Berlin. Es ist ein Bauwerk der Superlative: Daxing, der neue Flughafen von Peking wird zu den größten Flughäfen der Welt gehören. Fast 100 Millionen Passagiere sollen hier starten und landen. Insgesamt acht Start- und Landebahn gibt es. Bauzeit des riesigen Projekts: gerade mal fünf Jahre. 2014 wurde mit dem Bau des spektakulären Gebäudes angefangen.
Von solchen Eiltempo ist man in Berlin weit entfernt. Auch Jahre nach der geplanten Eröffnung 2012 gibt es viele Probleme. Zuletzt musste eine Generalprobe verschoben werden. Auch der geplante Eröffnungstermin für 2020 ist fraglich. Eine Panne reiht sich an die nächste. Grund für den geplatzten Test waren zuletzt fehlende Unterlagen.
BER nicht fertig – China braucht für Flughafen Daxing fünf Jahre
Dass es auch deutlich schneller gehen kann, zeigt der Bau des riesigen Flughafens in China: Dort heben die ersten Flieger bereits vor der offiziellen Eröffnung ab.
Die Bauarbeiter kratzen die letzten Reste der Schutzfolie des neuen Gepäckbands ab. Ein paar Meter weiter poliert eine Putzkolonne die Scheiben der Rolltreppen. Aus einem Sicherheitskasten hängen zwar noch ein paar Kabel heraus.
Der Probebetrieb an Pekings neuem Großflughafen Daxing läuft trotzdem – und zwar so gut, dass die chinesische Fluggesellschaft China United Airlines bereits den Flugbetrieb aufnehmen darf.
Peking und Berlin haben etwas gemeinsam – beide arbeiten an einem neuen Hauptstadtflughafen. Doch was in Deutschland bereits 13 Jahre andauert, ist in China in weniger als fünf Jahren fertig geworden.
Und während der für Oktober 2020 vorgesehene BER-Eröffnungstermin von Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben schon wieder infrage gestellt wird – seit 2012 sei vor jeder Wahl gesagt worden, der Flughafen werde nach der jeweiligen Wahl eröffnen – ist an der Eröffnung des neuen Pekinger Flughafens Daxing nichts mehr zu rütteln.
Acht Start- und Landebahnen am Flughafen Daxing
„Wir stehen unmittelbar vor dem Umzug zum internationalen Flughafen Beijing Daxing“, gab Liu Beige, Vizechef von China United Airlines, Anfang Juli bekannt. „Alles steht bereit.“ Pekings neuer Flughafen liegt im Stadtbezirk Daxing, 67 Kilometer südlich des Stadtzentrums.
Der nun fertiggestellte Hauptterminal ist mit 700.000 Quadratmetern nach dem neuen Flughafen in Istanbul der zweitgrößte Terminal der Welt. Mit den dann acht Start- und Landebahnen wird der Beijing Daxing Airport so viele in Betrieb haben wie der bisherige Spitzenreiter, Chicago O’Hare Airport.
- Bei der Eröffnung ist er mit den vier fertiggestellten Start- und Landebahnen zunächst für bis zu 45 Millionen Passagiere ausgelegt.
- In einer zweiten Ausbaustufe bis 2025 soll er Kapazität für 72 Millionen bieten.
- Bis Vollendung der dritten Ausbaustufe 2040 wird er gar 130 Millionen Fluggäste im Jahr abfertigen können.
Zum Vergleich: Der BER soll bei Eröffnung rund 40 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen können – zusammen mit dem Flughafen Schönefeld.

200.000 Kubikmeter Stahl und 100.000 Kubikmeter Beton wurden verbaut
Mit den Bauarbeiten wurde im September 2014 begonnen – keine fünf Jahre später ist der „Seestern“, wie ihn die Chinesen wegen seiner sechs charakteristischen Seitenarme und des geschwungenen kupferbraunen Daches nennen, vollendet.
Der besondere Clou an dieser Architektur: Mit den fünf fast gleich langen Seitenarmen ist der Laufweg zu jedem Flugsteig nie weiter als 600 Meter.
Die Planung übernahm der englische Architekt Norman Foster, der auch schon den dritten Terminal des alten Pekinger Flughafens entworfen hatte. Die Gestaltung des neuen Flughafens erfolgte durch das Büro der 2016 überraschend verstorbenen britischen Star-Architektin Zaha Hadid.
200.000 Kubikmeter Stahl und 100.000 Kubikmeter Beton wurden für das Bauwerk verbaut. „Das ist so, als würde man jeden Tag ein 18-stöckiges Gebäude hochziehen“, erläuterte Bauleiter Li Jianhua, als er im Frühjahr Journalisten aus aller Welt stolz Pekings neuen Flughafen zeigte.
Der neue Hauptstadtflughafen kostet zwölf Milliarden Euro
Umgerechnet rund zwölf Milliarden Euro hat das Bauprojekt gekostet. Auch das liegt im Plan. Der offizielle Eröffnungstag ist nur deswegen erst Ende September, weil die kommunistische Regierung am 1. Oktober den 70. Jahrestag der von ihr ausgerufenen Volksrepublik begeht. Die Eröffnung des neuen Flughafens soll Teil der Feierlichkeiten werden.
Dass alles so schnell ging, hat einen Grund: Großbauprojekte haben in China höchste Priorität. Bürokratische Hürden räumt die autoritäre Führung rigoros aus dem Weg. Beim Bau des neuen Flughafens rückten die Planierraupen bereits an, als die Öffentlichkeit noch gar nicht darüber informiert war.

Dutzende Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Die Anwohner wurden zwar entschädigt. Eine Wahl hatten sie aber nicht.
Sheng Guangyao, Stadtforscher der Akademie der Sozialwissenschaft in Shanghai, sieht aber noch einen anderen Grund, weshalb in China Bauprojekte schneller fertig werden als in den meisten westlichen Staaten: „Europa ist entwickelt und hat es vielleicht nicht mehr so eilig“, mutmaßt der Wissenschaftler.
Anders als in Deutschland, wo die Interessen vieler verschiedener Seiten unter einen Hut gebracht werden müssten, würden in China Großprojekte zudem aus einer Hand geplant.
Lufthansa fliegt weiter vom alten Flughafen
Im Nordosten Pekings steht bereits ein Großflughafen. 2008 hat die chinesische Führung pünktlich zu den Olympischen Spielen mit dem dritten Terminal bereits eines der größten Flughafengebäude der Welt errichtet.
Damals lästerten ausländische Journalisten: „Viel zu groß, viel zu überdimensioniert“, die chinesische Führung habe in ihrem Größenwahn mal wieder völlig übertrieben. Pekings Passagieraufkommen hat sich seitdem fast verdoppelt. Und längst platzt der bestehende Flughafen aus allen Nähten.
Angefragte Flugrouten müssen abgelehnt werden, weil dort mit 100 Millionen Passagieren im vergangenen Jahr schon mehr Fluggäste starteten und landeten als zugelassen. Pekings alter Flughafen soll parallel zum neuen Flughafen in vollem Ausmaß in Betrieb bleiben. Lufthansa, Austrian Airlines und Swiss werden weiter von hier aus starten.

130 Millionen Chinesen reisten 2018 als Touristen ins Ausland
So gigantisch das Vorhaben klingt – der Bedarf wird weiter ansteigen. Das sind die Gründe dafür:
- An vielen Urlaubsorten weltweit stöhnen die Menschen bereits unter dem Ansturm chinesischer Touristen der letzten Jahre. Doch das war erst der Anfang.
- Seit 2014 hat die chinesische Führung überhaupt erst begonnen, ihren Bürgern Reisepässe für Auslandsreisen in größerer Zahl auszustellen.
- 130 Millionen Chinesen reisten im vergangenen Jahr als Touristen ins Ausland. Das sind nicht einmal zehn Prozent der Gesamtbevölkerung.
- 2020 soll die Zahl chinesischer Auslandsreisen bereits auf über 200 Millionen steigen.
Dass die Regierung nicht auf einen Schlag allen Bürgern Pässe ausstellt, hat sie aus Gründen einer unzureichenden Infrastruktur getan. Dabei ist China heute bereits die Nation mit den meisten Flughäfen der Welt. Als 2006 in Berlin der Grundstein für den BER gelegt wurde, waren in China bereits 142 Flughäfen in Betrieb.
Bis Ende 2018 sind 93 dazugekommen. Bis 2025 sollen noch einmal 85 neue Flughäfen entstehen – und jeder einzelne kann mindestens doppelt so viele Passagiere abfertigen wie der neue Berliner Flughafen bei seiner Eröffnung.
Bis 2020 sollen 30.000 Kilometer Schiene fertiggestellt sein
Parallel dazu hat die Volksrepublik kräftig in das Netz für Hochgeschwindigkeitszüge investiert. Bis 2020 sollen 30.000 Kilometer fertiggestellt sein. Deshalb drohen massive Überkapazitäten. In Verbindung mit all den neuen Flughäfen „ergeben sich Risiken für überflüssige Konstruktionen“, befürchtet Verkehrsexperte Zhao Jian, Professor an der Peking-Universität.
Gerade im dicht besiedelten Osten und Süden des Landes werde sich das Zugnetz zur Konkurrenz zum Flugverkehr entwickeln. Daran, dass der neue Pekinger Flughafen zu einem Erfolg wird, zweifelt aber auch er nicht.
Dagegen könnte der BER schon zum Start am Limit operieren. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres stieg die Passagierzahl an den Berliner Flughäfen um zwölf Prozent auf 17,5 Millionen – für viel mehr ist der deutsche Hauptstadtflughafen auch gar nicht ausgelegt.