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Germania ist pleite – 260.000 Flüge werden nicht erstattet

| Lesedauer: 10 Minuten
Germania ist insolvent. Bei vielen Fluggäste sorgt das für Ärger.

Germania ist insolvent. Bei vielen Fluggäste sorgt das für Ärger.

Foto: Martin Schutt / dpa

Nach Air Berlin hat mit Germania die nächste deutsche Fluglinie Insolvenz beantragt. Viele Kunden bleiben wohl auf ihren Kosten sitzen.

Berlin.  Die Berliner Airline Germania ist insolvent. Viele Kunden schauen in die Röhre und können ihr Ticket wohl nicht erstattet bekommen.

Doch was bedeutet die Pleite für Urlauber? Welche Flüge fallen aus? Erhalten betroffene Passagiere ihr Geld zurück? Gibt es einen Kontakt zu Germania? Wir klären die wichtigsten Fragen zur Pleite.

Germania-Insolvenz – das Wichtigste in Kürze:

  • Germania hat Insolvenz beantragt
  • Der Flugbetrieb wurde sofort eingestellt
  • Wer eine Pauschalreise gebucht hat und mit Germania fliegen sollte, muss sich an den Reiseveranstalter wenden
  • Wer direkt bei Germania eine Reise gebucht hat, muss sich eigenständig einen Rückflug organisieren
  • Hoffnungen auf einen Einstieg einer Investorengruppe haben sich offenbar zerschlagen
  • 260.000 Flugbuchungen werden nicht erstattet

Germania-Flug stornieren – geht das jetzt noch?

Passagiere, die ihren Germania-Flug im Rahmen einer Pauschalreise gebucht haben, sollen sich laut Mitteilung direkt an ihren Reiseveranstalter wenden, um eine Ersatzbeförderung zu erhalten. Darauf habe aber laut Gesetzeslage keinen Anspruch, wer sein Flugticket direkt bei Germania gekauft habe.

In diesem Fall wird es zwar zu Änderungen kommen, die aber nicht der Urlauber, sondern der Reiseveranstalter veranlassen muss. Abflugorte und -zeiten können sich kurzfristig ändern. Das vom Kunden gezahlte Geld ist allerdings nicht weg, und ausfallen muss der gebuchte Urlaub auch nicht.

Denn wenn Flüge zu einem Reisepaket gehören, trägt der Veranstalter ganz allein das Insolvenzrisiko bei Leistungserbringern wie Airlines, erläutert die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt.

Christian Geltenpoth, Geschäftsführer der GDVI Verbraucherhilfe Flugrecht.de, bestätigte auf Anfrage unserer Redaktion, dass den Passagieren, die ihr Ticket direkt bei Germania gebucht haben, „nur die eigenständige Neubuchung“ bliebe. Zugverspätung und Flugausfall: Diese Rechte haben Reisende.

„Zwar besteht auch hier grundsätzlich ein Anspruch gegen die (insolvente) Gesellschaft, jedoch zeigt die Vergangenheit, dass kaum mit nennenswerten Zahlungen zu rechnen ist“, sagte Geltenpoth. Rechnungen sollten in jedem Fall gut aufgehoben werden. Dann könnten die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet werden. So können Passagiere ihre Fluggastrechte durchsetzen.

Unerheblich sei es, ob die Buchung über ein Reisebüro oder direkt online sei, da das Reisebüro in der Regel kein Vertragspartner des Reisenden sei und somit keine Kosten beziehungsweise Haftung übernehme.

Ein Sprecher des Insolvenzverwalters sagte am Freitag, das etwa 260.000 Flüge bis Mai 2010 direkt bei Germania gebucht worden sind und entsprechend nicht erstattet werden.

Welche Airlines bieten vergünstigte Tickets für Germania an?

Die Fluggäste, die direkt über Germania ihren Flug gebucht haben und jetzt im Ausland festsitzen, erhalten Unterstützung von deutschen Fluggesellschaften. Wie der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft mitteilte, bieten sechs Fluglinien Rückflüge für Germania-Kunden nach Deutschland zu Sonderkonditionen an.

Lufthansa teilte mit, seine Billig-Tochter Eurowings werde Germania-Kunden 50 Prozent Rabatt auf den Flugpreis anbieten. Germania-Kunden sollten dafür die Buchungsbestätigung ihres ausgefallenen Fluges von einem ausländischen Abflughafen zu einem Zielflughafen in Deutschland per E-Mail einreichen. Das Angebot gilt bis Ende Februar.

Auch die irische Billigflug-Gesellschaft Ryanair bietet spezielle Tarife für Germania-Kunden an. Sonderpreise ab 9,99 Euro pro Flug gebe es ab Tegel und Schönefeld in Berlin sowie ab Hamburg auf 18 Strecken. Ryanair will so vor allem Kunden auffangen, deren Flüge von und in die Urlaubsregionen im Mittelmeer und auf den Kanarischen Inseln storniert wurden.

Ähnliche Angebote macht die Ryanair-Tochter Laudamotion. Vergünstigte Flüge für Germania-Kunden gibt es ab Münster, Düsseldorf und Berlin-Tegel auf die Kanaren sowie nach Palma de Mallorca. Außerdem bietet die Airline Sunexpress Germania-Kunden, die derzeit an anatolischen Zielorten auf einen Rückflug warten, eine Umbuchungsmöglichkeit ihrer Tickets für 98,99 Euro an.

Folgende Fluglinien bieten Sonderkonditionen an:

  • Austrian Airlines
  • Condor
  • Eurowings
  • Lufthansa
  • Swiss
  • TUIfly

Was muss man tun, wenn man nicht rechtzeitig zur Arbeit kommt?

Wer es trotz der Hilfe der Fluglinien nicht rechtzeitig schafft, seinen Arbeitsplatz pünktlich zu erreichen, muss in der Regel keine Abmahnung oder Kündigung fürchten, da kein eigenes Verschulden vorliegt.

Dennoch sind Arbeitnehmer angehalten, schnellstmöglich ihren Arbeitgeber über die Verspätung zu informieren und sich zeitnah eine angemessene Rückreisemöglichkeit zu organisieren. Grundsätzlich sollte man als Arbeitnehmer alles Zumutbare unternehmen, um rechtzeitig beim Arbeitsplatz zu erscheinen. Was genau als „zumutbar“ gilt, hängt aber vom Einzelfall ab.

Wer nicht an seinem Arbeitsplatz erscheint, hat außerdem keinen Anspruch auf Lohn an dem Tag des Fehlens.

Germania-Kontakt – wie können Kunden die Airline erreichen?

Die Airline bietet Kunden an, sich bei Fragen telefonisch bei Germania zu melden. Bei einem Anruf unserer Redaktion hieß es von einer Computerstimme allerdings, dass man aufgrund der Insolvenz derzeit nicht alle Anfragen persönlich empfangen könne. Ob auf Mails geantwortet in der derzeitigen Situation geantwortet wird, ist unklar.

Das sind die Kontaktdaten von Germania:

E-Mail: servicecenter@germania.aero
Telefon: +49 (0) 30 610 818 000

Wie kam es zur Insolvenz?

Geschäftsführer Karsten Balke begründete den Schritt damit, dass es nicht gelungen sei, Finanzierungsbemühungen zur Deckung eines kurzzeitigen Liquiditätsbedarfs erfolgreich zum Abschluss zu bringen.

„Wir bedauern sehr, dass uns als Konsequenz daraus keine andere Möglichkeit als die der Insolvenzantragstellung blieb“, erklärte Balke laut Mitteilung. Er bedauerte die Auswirkungen des Schrittes für die Mitarbeiter, die ihr Bestes für einen zuverlässigen Flugbetrieb gegeben hätten, auch in den zuletzt angespannten Wochen. Die betroffenen Fluggäste bat Balke um Entschuldigung.

Finanzielle Schwierigkeiten waren seit Januar bekannt

Anfang Januar waren die finanziellen Schwierigkeiten bei Germaniabekannt geworden. Der Flugbetrieb ging jedoch zunächst planmäßig weiter. Zwischenzeitlich hatte das Unternehmen von erfolgreichen Finanzierungsverhandlungen gesprochen.

Ende Januar wurde aber bekannt, dass es bei der Auszahlung der Januar-Gehälter an die Mitarbeiter Verzögerungen gibt. Die Airline begründet den finanziellen Engpass mit massiven Steigerungen der Kerosinpreise und mit einer „außergewöhnlich hohen Anzahl technischer Serviceleistungen an der Flotte“.

Das Ende von Air Berlin – Chronik eines Sinkflugs
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Germania-Pleite: Sorgen um Flughafen Erfurt-Weimar

In Thüringen hat die Germania-Pleite Sorgen um die Zukunft des Flughafens Erfurt-Weimar und die dort Beschäftigten ausgelöst. Insgesamt 70 Prozent der Flüge, die in diesem Jahr von Erfurt abgehen sollten, seien Germania-Verbindungen, sagte Flughafen-Geschäftsführer Uwe Kotzan der Deutschen Presse-Agentur. Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sprach von einem „herben Rückschlag“.

Der Flughafen Erfurt-Weimar sei ein erheblicher Wirtschaftsfaktor für Thüringen, so Tiefensee. Dies zeigten Unternehmen aus der Luftfahrtbranche, die sich im Umfeld angesiedelt hätten. Im vergangenen Jahr starteten oder landeten dort 185.600 Passagiere mit Germania.

Germania war bisher das wichtigste Unternehmen für den einzigen internationalen Flughafen in Thüringen. 70 Prozent der Abflüge in diesem Jahr sollten von ihr bestritten werden.

Insgesamt flogen etwa 263.000 Passagiere von Thüringens einzigem internationalen Flughafen aus ihre Ziele an. Der Flughafen beschäftigt nach Angaben seines Geschäftsführers rund 140 Mitarbeiter. In Südostdeutschland ist außerdem Dresden Germania-Standort. Das Geschäftsmodell von Regionalflughäfen gerät ins Wanken.

Grünen-Fraktionsvize sieht Zukunft von Regionalflughäfen kritisch

Auch an weiteren kleinen Flughäfen wie Münster/Osnabrück und Rostock-Laage war Germania stark vertreten. Nach der Pleite von Germania sieht Oliver Krischer, Vizechef der Grünen im Bundestag, die Zukunft von Regionalflughäfen in Deutschland kritisch. „Die meisten Regionalflughäfen sind Subventionsgräber. Selbst mit vielen Steuergeldern werden rote Zahlen geschrieben“, sagte Krischer unserer Redaktion.

Mit den vermehrten Pleiten verschärfe sich das Problem der Wirtschaftlichkeit der kleinen Flughäfen weiter. „Bei den meisten Regionalflughäfen gilt für mich: lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.“

Grünen-Fraktionschef Hofreiter fordert Gesetz für Insolvenzversicherung

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte gegenüber unserer Redaktion ein Gesetz für eine Insolvenzversicherung. „Verbraucher müssen vor Insolvenzen besser geschützt werden“, sagte er. „Es braucht endlich eine Insolvenzversicherung, damit die Passagiere, die direkt gebucht haben, nicht mehr die Dummen sind.“

Hofreiter fordert „die Bundesregierung auf, dazu einen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Dann müssen die Reiseveranstalter diese Versicherung abschließen – wenn sie insolvent gehen, bleibt der Fluggast am Ende nicht auf seinem Ticket sitzen“.

Germania – Fakten zur Airline

Germania ist eine deutsche Fluggesellschaft mit einer mehr als 30-jährigen Geschichte.

  • Sie wurde 1986 gegründet,
  • Seit 2009 ist Berlin der Firmensitz.
  • Auf der Kurz- und Mittelstrecke beförderte die Airline mehr als vier Millionen Passagiere pro Jahr zu mehr als 60 Zielen innerhalb Europas, nach Nordafrika sowie in den Nahen und Mittleren Osten.
  • Zusammen mit der Schweizer Germania Flugbetrieb AG und der Bulgarian Eagle betrieb Germania zuletzt 37 Flugzeuge.

Erst Ende Oktober 2017 hatte die damals zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Air Berlin ihre Flugbetrieb eingestellt, rund 8000 Mitarbeiter waren betroffen. Im Herbst 2018 ging die Charterfluggesellschaft Small Planet Airlines mit Sitz in Berlin in die Insolvenz.

Hier geht es zur Erklärung der Fluggesellschaft Germania zur Insolvenz. (hip/tki/dpa/rtr)