Berlin. Der Senat fördert den Bau von Schallschutz in Berliner Clubs. So viel kostet das Förderprogramm, das nun zum Exportschlager wird.
Seit November 2018 fördert der Berliner Senat den Einbau von Schallschutzmaßnahmen in den Clubs der deutschen Hauptstadt – nun wird das Förderprogramm selbst zum Exportschlager. Wie die Senatsverwaltung für Wirtschaft der Berliner Morgenpost mitteilte, arbeiten Barcelona und Köln an Varianten des Berliner Programms.
Auch der Nachtbürgermeister von Vilnius fordere ein analoges Programm für die Hauptstadt Litauens, ebenso die Fraktion der Grünen im Münchner Stadtrat, sagte ein Sprecher der Wirtschaftsverwaltung.
Mit dem Förderprogramm für Clubs hatte die rot-rot-grüne Koalition in Berlin Neuland betreten. Insgesamt sind seit Start des Programms 28 Anträge eingegangen. 13 Berlins Clubs haben seitdem Geld für den Einbau von Schallschutzmaßnahmen erhalten.
Für eingebaute Lärmschutzwände und Schallschutzfenster oder das Aufstellen sogenannter Absorber sind bislang nach Angaben der Wirtschaftsverwaltung 655.000 Euro Fördermittel geflossen. Drei Anträge wurden bislang abgelehnt oder wieder zurückgezogen. Über zwölf Anträge muss die Jury der zuständigen Clubcommission noch entscheiden.
Wirtschaftssenatorin: Clubförderung gute Nachricht für Clubs und Anwohner
Die Förderung ist pro Club auf 50.000 Euro begrenzt, in besonderen Fällen können aber auch bis zu 100.000 Euro genehmigt werden. Zehn bis 20 Prozent der geplanten Investitionssumme müssen die Clubs selbst aufbringen. Insgesamt steht für das Programm im neuen Doppelhaushalt 2020/2021 eine Million Euro zur Verfügung.
Die Senatsverwaltung hatte das Programm vor allem auch deswegen aufgelegt, weil es in Berlin auch wegen der heranrückenden Wohnbebauung immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Clubbetreibern und Anwohnern gekommen war. Die weiter bereitgestellte finanzielle Unterstützung sei deswegen eine gute Nachricht, sagte Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne).
„Wir unterstützen auch 2020 und 2021 die Clubszene finanziell und fördern Lärmschutzmaßnahmen, um die berechtigten Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner mit dem Erhalt von Kultureinrichtungen in Einklang zu bringen. Denn die Clubkultur gehört zur urbanen Vielfalt unserer weltoffenen Metropole, und sie ist nicht zuletzt ein bedeutender Wirtschaftsfaktor“, erklärte Pop.
Berliner Clubs sorgen für Milliardeneinnahmen in der Stadt
2018 zählte die Berliner Party-Szene laut einer Studie der Clubcommission 280 Clubs und Veranstalter. In dem Jahr beschäftigte die Branche demnach rund 9000 Mitarbeiter, allerdings war nur ein Drittel davon sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Die Clubs und Veranstalter organisierten etwa 58.000 Konzerte und Partys und erzielten damit einen Umsatz von rund 168 Millionen Euro. Hinzu kamen knapp 50 Millionen Euro indirekte Umsätze, also Geld, das Getränkehändler einnehmen, Handwerksbetriebe oder Hotels, die die DJs beherbergen. Jährlich feiern, so die Clubcommission, rund drei Millionen ausländische Gäste in den Hauptstadt-Diskotheken. Die stadtweiten Einnahmen durch die Clubtouristen belaufen sich jedes Jahr auf rund 1,5 Milliarden Euro.
Von der Schallschutzförderung durch den Senat konnten zuletzt unter anderem die Clubs Golden Gate, Klunkerkranich, Tresor, die Musikbrauerei und das Panda Theater profitieren. Der selbst ernannte Kulturdachgarten Klunkerkranich in Neukölln erhält fast 44.900 Euro, um seine Schalldämmung zu verbessern. Unter anderem sollen von dem Geld Deckenverschalungen eingebaut werden. Zusätzlich steuert der Klunkerkranich einen Eigenanteil von rund 11.000 Euro bei.
Einem der bekanntesten Techno-Clubs in der Hauptstadt, dem Tresor-Club in Kreuzberg, hilft der Senat mit mehr als 61.500 Euro Fördergeld. Mit dem Geld soll unter anderem das gegenüberliegende Wohnhaus besser vor Lärm geschützt werden. Dafür will der Tresor zum Beispiel eine fünf Meter hohe Schallschutzwand errichten, die vor allem Geräusche der vor dem Club wartenden Menschen absorbieren soll. Der Eigenanteil des Tresor Clubs für den Bau der Wand liegt bei 15.000 Euro.
FDP sieht Clubs in der Pflicht
Die FDP im Berliner Abgeordnetenhaus findet die Clubförderung unfair. Es sei Aufgabe der Clubs, für Ruhe zu sorgen, wenn sich Anwohner gestört fühlten, sagte der kulturpolitische Sprecher der Liberalen, Florian Kluckert. „Die Clubs nehmen Eintritt und verdienen an den Getränken, daher haben sie eigentlich auch genug Geld für geeignete Lärmschutzmaßnahmen. Warum man die Gewinne mitnimmt, die Kosten aber auf den Steuerzahler abwälzt, ist nicht verständlich, zumal andere Gewerbetreibende selber für solche Kosten aufkommen müssen“, kritisierte Kluckert.
Dem Grünen-Abgeordneten Georg Kössler hingegen geht die Förderung der Schallschutzmaßnahmen noch nicht weit genug. Der Lärmschutzfonds sei nur ein erster Schritt. Clubs müssten zudem endlich als Kultureinrichtungen eingestuft werden, fordert der Grünen-Politiker. Zudem müsste in der Bauplanung mit Blick auf Clubs endlich das „Agent-of-Change“-Prinzip gelten.
Grüne: Investoren sollen für Lärmschutz zahlen
Dann müssten Bauherren bestehende Lärmquellen bei der Planung von Wohngebäuden beachten und bereits in der Entwurfsphase Maßnahmen vorlegen, wie die Neubauten besser von Lärmquellen wie Clubs abgeschirmt werden könnten. Investoren, die für den Schallschutz sorgen? Die britische Hauptstadt London verfährt bereits so – auch, um zu verhindern, dass weitere Musik-Clubs schließen müssen. In Berlin aber sind teilweise seit Jahrzehnten bestehende Clubs in der Bringschuld, wenn neue Nachbarn sich beschweren.