Berlin. Strom für sechs Cent je Kilowattstunde: Habeck plant einen günstigen Industriestrom. Widerstand kommt allerdings vom Koalitionspartner.
Das Bundeswirtschaftsministerium plant weitere massive Staatshilfen für die Wirtschaft. Energieintensive Unternehmen wie Stahl- oder Aluminiumwerke sollen für Strom nur noch sechs Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Diese Förderung könnte bis 2030 laufen, die Kosten werden auf etwa 25 bis 30 Milliarden Euro beziffert. Dies schlägt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in einem neuen Arbeitspapier für einen Industriestrompreis vor.
Strompreisdeckel für Industriebetriebe: Was das Wirtschaftsministerium plant
Dem Wirtschaftsministerium will damit energieintensive Unternehmen unterstützen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Als Beispiele werden die „Chemie-, Stahl-, Metall-, Glas- oder Papierindustrie“ genannt, außerdem Firmen, die hohe Kosten bei der Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energie zu tragen haben. In solchen Fällen solle der Staat „bei Börsenstrompreisen über sechs Cent pro Kilowattstunde die Differenz erstatten“. Die Förderung würde jedoch auf 80 Prozent des Jahresverbrauchs der jeweiligen Firma begrenzt, um den Anreiz zum Energiesparen zu beizubehalten.
Die Initiative wird unter anderem mit dem „Energiepreisschock“ infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine begründet. Noch jahrelang sei nun davon auszugehen, dass die hiesige Industrie Strompreise von bis 15 Cent pro Kilowattstunde zahlen müsse, während sie zuvor bei sieben Cent oder darunter lagen.
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Strompreisdeckel für die Wirtschaft kostet Milliarden – woher das Geld kommen soll
Ohne Eingreifen gefährde das Firmen, Arbeitsplätze und den Wohlstand des Landes. Mit dem sogenannten Industriestrompreis will Habeck eine Nachfolgeregelung für die Strompreisbremse schaffen, die im kommenden Jahr ausläuft. Die Begünstigung der Industrie würde ähnlich gestaltet, wie es früher schon bei der Umlage nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) praktiziert wurde.

Bundeswirtschaftsminister Habeck bezeichnet die sechs Cent als „Brückenstrompreis“. „Dauersubventionen passen nicht zu unserer Wirtschaftsordnung, und wir können sie auch nicht durchhalten.“ Nach 2030 soll diese Subvention wegfallen und marktwirtschaftlicheren Mechanismen Platz machen. Die Milliardenkosten sollen aus dem Fonds zur Stabilisierung der Wirtschaft (WSF) bezahlt werden, einem schuldenfinanzierten Sondervermögen neben dem Bundeshaushalt, aus dem auch die Ausgaben für die Strompreisbremsen bezahlt werden.
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Kritik an Habecks Plänen aus der Koalition: Grüner "Subventionswahn widerspricht der Marktwirtschaft"
Damit steht der Ampel die nächste Auseinandersetzung innerhalb der Koalition bevor. Denn während SPD-Chef Lars Klingbeil einen staatlich finanzierten Industriestrompreis befürwortet, steht die FDP dem Konzept kritisch gegenüber. „Dieser grüne Subventionswahn widerspricht der Marktwirtschaft. Habecks populistischer Industriestrom wäre ein schuldenfinanziertes Bürokratiemonster für Menschen und Betriebe“, sagte Christoph Meyer, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion. Die FDP wolle „keine Industrie am Staatstropf“. Es gelte stattdessen, die Strompreise für alle zu reduzieren, etwa über eine Senkung der Stromsteuer.

Reaktionen auf Habecks geplanten Strompreisdeckel geteilt: Expertin warnt vor falschen Anreizen
Auch außerhalb der Bundesregierung sind die Meinungen über den Vorschlag geteilt. „Die Politik kann nicht einerseits das Stromangebot ohne sachliche Not verknappen – Stichwort AKW-Ausstieg – und andererseits höhere Strompreise runtersubventionieren und zugleich Bürger und Unternehmen in eine stromintensive Transformation mit Blick auf Wärmerzeugung, Mobilität und Industrieproduktion zwingen“, sagte der Präsident des Bunds der Steuerzahler, Reiner Holznagel, dieser Redaktion. Schon jetzt gebe es einen Rekord bei den Finanzhilfen, sodass man Jahre lang „auf Pump“ leben müsse.
Wirtschaftswissenschaftler kritisieren einen Industriestrompreises als grundsätzlich falsch. „Er ist teuer und unfair gegenüber nicht privilegierten Unternehmen und Haushalten, die alle hohe Strompreise zahlen müssen“, sagte Claudia Kemfert, Energieexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Eine Deckelung des Industriestrompreises schaffe falsche Anreize und zementiere die Nutzung fossiler Energien.
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Industrievertreter begrüßen Strompreisdeckel und warnen vor der Abwanderung ins Ausland
Die beste Strompreisbremse wäre der schnellere Ausbau der erneuerbaren Energien. „Deutschland begibt sich mit dem Industriestrompreis in den Subventionswettlauf“, mahnte auch Ökonom Achim Wambach, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums. „Es besteht die Gefahr einer Überförderung.“
Der Chef des Mittelstandsverbands (BVMW), Markus Jerger, bezeichnet dagegen die Strompreisdeckelung als „dringend, zwingend und notwendig“: „Wenn sich der Strompreis nicht an anderen Standorten orientiert, droht sich der Trend zur Abwanderung von Produktion zu beschleunigen.“ Sechs Cent seien jedoch selbst für viele energieintensiv produzierende Betriebe schon zu hoch.
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Positiv bewertet den Vorstoß der Verband der Chemischen Industrie. Der Industriestrompreis müsse „schnell und unbürokratisch kommen“. Rückendeckung gibt es auch von der Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Yasmin Fahimi lobt die Deckelung von sechs Cent für 80 Prozent des Bedarfs als „angemessen und ausgewogen“. Auch die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sieht in der Förderung eine Standortstärkung, so der Vorsitzende Michael Vassiliadis. Einen „Exodus“ der energieintensiven Branchen könne sich Deutschland nicht leisten.