Milliarden-Forderung

Air Berlin: Insolvenzverwalter kämpft gegen Etihad

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Muss Etihad für die Air-Berlin-Pleite zahlen? Gerichte müssen für einen Prozess zunächst die Zuständigkeit klären.

Muss Etihad für die Air-Berlin-Pleite zahlen? Gerichte müssen für einen Prozess zunächst die Zuständigkeit klären.

Foto: Michael Kappeler / dpa

Der Air-Berlin-Insolvenzverwalter streitet sich vor Gericht mit dem früherem Anteilseigner Etihad um einen möglichen Schadenersatz.

Berlin. Muss Etihad Schadenersatz an die Gläubiger der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin zahlen? Die juristische Auseinandersetzung darüber wird Anwälte möglicherweise noch jahrelang beschäftigen. Zunächst streiten sich beide Seiten aber noch darum, welches Gericht überhaupt zuständig ist. Ende des vergangenen Jahres hatte der Londoner High Court das Verfahren an sich gezogen.

Zuvor hatte Air-Berlin-Insolvenzverwalter Lucas Flöther aber bereits eine Klage gegen den früheren Air-Berlin-Anteilseigner Etihad am Berliner Landgericht eingereicht. Doch die hiesigen Richter haben sich zu dem Verfahren bislang noch nicht geäußert.

Gegen den Beschluss aus England allerdings hat sich Flöther jetzt gewehrt. „Wir haben Berufung gegen die Entscheidung des High Court eingelegt. Air Berlin ist eine deutsche Fluggesellschaft und hatte den rechtlichen sowie tatsächlichen Sitz in Berlin. Das Verfahren gehört deswegen nach Berlin“, sagte Flöther der Berliner Morgenpost. Nun ist die nächsthöhere Instanz am Zug, der sogenannte Court of Appeal. Flöther sagte, er gehe davon aus, dass über die Berufung bis zum Jahresende entschieden werde.

Im Streit um mögliche Schadenersatzzahlungen dreht sich alles um die Frage, ob Etihad seiner früheren Tochterfirma vor der Insolvenz im Sommer 2017 weitreichende Zahlungszusagen gemacht hat und, ob die Golf-Airline dafür haftbar gemacht werden kann. Grundlage für die Klage, die Flöther gegen die Scheich-Fluggesellschaft angestrengt hat, ist der sogenannte „Letter of Comfort“. In dem Schreiben hatte der damalige Etihad-Chef James Hogan im April 2017, also noch Monate vor der Insolvenz, zugesichert, Air Berlin bis Ende 2018 finanziell unterstützen zu wollen.

Gutachten stützen Auffassung des Insolvenzverwalters

Flöther hält den Brief für eine handfeste Patronatserklärung. „Etihad ist mit der Patronatserklärung als wirtschaftlicher Schutzherr für Air Berlin aufgetreten, auch gegenüber Geschäftspartnern von Air Berlin“, erklärte der Rechtsanwalt. Die Golf-Airline soll rechtsverbindlich zugesagt haben, für Air Berlin finanziell geradezustehen. Auch Gutachten der renommierten Wirtschaftskanzlei Latham & Watkins sowie des Hamburger Insolvenzrechtlers Reinhard Bork gehen davon aus, dass die Golf-Airline für die Zahlungszusage haftbar gemacht werden könnte. Air Berlin war im August 2017 in die Insolvenz gerutscht, nachdem Etihad eine versprochene Zahlung plötzlich verweigerte. Mehr als 8000 Mitarbeiter der Fluglinie verloren ihren Arbeitsplatz.

Insgesamt kann es in dem Verfahren um mögliche Schadenersatzzahlungen von bis zu zwei Milliarden Euro gehen. Davon könnten auch die mehr als eine Million Gläubiger in dem laufenden Insolvenzverfahren profitieren, darunter viele ehemalige Kunden, die vor der Insolvenz gekaufte Flüge nicht mehr antreten konnten. „Wenn Etihad rechtskräftig verpflichtet wird, Schadensersatz für die Verletzung der Patronatserklärung zu leisten, dann würden sich damit die Quotenaussichten für die Gläubiger erheblich verbessern“, sagte Flöther.

Etihad: Gerichtsstandsvereinbarung Teil der Patronatserklärung

Die beklagte Airline, Etihad, hat sich mit Blick auf das Verfahren bislang noch nicht geäußert. Juristisch hat sich die staatliche Gesellschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten Unterstützung von der US-amerikanischen Anwaltskanzlei Shearman & Sterling und der Münchner Sozietät Wach + Meckes geholt. Wie die Berliner Morgenpost aus dem Umfeld der Fluggesellschaft erfuhr, sieht Etihad den vor der Insolvenz abgegeben „Letter of Comfort“ eher als Absichtserklärung an. Etihad pocht vor allem darauf, dass sich in den Monaten nach dem Schreiben die finanzielle Lage von Air Berlin nochmals deutlich verschlechtert habe.

Auch in der derzeitigen Auseinandersetzung, die sich um den Ort eines möglichen Prozesses dreht, spielt die Patronatserklärung, auf die sich Air Berlin stützt, eine Rolle. Nach Morgenpost-Informationen sieht Etihad die Erklärung als Teil eines kombinierten Unterstützungspakets für Air Berlin an. Die besagte Patronatserklärung sei deshalb untrennbar nicht nur mit einem Darlehensvertrag, sondern auch mit einer Gerichtsstandsvereinbarung verbunden. Dort sei England als juristischer Streitplatz festgehalten.

Air-Berlin-Insolvenzverwalter Flöther argumentiert hingegen, dass innerhalb der Patronatserklärung keine Vereinbarung mit Hinblick auf einen möglichen Gerichtsstand getroffen worden sei. Der Rechtsanwalt wertet Etihads aggressive Bemühungen, den Prozess in England stattfinden zu lassen, auch als taktisches Vorgehen. „Das deutsche Recht sieht in der Patronatserklärung eine rechtsverbindliche Zusage. In England werden Patronatserklärungen hingegen eher lockerer gesehen. Dies ist der eigentliche Grund, warum Etihad versucht, das Verfahren nach England zu verlagern“, erklärte Flöther gegenüber der Berliner Morgenpost. Von einer Quelle aus dem Umfeld der Staatsairline aus Abu Dhabi hieß es hingegen: „Etihad ist zuversichtlich, sich in der Sache durchzusetzen, wo auch immer der Fall entschieden wird.“

Im Streit um Schadenersatz droht ein langes Verfahren

In der ersten Auseinandersetzung vor dem Londoner High Court musste Flöther eine Niederlage einstecken. Das Gericht folgte mit Blick auf den Gerichtsstand der Argumentation von Etihad. Flöther musste deshalb auch die Kosten der Fluggesellschaft für die erste Instanz übernehmen. Das waren rund 467.000 Pfund.

Wie geht es nun weiter? Denkbar ist, dass sich auch das Berliner Landgericht in nächster Zeit äußert – und sich für zuständig erklärt. Möglicherweise müsste eine Klärung dann durch den Europäischen Gerichtshof erfolgen. In der eigentlichen Frage, ob Etihad weitreichende Zahlungszusagen für Air Berlin abgegeben hatte, stellt sich Lucas Flöther auf ein längeres Verfahren ein. Ein Ende sei schwer prognostizierbar, sagte er. „Bei einer juristischen Auseinandersetzung über alle Instanzen hinweg könnten sicherlich sechs bis sieben Jahre vergehen“, so Flöther weiter. Um die Sache abzukürzen, könnten sich der Jurist und Etihad aber auch weiterhin noch vergleichen. Dann aber würde der Air-Berlin-Insolvenzverwalter sicherlich weit weniger als die im Raum stehenden zwei Milliarden Euro einstreichen.