Berlin. Viel wurde in den vergangenen Monaten gestritten über die Tauglichkeit der Corona-Warn-App, aber das Smartphone-Programm ist ein Beispiel für das, was in vielen Branchen die kommenden Jahre ausmachen könnte. Die Deutsche Telekom und das Software-Unternehmen SAP hatten die App federführend zusammen entwickelt. Das Bündeln der Kräfte, die Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg und natürlich die zuständigen Softwareentwicklerinnen und -entwickler hätten das erst ermöglicht, sagte am Mittwoch Andreas Greis von der Telekom-Tochter T-Systems.
Er sieht darin einen Erfolg. Innerhalb von 50 Tagen sei das Aufsetzen der App gelungen. „Hat gut funktioniert“, resümierte Greis. Möglich sei das aber vor allem durch die vorhandenen schlauen Köpfe gewesen. Tech-Talente, IT-Nerds – die gesamte deutsche Wirtschaft sucht nach diesen Köpfen. Allein bei SAP gebe es derzeit 1000 Stellen, die ausgeschrieben seien, sagte der Personalchef des Konzern, Cawa Younosi. Und auch bei der Volkswagen-Tochter Cariad, die sich um die Digitalisierung des Autos kümmert, sind weitere 1000 IT-Stellen frei. Der Bedarf an künftigen Softwareentwicklern ist also riesig.
Volkswagen, Bayer & Co. wollen die Talente der „42 Berlin“ umwerben
Getragen von einigen deutschen Konzernen wurde am Mittwoch in Berlin der Aufbau der Softwareentwicklerschule „42 Berlin“ verkündet. Unterstützt wird das Projekt von den Unternehmen Volkswagen, Cariad, Bayer, SAP, Microsoft, T-Systems und Capgemini mit bis zu 17 Millionen Euro, wie Ralph Linde, Präsident des gemeinnützigen Trägervereins, vor Journalisten sagte. Das Engagement der Firmen ist nicht ganz uneigennützig: Die Wirtschaft erhofft sich davon einen besseren Zugang zu den – dann hoffentlich – gut ausgebildeten Talenten. Eine Garantie dafür, dass die künftigen IT-Fachkräfte auch tatsächlich bei den Unterstützern landen, gibt es aber nicht.
600 Plätze sollen perspektivisch in dem Berliner Ableger der „42“ zur Verfügung stehen. Mit 150 Plätzen soll der erste Jahrgang im Herbst 2022 starten. Besondere Zugangsvoraussetzungen gibt es nicht. Bewerben kann sich jeder, der volljährig ist – auch ohne Studienabschluss und sogar im fortgeschritteneren Alter. Das Ziel der Initiative ist es zudem, perspektivisch mindestens 40 Prozent der Plätze an Frauen zu vergeben, die im Bereich Softwareentwicklung noch immer unterrepräsentiert sind.
Vollzeit-Ausbildung ist kostenlos, Geld gibt es in der Lehrzeit aber nicht
Die Ausbildung, die eigentlich keine ist, sondern eher ein gemeinsames Lernen und Erarbeiten von Problemlösungen, ist für die Studenten kostenlos. Berufsbegleitend sei die Schule allerdings nicht angelegt, so Präsident Linde. Für die Finanzierung eines Teils der Lebenshaltungskosten sei man mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) über die Möglichkeit zur Aufnahme von Studienkrediten im Gespräch, sagte er weiter.
Die Dauer der Ausbildung ist auf maximal fünf Jahre angelegt. Einen formalen Abschluss hat man dann zwar nicht. Aber: „Anders als bei Universitäten finden viele Studenten der ,42’ schon nach anderthalb bis zwei Jahren einen Job“, so Linde. Dazu sollen auch Praktika beitragen, die von den Studenten während der Zeit absolviert werden. Für den Berliner Standort ist der Präsident derzeit noch auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten. Benötigt würden 2000 bis 2500 Quadratmeter. Erste Gespräche seien geführt worden. Als aussichtsreich gilt eine Fläche im Bezirk Neukölln.
Viele Bewerber für den ersten Jahrgang am ersten deutschen Standort in Wolfsburg
Die Programmierschule setzt das vom französischen Unternehmer Xavier Niel entwickelte Konzept „42“ einer privaten, gemeinnützigen und gebührenfreien IT-Schule um. Weltweit arbeiten 36 weitere dieser Ausbildungsstätten in 20 Ländern nach dem Lernkonzept. Mit Unterstützung von Volkswagen hatte im Mai der Ausbildungsbetrieb der „42 Wolfsburg“ begonnen.
Die Schule arbeitet mit einem außergewöhnlichen Konzept: Es gibt keine Lehrer oder Dozenten, keinen „Frontalunterricht“ und keine Altersbeschränkungen. Das Studium ist eher wie ein Computerspiel organisiert, bei dem unterschiedliche Level erreicht werden müssen. Das Konzept setzt darauf, dass die Studierenden in Lerngruppen arbeiten. Wer sich im Bewerbungsverfahren bei Logik-Tests sowie in einem mehrwöchigen Trainingslager bewährt, bekommt einen der begehrten Plätze. Für den ersten Jahrgang in Wolfsburg hatte es zuletzt nach Angaben von „42“ 6000 Bewerber gegeben.
Berlin Partner: „Freuen uns, dass der zweite Standort an der Spree eröffnen wird“
Der Name „42“ ist eine Hommage an das Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“ des britischen Autors Douglas Adams. Die Zahl ist dort die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Stefan Franzke, Chef der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner, begrüßte am Mittwoch die Gründung der Coding-Schule. „Für uns ist die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest natürlich eindeutig: Berlin. Wir freuen uns deshalb, dass mit ,42 Berlin’ der zweite Standort der Software und Entwicklerschule an der Spree eröffnen wird“, sagte er. Das Gemeinschaftsprojekt passe zu Berlin wie die Currywurst.