube, weil sie vor einem anderen Schritt zurückschreckt: Der Zinserhöhung – eigentlich das klassische Mittel der Inflationsbekämpfung. Doch lange wird sie darum wohl nicht mehr herumkommen. Denn nur so könnte endlich das ungezügelte Kreditwachstum wirksam begrenzt werden. Das beinhaltet aber eben auch eine große Gefahr, weshalb die Zentralbanker bisher davon absahen. „Zinserhöhungen bergen das Risiko eines Immobiliencrashs oder eines Kollapses am Aktienmarkt“, sagt Patrick Legland von der Société Générale.

Nicht zuletzt deshalb glaubt er, dass China schon bald „ungewohnte Turbulenzen“ erleben könnte. Er sieht eine „holprige Landung“ daher als wahrscheinliches Szenario – also eine ziemlich unsanfte Abkühlung der Wirtschaft. „Wenn das passiert, dann ist das eine enorme Gefahr für die Weltwirtschaft“, sagt er. Denn der konjunkturelle Aufschwung hängt zu einem großen Teil vom Boom in Fernost ab. Das gilt auch und gerade für Deutschland. Die hiesigen Exporteure boomen, weil die Auftragsbücher von Bestellern aus Shanghai, Peking und Kanton gefüllt werden. Das hat dazu geführt, dass die Aktienkurse vieler deutscher Firmen in den vergangenen Monaten überdurchschnittlich stark gestiegen sind. Eine Abkühlung in China würde sie daher auch besonders treffen.

Betroffen wäre jedoch auch der Rohstoffmarkt. Denn es war vor allem China, das in den vergangenen Jahren die Nachfrage nach den Grundstoffen unablässig nach oben trieb. Bei Eisenerz, Zink und Kupfer verbraucht das Land inzwischen fast 40 Prozent der weltweit geförderten Mengen oder sogar mehr. Würde nun die Nachfrage aus China deutlich zurückgehen, könnten auch die Rohstoffpreise ins Rutschen kommen. Einen Vorgeschmack darauf gab es schon vor zwei Wochen, als die Notierungen für Rohöl und andere Grundstoffe innerhalb weniger Tage um zehn bis 20 Prozent absackten.

Ohnehin könnten die Rohstoffpreise in den kommenden Wochen noch von anderer Seite unter Druck kommen. Denn Ende Juni läuft das Aufkaufprogramm der US-Notenbank für Staatspapiere aus. Dann wird der ungezügelte Zufluss von Geld für die Finanzmärkte austrocknen. Gerade die zuletzt besonders stark gestiegenen Rohstoffmärkte könnten dann ein Problem bekommen.

Die Frage ist jedoch, ob es wirklich so weit kommt, oder ob Peking die Lage doch noch in den Griff bekommt. Christina Chung ist immerhin optimistisch. „Die Gefahr einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft halte ich für gering“ sagt sie. Denn die Abkühlung der Wirtschaft sei von Peking gewollt, um eine Überhitzung zu verhindern. Die Regierung sei also der Treiber hinter der Entwicklung. Sie könnte daher, wenn es notwendig erschiene, die Hebel auch ebenso schnell wieder umlegen.

Ein wichtiges Instrument dabei wäre die Währung. Denn durch eine stärkere Aufwertung des Yuan könnte die Notenbank den Preisdruck verringern, da ein Gutteil davon auf gestiegene Rohstoffpreise zurückging. Würde Peking eine schnellere Aufwertung zulassen, so wäre die Inflationsgefahr schnell gebannt. Dafür würden sich dann die Exportpreise verteuern, und China ist nach wie vor stark von Ausfuhren abhängig. Peking vollführt also einen Balanceakt. Und keiner hat ein Netz gespannt.