Umweltschutz

China zieht im Kampf gegen Plastikmüll die Reißleine

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Simone Humml
China hat bislang am meisten Plastikmüll importiert – doch damit ist nun Schluss.

China hat bislang am meisten Plastikmüll importiert – doch damit ist nun Schluss.

Foto: Winfried Rothermel / imago/Winfried Rothermel

China hat einen Plastik-Einfuhrstopp verhängt. Das bringt andere Länder in Bedrängnis, weil sich die weltweiten Müllströme verändern.

Berlin.  Joghurtbecher, Wasserflaschen, Tüten: Millionen Tonnen an wertvollem Plastikmüll werden jährlich um die Welt transportiert. Doch ausgerechnet der bisherige Importweltmeister China hat die Reißleine gezogen und ab 1. Januar dieses Jahres einen Einfuhrstopp verhängt.

Das hat auch Auswirkungen auf Deutschland, das bislang weit über zehn Prozent seiner Kunststoffabfälle nach China verkaufte. „Deutschland wird nun mehr und mehr zur Drehscheibe des Kunststoffrecyclings für Europa“, sagt Thomas Probst vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung.

Weltweit wird etwa die Hälfte des Plastikmülls, der zur Wiederverwertung gedacht ist, exportiert. 2016 haben 123 Länder insgesamt 14,1 Millionen Tonnen Plastikmüll versendet, wie US-Forscher im Fachjournal „Science Advances“ schreiben.

Bessere nationale Recycling-Programme gefordert

Das sei mehr, als in den Ozeanen lande, wohin jährlich je nach Schätzung vier bis zwölf Millionen Tonnen Plastik gelangen. Etwa die Hälfte des Weltexports an gebrauchten Kunststoffen ging demnach 2016 nach China – über sieben Millionen Tonnen.

„Plastikmüll war einst ein ganz profitables Geschäft für China, weil es den recycelten Plastikmüll nutzen oder weiterverkaufen konnte“, sagt die Erstautorin der Studie, Amy Brooks. „Aber eine große Menge des Plastiks, das China in den vergangenen Jahren bekam, hatte eine schlechte Qualität, und es wurde schwer, daraus einen Gewinn zu erzielen.“

Zudem habe China selbst immer mehr Plastikmüll produziert und sei daher nicht mehr angewiesen auf Plastik aus dem Ausland. Geschätzte 60 Millionen Tonnen waren es 2016.

Es sei schon bisher für viele Länder schwer gewesen, mit ihrem Plastikmüll umzugehen, meint Ko-Autorin Jenna Jambeck. Mit Chinas Einfuhrstopp kämen für die restlichen Länder noch einmal zehn bis 13 Prozent Plastikmüll hinzu. „Daher brauchen wir bessere nationale Recycling-Programme und müssen unsere Nutzung von Plastikprodukten und deren Design überdenken, wenn wir verantwortlich mit diesem Müll umgehen wollen“, sagt Jambeck.

Einfuhrsteuer für Plastik finanziert Recyclinganlagen

Bislang wurden Studien zufolge weltweit nur neun Prozent des jemals entstandenen Plastikmülls von 6,3 Milliarden Tonnen recycelt. Das meiste Plastik sei auf Müllkippen oder in der Natur gelandet. Ein internationales Abkommen zum Management von Plastikmüll sei wichtiger denn je.

Es sei auch denkbar, Plastikmüll in das Baseler Übereinkommen zur Kontrolle grenzüberschreitender gefährlicher Abfälle aufzunehmen und so international besser zu managen. Zudem könnten andere Länder, die Plastikmüll importieren, eine Steuer darauf erheben, mit der Recyclinganlagen gebaut würden.

Noch im Jahr 2016 habe Deutschland 850.000 Tonnen Kunststoffabfälle nach China exportiert, sagt Thomas Probst vom Sekundärrohstoff-Verband. Diese bleiben nach dem Importstopp nun aber bei Weitem nicht alle in Deutschland. „Denn China hat vor einigen Wochen den Markt für Kunststoffe wieder aufgemacht, da es Material benötigt“, sagte Probst. So könne Deutschland auch in diesem Jahr grob geschätzt 200.000 bis 400.000 Tonnen an bestimmten Plastikmüllsorten nach China exportieren.

Deutschland viertgrößter Exporteur von Plastikmüll

Zudem gelange der Kunststoff aus Deutschland nun vermehrt nach Vietnam, Malaysia oder Indonesien, wo er etwa zu Granulaten verarbeitet werde – und wo weniger strenge Gesundheits- und Umweltauflagen herrschten. „Diese Recyclate werden anschließend nach China verschifft und dort zu Kunststoffteilen verarbeitet“, sagt Probst.

Innerhalb Europas werde Deutschland immer mehr zur Auffangstation für Kunststoffmüll – beispielsweise für Plastik aus Großbritannien. Nach Daten der US-Studie war Deutschland im Zeitraum 1988 bis 2016 der viertgrößte Exporteur von Plastikmüll – nach China, den USA und Japan. Es habe in der Zeit rund 18 Millionen Tonnen im Wert von sieben Milliarden Dollar (sechs Mrd. Euro) verkauft. Zugleich habe es 5,4 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle im Wert von 2,3 Milliarden Dollar importiert.

Deutschland verarbeite nun vor allem den recht sauberen Plastikmüll – inzwischen fast nur noch solchen mit einem Fremdstoffanteil von fünf bis zehn Prozent, erläutert Probst. Stärker verunreinigter Plastikabfall werde von hier aus etwa nach Bulgarien, Polen oder Rumänien exportiert, wo die Löhne für das Sortieren und auch die Umweltauflagen geringer seien. „Bulgarien und Rumänien bauen ihre Kapazitäten aus.“

Bessere Sortieranlagen in Deutschland

Anders als viele andere Länder hatte Deutschland kaum stark verschmutzten Plastikmüll nach China verkauft, stattdessen viel Polyethylen. „Der Kunststoffmüll, der nach China exportiert wurde, kam mehrheitlich aus dem Gewerbe, nicht aus der Gelben Tonne. Das waren etwa Plastikfolien aus Polyethylen, die um große Transportpaletten herumgewickelt werden“, sagt Benjamin Bongardt, Leiter Ressourcenpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

In Deutschland selbst entstanden 2015 laut Umweltbundesamt knapp sechs Millionen Tonnen Kunststoffabfälle. 46 Prozent seien wiederverwertet worden. 53 Prozent wurden „thermisch verwertet“ – also in Müllverbrennungsanlagen sowie Zement- oder Kraftwerken verbrannt. Ein Prozent landete auf Deponien.

Die Sortieranlagen in Deutschland seien in den vergangenen Jahren besser geworden, das Dreck-Problem im Plastikmüll – also sonstige Abfälle – generell aber noch nicht gelöst, sagt Probst. „Es landet immer mehr Dreck in der Gelben Tonne.“ Viele Kommunen stellten nur noch relativ kleine Restmülltonnen auf oder hätten den Abholrhythmus verringert. „Deshalb geben immer mehr Menschen den Müll in die Gelbe Tonne.“

Nach Nabu-Angaben hilft neben dem Importstopp von China auch das neue Verpackungsgesetz der Recyclingwirtschaft in Deutschland. Durch das Verpackungsgesetz, das Anfang 2019 in Kraft tritt, soll die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen von bisher geforderten 36 Prozent bis zum Jahr 2022 auf 63 Prozent ansteigen. Probst plädiert nun für schnellere Baugenehmigungen für Recyclinganlagen. „Das dauert manchmal drei bis fünf Jahre.“