Berlin. Am Ende gab es dann doch eine Einigung: Die drei großen Mobilfunkanbieter verpflichten sich, 99 Prozent der Haushalte in Deutschland mit einem Netz zu versorgen – und zwar bis Ende des Jahres 2020. Damit steht Andreas Scheuer (CSU), Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, bei seinem Kampf gegen die Funklöcher zumindest nicht mit leeren Händen da. Zuvor hatte es Berichte darüber gegeben, dass der Mobilfunkgipfel in Scheuers Ministerium wahrscheinlich ohne Einigung zu Ende gehen würde.
Im Detail bedeutet diese Verabredung mit der Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland: Eine halbe Million Haushalte zusätzlich sollen in den nächsten zwei Jahren an das schnelle 4G-Mobilfunknetz angeschlossen werden. Auch der Empfang an Verkehrsknotenpunkten oder an ICE-Linien soll deutlich verbessert werden. Die Telekom etwa wird, so sagte es der Vorstandsvorsitzende Timotheus Höttges, Milliarden investieren.
Schnelle Genehmigungsverfahren für das Aufstellen von Mobilfunkmasten
Die Mobilfunkanbieter werden ab 2019 alle drei Monate die Bundesregierung darüber informieren, wo sie beim Ausbau stehen. Abgestimmt wurde dieser Plan auch mit den Ländern und Kommunen – hier geht es unter anderem um schnelle Genehmigungsverfahren für das Aufstellen von Mobilfunkmasten. Der Bund will im Gegenzug den Mobilfunkanbietern bei den neuen 5G-Frequenzen entgegenkommen.
Scheuer sprach am Donnerstag von einer „sehr, sehr guten Grundlage“: „Wir haben noch was draufgelegt zur bestehenden Vereinbarung.“ Er sieht in der Vereinbarung eine Verbesserung der bisherigen Regelung, in der sich die Mobilfunkanbieter darauf festgelegt hatten, 98 Prozent der Haushalte zu versorgen – bis zum 1. Januar 2020. Telefónica-Chef Markus Haas sagte: „Es ist nur ein Prozent, aber es ist ein großer Schritt für Deutschland.“ Vodafone-Geschäftsführerin Anna Dimitrova nannte die Verabredung mit Scheuer einen wichtigen Schritt, sagte aber auch: „Es wird kein Spaziergang.“
Besonders viele Funklöcher in Bayern
Hinzu kommt: Scheuer ist noch nicht am Ziel. Die Vorgabe im schwarz-roten Koalitionsvertrag lautet: gleichwertige Lebenschancen in der Stadt und auf dem Land. Heißt: 100 Prozent der Haushalte in Deutschland sollen Handyempfang haben. Doch diesen letzten Prozentpunkt zu schließen würde die Konzerne viel Geld kosten. Telekom, Vodafone und Telefónica versorgen natürlich lieber die Ballungszentren mit guten Verbindungen – hier leben die meisten Kunden. Scheuer versprach, mit den Mobilfunkanbietern im Dialog zu bleiben, um das 100-Prozent-Ziel zu erreichen. Der CSU-Politiker, der seinen Wahlkreis in Passau hat, denkt dabei natürlich auch an die vielen Funklöcher in seiner Heimat Bayern.

Deutschland hinkt bei der Digitalisierung hinterher, sagen Kritiker, andere Länder sind bei der Netzabdeckung wesentlich weiter. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer etwa kritisierte: „Da rangieren wir irgendwo zwischen Albanien und Russland.“ Telekom-Chef Höttges sieht das anders: „Kein anderes europäisches Land hat eine Flächenabdeckung von 99 Prozent.“ Pro Jahr investiere die Telekom mehr als fünf Milliarden Euro in die Infrastruktur in Deutschland.
Ein Mobilfunkmast kostet bis zu 200.000 Euro
Scheuer arbeitet zudem weiter an seiner Funkloch-App, die Ende Oktober 2018 an den Start gehen soll. Mit dieser sollen Handynutzer angeben können, wo sie kein Netz haben. Diese Daten will der Minister den Mobilfunkanbietern vorlegen, damit diese dann die Funklöcher beseitigen.
Beim Kampf gegen diese Funklöcher geht es auch um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Gutes und schnelles Netz gehört zu den wichtigsten Standortfaktoren. Scheuer hatte vor der Vereinbarung gemahnt: Der Zustand der Netze sei für eine Wirtschaftsnation schlicht nicht akzeptabel. Er mache da jeden Tag Druck. Fest steht: Die Mobilfunkanbieter haben wenig Interesse an einer 100-Prozent-Abdeckung. Diese ist für sie alles andere als wirtschaftlich. Ein Mobilfunkmast kostet zwischen 150.000 und 200.000 Euro.
In Brandenburg gibt es etwa 300 Funklöcher
Wie so ein Funkloch aussieht, hatte Scheuer am Mittwoch gezeigt. Der Minister unternahm mit Telekom-Technikchef Walter Goldenits eine Reise ins Havelland. Dort schlossen sie Kleßen-Görne, ein Dorf mit 360 Einwohnern östlich von Berlin, an die Gegenwart an. Das Dorf, in dem die Hähne krähen und sonst Ruhe herrscht, liegt in einer Mulde. Deshalb hatten die Bewohner bisher keinen Empfang – oder nur schwachen, wenn sie auf eine Leiter stiegen.
Scheuer und Goldentis feierten die Aufstellung zwei mobiler Mobilfunkmasten, die in den nächsten Monaten durch feste Masten ersetzt werden sollen. Der Minister stiefelte auf dem bereits abgeernteten Feld herum, kontrollierte kurz sein Smartphone und freute sich, dass er Netz hatte: „Gemeinde versorgt. Melde Vollzug.“ Er habe den Telekom-Chef Höttges so lange bearbeitet, bis dieser schließlich Empfang für Kleßen-Görne versprochen habe. Doch diese Aktion ist nicht viel mehr als ein Symbol. Es gibt noch viel mehr Funklöcher. Allein in Brandenburg etwa 300.