Berlin. Die Verhandlungen zur Zukunft des Berliner Lebensmittelunternehmens Kochhaus dauern an. Man sei im Gespräch mit Investoren, sagte ein Sprecher von Insolvenzverwalter Jerko Stark am Freitag auf Anfrage der Berliner Morgenpost. „Erst Mitte oder Ende Juni können wir etwas Substanzielles sagen.“ Ursprünglich hatte Stark gehofft, bereits bis Ende Mai eine tragfähige Lösung zu finden.
Die Firma war 2008 gegründet worden. Im März 2019 hatte sie beim Amtsgericht Charlottenburg Insolvenz angemeldet. Der Geschäftsbetrieb wird seither fortgesetzt. Ziel ist es, das Unternehmen zu sanieren und die Filialen zu erhalten. Kochhaus hat etwa 190 Mitarbeiter an neun Standorten. Drei Geschäfte gibt es in Berlin, je zwei in Hamburg und Köln, außerdem einen Standort in München und in Frankfurt/Main.
Im Geschäft an der Akazienstraße in Schöneberg ist von der ungewissen Zukunft nichts zu spüren. Kunden gehen im Laden an den Tischen entlang, lesen die Rezepte und betrachten die Zutaten, die dekorativ drapiert sind. In Schalen liegen Tomaten und Zucchini, Zwiebeln und Chilischoten bereit. Unter den aktuellen Vorschlägen am Freitag ist ein Anleitung für Schoko-Erdnuss-Törtchen. Kleine Tüten mit Zartbitterschokolade, Kakaopulver und Backpulver sind ausgebreitet, und Popcorn für’s Topping. Das ist das Konzept von Kochhaus: Lebensmittel werden passend zu Rezepten angeboten. Die Zutaten sind abgewogen und verpackt. Die Gerichte, die die Kunden nach Anleitung zubereiten können, wechseln wöchentlich. Auch Kochbücher und Küchengeräte werden verkauft. Im Online-Versand verschickt das Unternehmen Kochboxen.
Kunden lassen sich nicht abschrecken
Die Kunden des Schöneberger Kochhauses haben vom Insolvenzverfahren bislang kaum etwas mitbekommen. Pawel Kowalczyk wohnt in der Nachbarschaft. Er trägt an diesem Freitag zwei Kochbücher unterm Arm, als er den Laden verlässt. „Für einen zweimonatigen Urlaub in Frankreich“, erklärt er. Es sei einfach, die Gerichte gemäß den Rezepten zu kochen, und gehe relativ schnell. Nur mit dem Einkauf werde es am Urlaubsort schwieriger als in Berlin. Etwa zwei Mal im Monat gehe er zu Kochhaus, erzählt der 52-Jährige. Er habe auch schon an einem Kochkurs teilgenommen.
Eine Schönebergerin berichtet, sie schaue sich immer die Rezepte an, wenn sie vorbeikommt. „Die sind interessant.“ Doch sie kauft nicht ein. „Es ist mir zu teuer.“ Eine andere Kundin schwärmt von der Freundlichkeit der Mitarbeiter und vom Essen, dass man in der Schöneberger Filiale bekommt. „Wir kaufen hier ein, seitdem es das Geschäft gibt. Es wäre schade, wenn es schließen müsste.“
Kochhaus-Geschäftsführer Ramin Goo sagt, er sei sehr optimistisch. „Wir sind derzeit in intensiven Verhandlungen.“ Doch „spruchreif“ sei noch nichts. Die Stimmungslage in allen Teams sei sehr zuversichtlich und gut. „In der Tat können wir derzeit im Wesentlichen wie gewohnt weiterarbeiten und freuen uns darauf, in drei bis vier Wochen Gewissheit zu haben, wie es weiter geht.“
Goo hatte das Unternehmen vor elf Jahren gegründet, gemeinsam mit Max Renneberg und Dorothée Karsch. Ein „begehbares Kochbuch“ sollte der Laden für Kunden sein. Die Zielgruppe waren gut verdienende und beruflich stark eingebundene Berliner.
Goo und Renneberg haben an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung studiert. 2012 gehörte die Firma Kochhaus zu den drei Finalisten im Wettbewerb für den Deutschen Gründerpreis. Sie wurde nominiert, „weil das Unternehmen als erster Einzelhändler hierzulande das Angebot von Lebensmitteln neu ausrichtet und bei der Zusammenstellung von selbst kreierten Rezepten ausgeht.“ Das biete auch Kunden mit Zeitmangel oder wenig eigener Kenntnis die Möglichkeit eines Kocherlebnisse zu Hause und einer abwechslungsreichen und gesunden Kost, so die Jury in ihrer Begründung.
Das Schöneberger Kochhaus wurde als erster Standort im Herbst 2010 eröffnet. „Wir sind ein junges Unternehmen“, so eine Mitarbeiterin am Freitag. Viele Kollegen könnten sich nicht vorstellen, dass das Konzept scheitern sollte. Die Arbeit sei abwechslungsreich und kreativ. „Ich hoffe, dass es weitergeht, und warte ab, was passiert.“