Berlin. Die alte Fahrzeugwelt steht in der Werkstatt des Oberstufenzentrums (OSZ) regelmäßig auf einer Hebebühne. Die Lehrlinge, die in der Berufsschule zum Beispiel zum Kraftfahrzeug-Mechatroniker ausgebildet werden, nehmen dann ganz genau den Unterboden des Werkstattwagens unter die Lupe. Fast immer bauen die Lehrer zuvor Fehler ein, die von den Schülern dann gefunden werden sollen. Am Mittwochmorgen steht der Kfz-Auszubildende Jan-Carsten Hildebrandt mit seiner Kollegin Silvia Hammer unter dem Auto. Hildebrandt greift an eines der Bauteile und sagt: „Die Ölwanne schwitzt, und das Getriebe ist undicht.“ Mit-Auszubildende Silvia Hammer nickt zustimmend.
Bis 2021 soll in dem OSZ auch ein Trakt für die Fahrzeugwelt der Zukunft entstehen. Die Tiefbauarbeiten für das rund neun Millionen Euro teure Gebäude haben bereits im vergangenen Monat begonnen. Schon bald sollen Schüler und Lehrlinge in dem neuen Trakt alles zum Thema Elektromobilität lernen. Errichtet werden dafür auf mehr als 1200 Quadratmetern Fläche unter anderem Seminarräume, ein großer Mehrzweckraum sowie vier Werkstatt-Labore.
Mit einem Abschluss in der Tasche verlassen jährlich etwa 300 Schüler das OSZ
Grundsätzlich seien die praktische Ausbildung in den Betrieben und die Theorie in der Berufsschule zwar voneinander getrennt, erklärte Schulleiter Ronald Rahmig. Dennoch sei es gut, wenn man ab und an auch mal praktisch etwas zeigen könne. Dafür seien die Werkstätten und Labore in seiner Schule wichtig.
Mehr als 2000 Jugendliche und junge Erwachsene lernen derzeit an dem Oberstufenzentrum für Kraftfahrzeugtechnik im Bezirk Charlottenburg. Die Einrichtung ist gewissermaßen die Fachkräfteschmiede für Berliner und Brandenburger Kfz-Werkstätten. Ausschließlich hier gehen Lehrlinge, die in der Region einen Kfz-Beruf erlernen, zur Berufsschule, einige absolvieren auch einen vollschulischen Ausbildungsgang. Etwa 300 junge Menschen verlassen das OSZ jedes Jahr mit einem Abschluss.
Bildungssenatorin: Allen ist klar, dass künftig mehr E-Autos auf den Straßen fahren werden
Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) besuchte am Mittwochvormittag das OSZ, ließ sich dabei insbesondere den für die Elektromobilität geplanten Neubau erklären. Sie sei sehr froh, dass sich die Schule auf den Weg in Richtung Elektromobilität gemacht habe, sagte Scheeres. „Uns ist allen klar, dass Autos mit Verbrennungsmotoren weniger werden, und dass künftig viel mehr E-Autos auf den Straßen fahren werden. Dementsprechend muss sich die Ausbildung verändern, damit die jungen Menschen später auch mit der neuen Technik umgehen können“, erklärte sie.
Das OSZ in Charlottenburg zählt auf dem E-Auto-Gebiet zu den Pionieren. Seit 2013 ist die Bildungseinrichtung – als damals bundesweit einzige Schule – Teil des sogenannten Schaufensters Elektromobilität. Darüber hinaus gibt es Kooperationen auf dem Gebiet, zum Beispiel mit der Technischen Universität Berlin, aber auch mit Unternehmen wie Microsoft und Drivery sowie mit Verbänden wie Bitkom. Mitunter gehe es dabei auch darum, die zum Teil teurere technische Ausrüstung, die benötigt wird, um E-Autos auf Fehler zu überprüfen, gemeinsam zu nutzen, sagte OSZ-Leiter Ronald Rahmig.
Schule baut Solar- und Windenergieanlage auf Dach des Neubaus
In dem Neubau setzt Rahmig aber vor allem auf eigene Technik – das ist auch ein Grund für die vergleichsweise hohen Baukosten. Unter anderem soll in dem Erweiterungsgebäude für E-Mobilität ein sogenannter Zwei-Achsen-Prüfstand verbaut werden. Auf dem Dach soll es zudem eine Fotovoltaikanlage sowie ein kleineres Windrad geben. „Es geht uns nicht darum, große Mengen Strom zu produzieren, aber man kann so zum Beispiel zeigen, wie etwa der Energiefluss von der Windenergieanlage ins Auto ist“, erklärte Rahmig.
Dieter Rau, Geschäftsführer der Berliner Kfz-Innung, sagte, E-Mobilität werde für die Betriebe in der deutschen Hauptstadt immer wichtiger. Inzwischen sei fast jedes Unternehmen in der Lage, auch ein E-Auto zu reparieren, schätzte Rau. Auf den Berliner Straßen finden sich die Fahrzeuge hingegen noch kaum. Derzeit liegt der Anteil reiner Stromer an allen zugelassenen Fahrzeugen in Berlin bei unter zwei Prozent.
Tesla braucht nicht unbedingt gelernte Kfz-Mechatroniker in Grünheide
Vielleicht versetzt die Ansiedlung von Tesla in der Region der Elektromobilität einen zusätzlichen Schwung. Bis 2021 will das US-amerikanische Unternehmen ein Werk in Grünheide südöstlich von Berlin bauen. Ist das auch ein künftiger Arbeitgeber für die Kfz-Auszubildenden? Rau schüttelt den Kopf. „Man braucht keine Kfz-Mechatroniker, um am Band ein Auto zusammenzuschrauben“, sagte er. Ohnehin dürften ausgelernte Auszubildende aufgrund des fortschreitenden Fachkräftemangels aber auch bei den klassischen Kfz-Betrieben einen Job finden. Zuletzt sei die Übernahmequote nach Abschluss der Ausbildung auf über 70 Prozent angestiegen.