Mountain View. Susan Wojcicki war 1998 eine 30 Jahre alte Studentin, als sie eine Entscheidung traf, die sie Jahre später zur Multimillionärin machen sollte und die das Surfverhalten von Milliarden Menschen im Internet veränderte: Im September 1998 vermietete Wojcicki ihre Garage in Menlo Park im kalifornischen Silicon Valley an zwei Stundenten der Stanford-University: Larry Page und Sergey Brin.
Im Zuge ihrer bis heute nicht abgeschlossenen Doktorarbeit forschten die damals 25-Jährigen an einem Algorithmus, der es ermöglichen sollte, verlinkte Dokumente zu bewerten und zu listen. Sie erfanden den PageRank, benannt nach Larry Page, einen Algorithmus, der zum Herzstück ihrer neu gegründeten Firma Google wurde.
21 Jahre später greifen bei der Internetsuche 94 Prozent der Deutschen auf Google zurück, der Marktwert des Dachkonzerns Alphabet wird auf bis zu eine Billion Dollar geschätzt und aus den Stanford-Studenten von damals sind Milliardäre geworden. Jetzt ziehen sich Larry Page und Sergey Brin zurück. Page legt sein Amt als Alphabet-Chef nieder. Brin wird nicht länger Präsident von Alphabet sein, ein Job, für den es ohnehin keinen näher beschriebenen Aufgabenbereich gab. Die Geschicke von Alphabet wird künftig der bisherige Google-Chef Sundar Pichai führen.
Page und Brin zählen zu den 14 reichsten Menschen der Welt
Überraschend kommt der Rückzug nicht. Zuletzt war es zunehmend ruhig geworden um Page und Brin. Als der US-Kongress vor einem Jahr Google vorlud, um sich über dessen Datensicherheit und mögliche China-Expansionspläne zu informieren, schickte Page bereits Pichai vor. Auch bei der firmeneigenen Entwicklerkonferenz tauchte Page nicht auf, die Telefonkonferenzen mit Analysten nach Vorlage von Quartalszahlen führte ebenfalls der gebürtige Inder Pichai.
Jetzt geben Page und Brin also auch offiziell die Verantwortung ab. Gänzlich in den Vorruhestand verabschieden sich die beiden 46-Jährigen aber nicht. Da beide besondere Aktien mit mehr Stimmrechten besitzen, haben ihre Stimmen nach wie vor Gewicht bei der strategischen Ausrichtung des Konzerns. Ihren Abschied teilten Page und Brin in einem Blogeintrag mit, darin schrieben sie, sie sehen sich in der Rolle der „stolzen Eltern“, die Google künftig beratend zur Seite stehen.

Wie sie ihre neugewonnene Freizeit gestalten werden, verraten sie nicht. Am finanziellen Gestaltungsspielraum dürfte es nicht mangeln. Pages Vermögen beläuft sich laut Forbes-Schätzung auf 59,3 Milliarden US-Dollar (53,57 Milliarden Euro), Brins Vermögen liegt drei Milliarden Dollar darunter. Damit ist Page der zehntreichste Mensch der Welt, Brin landet auf Platz 14.
Mit Google haben Page und Brin die Onlinesuche revolutioniert und einstige Suchmaschinengrößen wie Yahoo oder Altavista in die Bedeutungslosigkeit geschickt. Google-Anwendungen wie der Kartendienst Maps oder das E-Mail-Programm Gmail sind weltweit führend. Doch unter dem Dach von Alphabet wollten Page und Brin nicht nur das Internet umkrempeln.
Schwesterunternehmen von Google forschen zu ewigem Leben
Mit Waymo hat eine Alphabet-Tochter die Marktführerschaft bei autonomen Autos inne, das Start-up Kitty Hawk, das an autonomen Flugtaxis forscht, finanziert Page laut „New York Times“ aus seinem Privatvermögen. Von ihrem Reichtum wollen Page und Brin offenbar auch längerfristig etwas haben: Die firmeneigene Tochter Calico forscht am ewigen Leben.
Im Gegensatz zu ihren technischen Visionen schirmen Page und Brin ihr Privatleben ab. Eine Ausnahme leistete sich Page im Dezember 2007, als er die Stanford-Doktorandin Lucy Southworth heiratete. Für die Hochzeit mietete Page zwei der britischen Jungferninseln, lud 600 Gäste ein, darunter die Clintons und U2-Frontsänger Bono, und machte Richard Branson, Milliardär und Besitzer von Pages Hochzeitsinsel Necker Island, zu seinem Trauzeugen. Mittlerweile hat das Paar zwei Kinder – und besitzt eine 60 Meter lange Privatyacht.
Auch der gebürtige Moskauer Brin besitzt eine Privatjacht und auch er ist verheirat. Allerdings vollzog Brin, der als fünfjähriger mit seinen Eltern in die USA immigrierte, seine Trauung mit Nicole Shanahan im vorigen Jahr im Stillen. Bis 2015 war Page mit Anne Wojcicki verheiratet – der Schwester von Susan Wojcicki, die Page und Brin damals ihre Garage vermietete. Aus der Ehe stammen zwei Kinder.
Für Susan Wojcicki hat es sich ausgezahlt, ihre Garage vor 21 Jahren für Page und Brin freizuräumen. Sie hat ein Vermögen von über 350 Millionen Dollar angehäuft – zunächst als Google-Marketingchefin und seit 2014 als Chefin von Youtube, einer Alphabet-Tochter.
Der Google-Konzern steht jedoch genauso wie andere amerikanische Tech-Schwergewichte unter verstärktem politischen Druck. Inzwischen nehmen auch die lange wohlwollenden US-Wettbewerbshüter Google ins Visier. In Europa verhängte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager bereits Strafen von mehreren Milliarden Euro gegen Google. Der Internet-Konzern steckte sie locker weg. (mit mbr/dpa)