Diesel-Skandal

Wer bekommt die Milliarde, die VW als Bußgeld zahlen muss?

| Lesedauer: 4 Minuten
Staatsanwaltschaft Braunschweig zur Milliarden-Buße gegen VW

Staatsanwaltschaft Braunschweig zur Milliarden-Buße gegen VW

Beschreibung anzeigen

VW bekommt im Abgasskandal die nächste Rechnung. Eine Milliarde Euro muss der Autobauer an Bußgeld zahlen. Was passiert mit dem Geld?

Braunschweig/Wolfsburg.  Eine Milliarde Euro – nach Einschätzung der Ermittler ist es das höchste jemals in Deutschland verhängte Bußgeld, das VW für den Dieselskandal zahlen muss. Für die Verwendung der Summe gibt es schon reichlich Ideen.

• Wer bekommt das VW-Bußgeld?

Zunächst einmal bekommt die niedersächsische Landeskasse die Milliarde. Sie soll innerhalb von sechs Wochen überwiesen werden. „Es gibt keine Möglichkeit, das an gemeinnützige Organisationen zu reichen“, sagte Klaus Ziehe von der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

• Was geschieht mit der Milliarde?

Ein Sprecher der Staatskanzlei in Hannover betonte: „Es wird von vielfacher Seite ein bunter Strauß an Wünschen an uns herangetragen.“ FDP und Steuerzahlerbund in Niedersachsen wollen zum Beispiel, dass das Geld in den Schuldenabbau des Landes fließt. Der Richterbund forderte mehr Jobs in der Justiz. Die SPD will, dass der Landtag darüber berät, die Grünen wollen eine Unterrichtung im Haushaltsausschuss.

Diesel-Fahrverbote – Aus diesen Gründen besteht Handlungsbedarf
Diesel-Fahrverbote – Aus diesen Gründen besteht Handlungsbedarf

• Eine Milliarde Euro sind viel Geld – auch für VW?

Eine Milliarde Euro zahlt auch Volkswagen nicht aus der Portokasse. Indes musste der Konzern schon viel höhere Kosten im Dieselskandal schultern. Allein in Nordamerika verbuchte VW bislang für Entschädigungszahlungen und Strafen rund 25 Milliarden Euro an Rechtskosten. Zudem laufen die Geschäfte des Autobauers wieder gut: Der Volkswagen schaffte zuletzt Verkaufsrekorde, 2017 verdiente der Konzern unterm Strich mehr als elf Milliarden Euro.

• Muss Daimler mit einer ähnlich hohen Strafe rechnen?

Aktuell eher nicht, grundsätzlich ist das aber nicht ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt in Sachen Diesel gegen einzelne Daimler-Mitarbeiter wegen des Verdachts des Betrugs und der strafbaren Werbung.

Ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen das ganze Unternehmen wie bei VW, an dessen Ende eine Geldbuße stehen kann, gibt es derzeit laut Staatsanwaltschaft nicht. Es werde allerdings fortlaufend geprüft, ob eines eröffnet werde. Dann könnte auch Daimler eine Geldbuße drohen. Wie hoch die wäre, lässt sich aber nicht pauschal sagen.

Daimler soll deutschlandweit 238.000 Fahrzeuge zurückrufen
Daimler soll deutschlandweit 238.000 Fahrzeuge zurückrufen

• Warum sind die Strafen in den USA höher als in Deutschland?

In den USA können Verstöße gegen das Luftreinhaltegesetz „Clean Air Act“ nicht nur als zivilrechtliche Vergehen, sondern auch als kriminelle Verbrechen geahndet und entsprechend hart bestraft werden. Die USA warfen VW zudem Verschwörung und Betrug vor, der Konzern soll lange versucht haben, seine Abgas-Manipulationen zu vertuschen.

Mit den harten Strafen sollte deshalb auch ein Zeichen gesetzt werden. Zum Verhängnis wurde VW zudem das US-Rechtssystem, das Anwaltskanzleien lukrative Sammelklagen relativ einfach macht.

Was ist eine Musterfeststellungsklage?
Was ist eine Musterfeststellungsklage?

• Was bedeutet die Milliardenbuße für andere VW-Verfahren?

Nicht viel. Insgesamt muss sich der Konzern einem Sprecher zufolge noch mit gut 19.000 Klagen von VW-Kunden auseinandersetzen. Die Kläger fühlen sich von VW hinters Licht geführt und verlangen Schadenersatz oder wollen ihr Auto zurückgeben. Einige Anwälte werten das Bußgeld zwar als Vorentscheidung bei den Kundenklagen.

Die Rechtswissenschaftlerin Caroline Meller-Hannich von der Universität Halle-Wittenberg sieht das jedoch anders: „Unmittelbar hat das Bußgeld keine Auswirkungen auf die zivilrechtlichen Verfahren“, sagt sie. „Dass allein aufgrund des verhängten Bußgeldes nun Zivilprozesse gewonnen werden, ist sehr unwahrscheinlich.“

• Droht VW-Mitarbeitern auch eine Haftstrafe?

Einige sind bereits in Haft. Zwei VW-Mitarbeiter wurden zu langjährigen Haftstrafen und hohen Geldbußen verurteilt. Insgesamt wurden bislang US-Strafanzeigen gegen neun ehemalige oder aktuelle Mitarbeiter des VW-Konzerns gestellt. Auch der frühere Vorstandschef Martin Winterkorn soll vor Gericht gebracht werden und wird von der US-Justiz per Haftbefehl gesucht.

In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen 49 mutmaßlich Beteiligte am VW-Abgasskandal. Die Ermittlungen sollen im Sommer so weit sein, dass die Staatsanwaltschaft die Verteidiger in die Akten schauen lässt. (dpa)