Berlin. Die Energiewende hakt an verschiedenen Punkten – doch kaum ein Sektor hinkt derart hinterher wie der Gebäudebereich. Die Sanierungsquote ist mit einem Prozent pro Jahr derzeit zu gering, um die Klimaziele zu erreichen.
Der Energieverbrauch hingegen ist hoch, fast jede zweite Wohnung wird mit Gas beheizt, jede vierte nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit Öl. Und in sanierten Wohngebäuden kommt es öfter zur Energieverschwendung, wie eine Arge-Studie zeigt.
Miete: Wohnungswirtschaft fordert neues Mietmodell
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW erhebt daher nun eine brisante Forderung: „Wir sollten uns ein Vorbild an Schweden nehmen“, sagte GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser im Gespräch mit unserer Redaktion. „Dort gibt es eine Inklusivmiete mit Strom und Wärme, die den Mieterinnen und Mietern eine Raumtemperatur von 20 Grad zusichert.“
In effizienten Gebäude, die beispielsweise mittels einer Solaranlage auch selbst Strom produzieren, kann sich Esser eine solche Regelung auch hierzulande vorstellen. Eine „helle Warmmiete“ würde dann die Kosten für Strom und Wärme beinhalten – auf einem Niveau von 22 Grad Celsius Raumtemperatur. „Alles, was darüber hinaus verbraucht wird, muss der Mieter nachzahlen. So kann der Mieter motiviert werden, auf seinen Verbrauch zu achten“, sagte Esser.
In Schweden findet ein solches Modell der Inklusivmiete bereits in vielen Haushalten Anwendung – allerdings wird dort die Miete auch von den Mietervereinen ausgehandelt.
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Initiative der Wohnungswirtschaft und der kommunalen Unternehmen
Um bei der Wärmewende schneller voranzukommen, hat der GdW zusammen mit dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) eine Initiative geschlossen. In zwei Forderungspapieren, die unserer Redaktion vorliegen, fordern die beiden Verbände die künftige Koalition auf, das Thema stärker als bisher in den Blick zu nehmen.
„In der Vergangenheit war die Energiewende in erster Linie eine Stromwende. Die Dekarbonisierung im Gebäude- und Wärmesektor stand nicht im Fokus der Politik“, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing im Gespräch mit unserer Redaktion. „Dabei macht die Wärme 54 Prozent des Gesamtenergiebedarfs in Deutschland aus. Davon sind erst 15 Prozent auf erneuerbare Energien umgestellt, 85 Prozent liegen noch vor uns.“
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Kommunen sollen vor Ort entscheiden können
Mehr Geld, weniger Bürokratie, ein konsequenter Ausbau der Wärmenetze und vor allem eine verbindliche und technologieoffene kommunale Wärmeplanung gehören zu den Kernforderungen der beiden Verbände.
„Die Kommune und damit die kommunalen Unternehmen brauchen Handlungsspielraum vor Ort. Sie können am besten entscheiden, welche Potenziale sich ihr bieten und was vor Ort sinnvoll und effizient funktioniert. Eine bundesweit einheitliche Lösung hilft nicht weiter“, mahnt Liebing.
Verbände fordern einfacheren Mieterstrom
Einfacher werden soll es nach Vorstellung der Verbände für Mieterhaushalte beim Mieterstrom. „Mieterstrom muss dem Eigenstrom gleichgestellt werden“, fordert Liebing. Bisher sei es oft zu kompliziert, wenn auf Mietshäusern eine Photovoltaikanlage angebracht werde.
Für den Ausbau der Wärmenetze fordern die Verbände eine Verlängerung des bisher bis 2026 geltenden Förderprogramms auf mindestens zehn Jahre – flankiert mit einer jährlichen Finanzspritze von einer Milliarde Euro.
Gas bleibt als Brückentechnologie erhalten
Eine klare Absage erteilte Liebing der Forderung, Versorgungsverträge für Fernwärme stärker zu regulieren. Bisher sind Verträge mit bis zu zehn Jahren Laufzeit möglich. „Mit jährlich kündbaren Verträgen wird es schwierig werden, überhaupt Investoren zu finden, die in den Ausbau der Wärmenetze investieren“, warnte Liebing.
Ein Zukunftsthema nehmen die beiden Verbände in ihrem Papier auch schon in den Blick: Wasserstoff. „Schon heute ist eine zehnprozentige Wasserstoffbeimischung in der Gasversorgung rechtlich zulässig und technisch machbar“, sagt Liebing. In ersten Pilotprojekten soll der Anteil auf 20 Prozent und mehr gesteigert werden.
Genutzt werden sollen dabei die Gasnetze – denn Gas wird als Brückentechnologie nach Einschätzung der Verbände noch eine längere Zeit nötig sein. „Noch brauchen wir es für den Übergang. Die Netze werden wir aber später ganz sicher auch für Wasserstoff einsetzen können“, sagt Liebing.
Kritik an Sektorkopplung
Unklar ist, wie es unter einer sich abzeichnenden Ampel-Regierung mit den Sektorzielen beim Klimaschutz weitergehen wird. An der jetzigen Regelung im Gebäudebereich äußern die Verbände Kritik. Das Problem: Wird auf einem Hausdach eine Photovoltaikanlage installiert, wird die CO2-Reduktion dem Energiesektor, nicht aber dem Gebäudesektor zugerechnet.
„Die Wohnungswirtschaft verfehlt damit die Klimaziele und wird belastet. Das kann nicht der richtige Ansatz sein, wir wollen schließlich keine Energieversorger werden“, sagt GdW-Hauptgeschäftsführerin Esser. Sie forderte Anrechnungsmodelle, mit denen auch der Gebäudesektor berücksichtigt wird.