Berlin. Stinkendes Wasser, verdreckte Maschinen, in der Weißwurstlake schwimmen Schmutzpartikel: Über Monate vermerkte der Lebensmittelkontrolleur in der bayerischen Wurstfabrik Landsberger Wurstspezialitäten wenig Appetitliches.
Die Öffentlichkeit wurde darüber nicht informiert. Bekannt wurde der Fall erst im September, nachdem die Verbraucherorganisation Foodwatch Fotos und Details veröffentlichte.
Verbraucher werden im Dunkeln gelassen
Die Lebensmittelaufsicht findet so allerlei, wenn sie in Betriebe hineinblickt – zum Beispiel Schimmel, Mäusekot und Kakerlaken bei Müller-Brot: Als 2012 herauskam, dass eine der größten Bäckereien Deutschlands einfach weiter ihre Backwaren unters Volk bringen durfte, obwohl die Behörden von den dortigen Zuständen wussten, war das ein Skandal.
Für Verbraucher hat sich trotzdem nichts geändert: Ob ein Betrieb sauber oder schmuddelig arbeitet, erfahren sie nicht.

Mängel in jedem vierten kontrollierten Betrieb
Nun will Foodwatch Schluss machen mit der „Geheimniskrämerei“ der Behörden, wie die Organisation es ausdrückt. Zusammen mit der Initiative FragDenStaat startete die Organisation am Montag „Topf Secret“: ein Onlineportal, auf dem Verbraucher die Ergebnisse von Hygienekontrollen in Restaurants, Bäckereien und anderen Lebensmittelbetrieben abfragen und so auch veröffentlichen können.
„Topf Secret“ sei eine „Notwehrmaßnahme“, sagt Oliver Huizinga von Foodwatch. Seit Jahren werde jeder vierte Betrieb, der kontrolliert wird, auch beanstandet, der Name aber nur selten bekannt.
Deshalb sollen die Verbraucher es selbst in die Hand nehmen: Grundlage ist das Verbraucherinformationsgesetz (VIG), nach dem Bürger Auskunft von Behörden über gesundheitsrelevante Informationen verlangen können.

Hygienekontrolle per Suchfunktion
Wer die Seite www.topf-secret.foodwatch.de aufruft, kann ein beliebiges Restaurant oder irgendeinen Lebensmittelbetrieb über eine Suchmaske oder per Klick auf eine Straßenkarte aussuchen.
Man gibt den eigenen Namen, E-Mail- und Postadresse ein, stellt einen Standardtext dazu, und dann geht alles als Anfrage an die zuständige Behörde, um die Ergebnisse der amtlichen Hygienekontrolle zu bekommen.
Dänemark nutzt Smiley-System
„Je mehr Menschen mitmachen und Anträge stellen, desto mehr Infos kommen ans Licht“, sagt Huizinga. Damit solle sich der Ansporn erhöhen, auf Hygiene zu achten. In anderen Ländern haben sich solche Transparenzsysteme durchaus bewährt.

In Dänemark zum Beispiel hängen in allen Bäckereien, Metzgereien und Restaurants gut sichtbar an der Ladentür oder im Schaufenster Smileys. Zeigt er ein Lachen, ist alles bestens mit der Sauberkeit. Guckt er traurig, wurde wegen Schlampereien mindestens eine Geldstrafe verhängt.
Dänemark und Norwegen sind mit ihrer Transparenz erfolgreich
Die Dänen können auch bei den Behörden im Internet nach Prüfberichten suchen. Schon wenige Jahre nach der Einführung 2002 hatte sich die Quote der beanstandeten Betriebe halbiert.
In Norwegen grinsen seit 2016 Smileys, dort fiel die Zahl der schlampigen Betriebe bereits von 32 auf 21 Prozent. In Wales informiert derweil eine fünfstufige Skala über die Kontrollergebnisse. Die Folge dort: Wurden 2013 noch 13 Prozent der Betriebe schlecht bewertet, waren es 2017 nur noch fünf Prozent.
In Deutschland wurde gegen Smileys geklagt
Deutschland tut sich dagegen schwer mit so viel Transparenz. Auch in Berlin-Pankow gab es schon Hygiene-Smileys. Doch zogen zwei Unternehmen, die in der Bewertung mies abgeschnitten hatten, dagegen vor Gericht – und bekamen Recht.
Seither ist das Lächeln wieder verschwunden. Immerhin hat sich die schwarz-rote Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, „eine übersichtliche und eindeutige Verbraucherinformation zu Hygiene und Lebensmittelsicherheit“ zu schaffen.
Kaum Resonanz bei freiwilligen Projekten
Nur: Es soll den Betrieben überlassen bleiben, ob sie diese wirklich nutzen wollen. Freiwilligkeit helfe aber nicht weiter, sagt Verbraucherschützer Huizinga. Das habe sich in einem Pilotprojekt in Hannover und Braunschweig gezeigt.
Dort konnten Unternehmen freiwillig ein Hygiene-Barometer aushängen. Genutzt haben es vier Prozent.
Branchenverband Dehoga ist skeptisch
Arne Semsrott von FragDenStaat hofft nun auf den Druck der Verbraucher. „Topf Secret“ solle zeigen, dass diese bundesweit wissen wollen, wie sauber ihre Wurst, ihr Frühstücksei, das Marmeladenbrötchen hergestellt wurden. „Wenn die Bundesregierung in Zukunft die Veröffentlichung aller Kontrollergebnisse vorschreibt, schalten wir unsere Plattform gerne wieder ab“, sagt er.
Der Branchenverband Dehoga ist naturgemäß nicht glücklich über den Vorstoß. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, erklärte, der „Mitmach-Internetpranger“ sei „reinster Populismus“.