Berlin. Millionen Mieter in Deutschland sind beunruhigt, was bei der Reform der Grundsteuer auf sie zukommt: Steigt meine noch günstige Miete im 100 Jahre alten Altbau, weil in der Nachbarschaft superteure Lofts entstehen und damit die ganze Gegend aufgewertet wird? „Entspannt euch, Leute!“, lautet die Antwort von Olaf Scholz.
Der Bundesfinanzminister hat am Donnerstag zu einer Pressekonferenz in Berlin eingeladen. Es ist die dritte Informationsrunde des Finanzministeriums seit Wochenbeginn. Am Abend vorher hatte Scholz den Länderkollegen seinen Reformentwurf vorgestellt.
Die Grundsteuer ist schwere Kost. Sie betrifft die Besitzer von 36 Millionen Grundstücken mit Wohngebäuden und viele Mieter, auf die die Steuer per Nebenkosten umgelegt wird. Die Materie aber ist so kompliziert, dass die meisten Bürger diesen Punkt gerne ihrem Steuerberater überlassen.
Kritiker warnen vor Mehrkosten
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Frühjahr eine Reform angeordnet, weil die Grundsteuer bislang im Westen nach Einheitswerten von 1964 und im Osten aus dem Jahr 1935 erhoben wurde. Wer wird bei der neuen Grundsteuer, die von 2025 an gelten wird, Gewinner und wer Verlierer sein?
Scholz glaubt, dass sein Modell für mehr Gerechtigkeit sorgt als eine reine Flächenberechnung, die ebenfalls im Gespräch ist. Kritiker wie der Steuerzahlerbund rügen das Scholz-Modell dagegen als das „komplizierteste aller Lösungen“, das in vielen Fällen zu Mehrkosten führen werde.
Scholz’ Fachleute halten es für zumutbar, dass gut betuchte Eigenheimbesitzer eine moderat höhere Grundsteuer (im Gespräch ist eine mittlere zweistellige Eurosumme im Jahr) bezahlen müssen. Aber was ist mit Altmietern in Berlin, München oder Stuttgart, die einen alten, günstigen Mietvertrag oder einen netten Vermieter besitzen, der die Miete nicht anhebt, bis es quietscht? „Wenn wir denen jetzt eine höhere Steuer abnehmen würden, weil die Gegend so toll geworden ist, würden wir Steuererhöhungen durchsetzen. Ich möchte, dass diejenigen Grundeigentümer belohnt werden, die eine geringe Miete nehmen“, sagt Scholz.
Scholz sitzt nur an zwei Hebeln
Die neue Grundsteuer soll wie bisher die alte insgesamt 14 Milliarden Euro pro Jahr einspielen – nicht mehr und nicht weniger. Noch gebe es in Großstädten eine Durchmischung von wohlhabenden Menschen und Geringverdienern (wobei die Gentrifizierung vielerorts rasend schnell voranschreitet). Das Problem ist: Scholz sitzt nur an zwei Hebeln, der dritte gehört den Kommunen. Es sind die Hebesätze.
Scholz will zunächst in fünf Kategorien den Wert einer Wohnimmobilie erfassen (Nettokaltmiete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und regionaler Bodenrichtwert). Diese Werte werden in guten Lagen steigen, im ländlichen Raum eher sinken. Um in Toplagen, wo Nettomieten angezogen haben, gegenzusteuern, will Scholz eine sogenannte Steuermesszahl auf den Zehntel des bisherigen Werts zurückschrauben. Ist die Grundsteuer dann immer noch zu hoch, sollen die Kommunen den Hebesatz reduzieren. Die Länderminister hätten das fest zugesagt, sagt Scholz. Im Januar wird weiterverhandelt.
Aber wäre es nicht viel einfacher, dass die Grundsteuer, die auf das Eigentum erhoben wird, nicht mehr auf die Mieter umgelegt werden darf? Der Mieterbund fordert das seit Langem. „Von mir aus kann man das ändern“, sagte Scholz. Er sei Sozialdemokrat, „das ist nichts, wo sie mich schwer ziehen müssen“. Das Thema Umlage sei aber Mietrecht, falle also nicht in seine Zuständigkeit. Ob die Lobby der Immobilienbesitzer sowie der Koalitionspartner CDU/CSU mitspielen würden, kann ohnehin stark bezweifelt werden.