Berlin. Immer mehr Elektroautos kommen auf die Straße, auf Parkplätzen steigt die Zahl der Ladesäulen in jüngster Zeit rasant: Die Elektromobilität kommt nach jahrelangen Startschwierigkeiten in Deutschland in Fahrt.
Das Kraftfahrt-Bundesamt registrierte von Januar bis März 15.901 neue E-Autos, das waren 75 Prozent mehr als vor einem Jahr. Und die Zahl der Ladepunkte ist seit Jahreswechsel um über 1300 auf 17.400 gestiegen. Doch der wirkliche Durchbruch der Elektromobilität steht noch bevor.
Aktuell ist jeder 40. Neuwagen ein reines Elektroauto mit Batterieantrieb oder ein Plug-in-Hybrid, also ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor und E-Antrieb, der am Straßenrand aufgeladen werden kann. Zum Jahreswechsel gab es rund 150.000 Stromer in Deutschland.
Bislang waren die Modelle rar und Autofahrer haderten wegen der begrenzten Reichweiten mit der Technologie. Noch in diesem Jahr wollen die deutschen Hersteller BMW, Daimler und der VW-Konzern mit ihrer E-Auto-Offensive beginnen und damit zum US-Pionier Tesla aufschließen. In den kommenden Jahren bringen sie schließlich eine ganze Palette an neuen E-Modellen auf den Markt.
E-Autos: Tesla liegt auch in Deutschland vorn
Bislang gibt Tesla auch in Deutschland den Ton an. Im ersten Quartal hat der US-Hersteller hierzulande 3596 Autos ausgeliefert. Mit den bislang niedrigen Zahlen ist das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen, jedoch längst in weite Ferne gerückt und auf 2022 verschoben worden.
Zu diesem Zeitpunkt drohen den Herstellern auch Milliardenstrafen, wenn sie Vorgaben der EU zur Reduktion des CO2-Ausstoßes ihrer Neuwagen nicht einhalten. Wird das Elektroauto bis dahin den Durchbruch schaffen?
„Das ist vor allem eine Frage des Preises und der Attraktivität der Modelle für die Kunden“, sagt Frank Schwope, Auto-Analyst der Landesbank NordLB, unserer Redaktion. Die Produktion hochzufahren sei für die Hersteller dagegen unproblematisch. VW etwa will in diesem Jahr 100.000 E-Autos verkaufen und im kommenden Jahr bereits die fünffache Zahl.

„Sie kommen zwar spät, dafür aber mit Macht“
Schwope glaubt nicht, dass die deutschen Hersteller bei der Elektromobilität zu spät dran sind. „Sie kommen zwar spät, dafür aber mit Macht.“ VW etwa sei auch beim Trend der SUVs spät dran gewesen – der Hersteller ist aber nun beispielsweise mit dem Tiguan Marktführer in Deutschland. Zudem hätten sich die Wolfsburger mit ihrem modularen Elektrobaukasten eine vorteilhafte Grundlage für eine Vielzahl an Elektromodellen geschaffen.
So sieht es auch Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte an der Universität Duisburg-Essen. „Das Rennen hat erst begonnen und die deutschen Hersteller fahren nicht hinterher“, sagt er. Wie Schwope hebt er die Strategie von VW hervor. Der Konzern stelle nach dem Dieselskandal nun eine breite Palette an rein batteriegetriebenen Elektroautos in den Mittelpunkt.
Den Wandel zur Elektromobilität befeuern die Hersteller in den kommenden fünf bis zehn Jahren weltweit mit gigantischen Investitionen von über 300 Milliarden Dollar (270 Milliarden Euro). Das ergab eine Analyse der Nachrichtenagentur Reuters. Fast ein Drittel davon, 91 Milliarden, entfallen auf den VW-Konzern.
Alltagstaugliche Stromer ab 20.000 Euro?
„Nach Tesla sind wir das Mobilitätsunternehmen, das sich am stärksten der E-Mobilität verpflichtet hat“, sagte VW-Chef Herbert Diess vergangenen Herbst der „Süddeutschen Zeitung“. Rivale Daimler kommt auf 42 Milliarden Dollar. Der größte US-Autobauer General Motors investiere nur acht Milliarden Dollar in die Elektromobilität.
Um Milliardenstrafen wegen strenger werdender Abgasvorschriften zu vermeiden, müssten die Hersteller in Europa ab 2022 laut Dudenhöffer Hunderttausende E-Autos verkaufen: VW jährlich rund 350.000, BMW und Daimler je 100.000.
„Ich bin zuversichtlich, dass der Hochlauf 2020 kommen wird. Die Hersteller werden relativ günstige Elektroautos auf den Markt bringen“, sagt der Professor. Alltagstaugliche Stromer mit Reichweiten von 300 bis 350 Kilometern werde es ab 20.000 Euro geben.
Kritisch bewertet Auto-Analyst Schwope noch die Infrastruktur zum Laden der Akkus. Damit Elektroautos massenhaft auf die Straße kommen könnten, bräuchte es unter anderem in Wohngebieten Ladesäulen an jeder Straßenlaterne. „Das ist bei Weitem nicht in Sicht“, sagt er. Für das Ziel von einer Million Elektroautos in Deutschland sieht die Nationale Plattform Elektromobilität rund 70.000 Ladestationen vor – bislang gibt es davon erst ein Viertel. (Alexander Klay)
