Berlin/Hamburg. Für die Arbeiter der Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg ist es Routine. Als sich die an diesem Dienstagabend die Tore öffnen, schwimmt das eine Milliarde Euro teure Kreuzfahrtschiff Aida Nova erstmals im Wasser an der Ems.
2600 Kabinen, Platz für bis zu 6600 Passagiere, 16 Restaurants und 17 Bars: Der Kreuzliner ist einer der größten der Welt. Wenn das Schiff Anfang Dezember zur Jungfernfahrt in Richtung Kanaren aufbricht, beginnt ein neues Zeitalter. Nicht wegen der Größe des Schiffs, sondern wegen der Antriebstechnik.
Die Motoren der Aida Nova verbrennen kein Schweröl mehr, das von Umweltschützern wegen des hohen Schadstoffausstoßes heftig kritisiert wird. Verflüssigtes Erdgas (LNG) soll die Umwelt deutlich geringer belasten.
Die Reederei Aida Cruises mit Sitz in Rostock, Marktführer in Deutschland, verspricht sich durch die neue Technik 100 Prozent weniger Rußpartikel und Schwefeloxide, 80 Prozent weniger Stickoxide und 20 Prozent weniger Kohlendioxid. „Wir leisten in diesem Bereich Pionierarbeit weltweit für die Schifffahrt“, sagte Aida-Chef Felix Eichhorn unlängst. Die Nova wird das 13. Schiff der Reederei.
Kreuzfahrtschiffe belasten Umwelt
Das Geschäft der Kreuzfahrt-Reedereien boomt. Mehr als 2,2 Millionen Bundesbürger haben nach Angaben des Branchenverbands Clia 2017 solch eine Schiffsreise angetreten. Aida begrüßte im selben Jahr erstmals eine Million Passagiere auf seinen Schiffen. In Europa kommen die meisten Passagiere aus Deutschland, 2017 war es jeder Dritte: „Die Nachfrage ist viel höher als das Angebot. Der Großteil unserer Reisen ist ausgebucht“, sagte Aida-Chef Eichhorn.
Mit dem starken Wachstum der Branche geraten auch die Emissionen der schwimmenden Kleinstädte auf den Weltmeeren und in den Häfen in den Fokus. Mit dem Verbrennen von Schweröl belasten sie Umwelt, Gesundheit und Klima im besonderen Maß.
Zumindest in den Küstengewässern Nordeuropas gelten seit 2015 strengere Richtlinien: Schiffe müssen schwefelarmen Diesel verwenden oder ihre Abgase mit sogenannten Scrubbern reinigen. Außerhalb dieser Gebiete dürfen sie weiterhin mit Schweröl fahren. Es enthält 3500-mal mehr Schwefel – Verursacher des sauren Regens – als heute noch im Straßenverkehr zugelassen ist.

Auch im Hafen laufen die Motoren, um den Energiebedarf von fünf bis 15 Megawatt zu decken. Mehrere große Windkraftanlagen müssten unter Volllast arbeiten, um ein Schiff von Land aus mit Strom zu versorgen. Entsprechende Initiativen mit schwimmenden Flüssiggas-Kraftwerken oder Landstrom-Anschlüssen hat Aida in Hamburg und Kiel angeschoben, doch sie bringen nur lokale Verbesserungen.
Mit der Aida Nova könnte nun eine Revolution auf den Weltmeeren beginnen. Die Rostocker Reederei hat bei der Meyer-Werft noch zwei weitere Schiffe mit LNG-Antrieb bestellt, genau so wie ihre Schwestergesellschaften P&O Cruises, Carnival und Costa. Auch die Disney Cruise Line hat in Papenburg drei LNG-Schiffe geordert.
Naturschützer: Wettbewerber müssen nachziehen
Lob dafür kommt von einer Seite, die Kreuzfahrten sonst sehr kritisch sieht. Der Naturschutzbund Nabu hat kurz vor dem Ausdocken der Aida Nova seine jährliche Liste der saubersten und schmutzigsten Kreuzfahrtschiffe vorgelegt. H
ier landet der Aida-Neubau auf Platz eins. Die Reederei zeigt laut Nabu-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger, dass eine Wende möglich ist. In den Vorjahren hatte der Verband Aida und die Konkurrenten angegriffen. „In diesem Jahr müssen wir anerkennen, dass Aida als erste in der Branche diesen Schritt geht“, sagt Oeliger.
Auch weitere Aida-Schiffe, die relativ neue Europa 2 vom deutschen Luxusanbieter Hapag-Lloyd und einige Neubauten von TUI Cruises zählt der Nabu zu den besseren Vertretern in Sachen umweltverträgliches Reisen. „Jetzt sind auch die Wettbewerber gefragt, deutlich mehr in diesem Bereich zu investierten“, fordert Oeliger. Insgesamt seien noch zu viele Schiffe ohne moderne Abgastechnik oder emissionsarmen Treibstoff unterwegs.
Doch ein Problem bleibt mit dem LNG-Antrieb: Auch Flüssiggas ist ein fossiler Rohstoff und damit durch den Ausstoß von Kohlendioxid eine Belastung fürs Klima. „Der Umweltvorteil hängt extrem davon ab, wo das Gas herkommt“, sagt Nabu-Experte Oeliger. In den USA wird das Erdgas etwa mit der umstrittenen Fracking-Methode aus dem Boden gepresst. Reeder sollten sich das verwendete Gas zertifizieren lassen, fordert der Verband.
Auch Containerschiffe sollen umrüsten
Die nächste Stufe wäre hier nach Ansicht des Nabu ein Antrieb mit Gas aus erneuerbaren Rohstoffen oder mit Brennstoffzellen: Der benötigte Wasserstoff kann mit erneuerbaren Energien produziert werden. Entsprechende Schiffe sind aber noch nicht in Sicht. Und: Die Kreuzfahrtbranche allein steht nur für 0,5 Prozent der weltweiten Schifffahrt. „Wir hoffen, dass die Kreuzfahrtindustrie ein Impulsbringer für die übrige Schifffahrt ist“, sagt Oeliger.
Ein erster Baustein dafür ist ein Pilotprojekt, dass an diesem Mittwoch im Hamburger Hafen vorgestellt wird. Nun sollen auch Containerschiffe nach dem Vorbild der Kreuzliner während ihrer Liegezeit mit Strom aus Flüssiggas-Generatoren versorgt werden. Und der Industriekonzern Siemens arbeitet mit dem schwedischen Hersteller Powercell an der Energieversorgung mit Brennstoffzellen.