Berlin

Camping – Renaissance der Geselligkeit

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Beate Kranz

Erstmals mehr als 31 Millionen Übernachtungen auf Zeltplätzen in Deutschland. Bayern ist am beliebtesten. Auch Reisemobilhersteller verbuchen Umsatzrekorde

Berlin.  Der Blick reicht über den ruhigen See, Wiesen und Bäume bis zu den ersten Berggipfeln der Alpen. Dazu die saubere Allgäuer Luft, der Duft von frisch gemähtem Gras und im Idealfall Sonnenschein. Hunde dürfen mitgebracht werden, man kann wandern, Rad fahren, windsurfen, kiten, schwimmen oder einfach nur entspannen. Die Idylle des Campingplatzes Hopfensee bei Füssen in Bayern zählt in Deutschland zu den beliebtesten Reisezielen für Camper. Doch auch an den Stränden von Ost- und Nordsee, den zahlreichen Seenlandschaften, Flüssen oder Naturlandschaften verbringen immer mehr Menschen ihren Urlaub nicht in Hotels und Pensionen, sondern spartanisch im Zelt oder dem eigenen Reisemobil.

Camping erlebt einen wahren Boom. Im vergangenen Jahr wurde mit mehr als 31 Millionen Übernachtungen auf deutschen Campingplätzen ein neuer Rekord erzielt – 1,86 Prozent mehr als im Vorjahr und 42 Prozent mehr Gäste als noch vor zehn Jahren, wie eine Auswertung des Internetbuchungsportals Camping.Info ergeben hat. „Campingurlaube liegen seit Jahren absolut im Trend“, sagt der Geschäftsführer, Maximilian Möhrle. Auch für die Sommersaison 2018 berichteten viele Campingplatzbetreiber bereits über Zuwächse bei Anfragen und Buchungen.

Suche nach Natur und Gemeinschaftsgefühl

„Viele Menschen suchen beim Camping eine direkte Verbindung zur Natur“, nennt der Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, Ulrich Reinhardt, eine Erkenntnis aus Befragungen. „Es ist ein guter Kontrast zur Digitalisierung, dem Büroalltag und Umgang mit virtuellen Welten.“ Viele suchen im Urlaub wieder das Gemeinschaftsgefühl, wollen mit anderen ins Gespräch kommen oder gemeinsam grillen. Campingplätze bieten dafür eine ideale Plattform, da man sich – egal ob beim Brötchenholen oder Duschen – irgendwann begegnet, so Reinhardt: „Es gibt eine Renaissance der Geselligkeit.“

Die neue Freude am Campen liegt aber auch an den zunehmend besser ausgestatteten Campingplätzen. Keiner muss heute mehr eine halbe Stunde lang anstehen, um dann vielleicht unter dünnem Wasserstrahl kalt zu duschen. Im Gegenteil. Ein Großteil der Campingplätze bietet viel Komfort, von sauberen Dusch- und Toilettenanlagen über Waschmaschinen, Schwimmbecken, Sportanlagen bis hin zu Ein-Stern-Restaurants. Manche Anlagen setzten sogar bewusst auf Luxus – verbinden Glamour mit Camping, das sogenannte „Glamping“. Dort werden beispielsweise in stylishen Zelthütten im Wald oder am Meer die Vorzüge einer luxuriösen Ferienwohnung mit den Vorteilen des Campings verbunden.

Für die Tourismusbranche sind die bundesweit 2954 Campingplätze ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Etwa 6,8 Prozent aller Übernachtungen entfallen auf Camping, berichtet das Reiseportal. In Bayern hat es 2017 mit 432 nicht nur die meisten Plätze, sondern mit 5,6 Millionen auch die meisten Übernachtungen gegeben, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern (4,6 Millionen) und Niedersachsen (4,42 Millionen). In Berlin gab es rund 117.340 Übernachtungen. Die meisten Urlauber bleiben im Schnitt 3,3 Tage an einem Ort – und damit sogar länger als Gäste in Hotels und Pensionen. Pro Tag gibt ein Campinggast rund 50 Euro aus. Der Gesamtumsatz für die Wirtschaft wird für 2017 auf 1,55 Milliarden Euro beziffert – Tendenz steigend.

Die großen Vorteile des Campings liegen darin, sich nicht auf einen Ort, Termin oder eine Verweildauer festlegen zu müssen – es sei denn, man hat einen ganz bestimmten Standort und Platz vor Augen.

Viele lieben es auch, immer ihr eigenes Bett mit dabeizuhaben. Davon profitieren die Hersteller von Caravans, Wohnmobilen oder Campingbussen. Mit ihren Fahrzeugen lässt sich der Traum vom individuellen Vagabundieren erfüllen. Die Nachfrage steigt seit Jahren stark – auch wenn die Fahrzeuge nicht zu den günstigsten zählen.

Deutschland gilt laut Caravaning Industrie Verband (CIVD) als der zulassungsstärkste Markt in Europa. Allein im vergangenen Branchenjahr wurden in Deutschland 43.691 Reisemobile zugelassen – und damit 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Hinzu kamen 23.287 Caravans, ein Plus von 15 Prozent. Gesamtumsatz 2017: 10,3 Milliarden Euro – ein Rekord. Insgesamt gibt es bundesweit rund 560.000 Caravans und 450.100 Reisemobile. Weltweit liegt der größte Absatzmarkt in Nordamerika, danach folgen Europa und Australien.

Deutsche lieben Urlaub in Deutschland

Am liebsten sind die Deutschen mit ihren Campern in Deutschland unterwegs. Sie stellen 89 Prozent der Gäste. Die Niederländer stellen hierzulande mit einem Anteil von 7,3 Prozent die häufigsten Camper aus dem Ausland, mit Abstand gefolgt von den Schweizern (1,9 Prozent), Dänen (ein Prozent) und Belgiern (0,7 Prozent). Im Ausland sind die deutschen Camper wiederum am häufigsten in Italien, Kroatien und Frankreich unterwegs.

Während jüngere Leute oft mit einfachen Zelten beim Wildcampen ihr Abenteuer suchen oder Ältere in gut ausgestatteten Wohnmobilen durch Europa kurven, begeistert Camping zunehmend Familien der mittlere Generation - also 30- bis 50-Jährige mit Kindern unter 15 Jahren, sagt Reinhardt vom BAT-Institut. Ist das Zelt oder Wohnmobil erst mal bezahlt, ist der Urlaub in der Regel zudem oft preisgünstiger als beispielsweise Flugreisen.

Camping trifft dabei offenbar viele Geschmäcker. „Das Schöne ist, dass alles im Trend und im Angebot ist. Von gut ausgestatteten Plätzen bis hin zu naturverbundenen Anlagen“, meint Möhrle, Chef von Camping.Info. Deshalb ist auch Zukunftsforscher Reinhardt überzeugt: „Camping wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren weiter zulegen.“