Die vergangenen Jahre waren für die Ruheständler in Deutschland – zumindest mit Blick auf die Rentensteigerungen – ganz erfreulich. Nach der üppigen Steigerung 2016 sind die Renten zum 1. Juli 2017 um 1,9 Prozent (West) beziehungsweise 3,59 Prozent (Ost) gestiegen. Doch so schön das Plus auf dem Papier ist – für etliche Ruheständler hat es den unerfreulichen Nebeneffekt, dass sie nun die Bögen für das Finanzamt ausfüllen müssen. Laut Bundesfinanzministerium sind durch die Rentenerhöhung im vergangenen Jahr 120.000 Ruheständler in die Steuerpflicht gerutscht. „Für viele Ruheständler wird das Finanzamt zum lebenslangen Begleiter“, sagt Steuerberater Wolfgang Wawro vom Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg.
Grund hierfür ist das Alterseinkünftegesetz. Seit 2005 greift der Staat Vorsorgesparern in jungen Jahren in Form von Zulagen und Steuerersparnissen unter die Arme. Im Gegenzug holt sich der Staat im Alter einen Teil seiner Förderung zurück. Vorsorgesparer können bis 2025 – bis zu einem bestimmten Höchstbetrag – einen immer größeren Prozentsatz ihrer Einzahlungen in die gesetzliche Rente, Rürup-Rente, berufsständische Versorgungswerke und landwirtschaftliche Alterskassen steuerlich geltend machen (Teil 2). Im Gegenzug steigt der steuerpflichtige Anteil der Auszahlungen im Alter von Rentnerjahrgang zu Rentnerjahrgang. Wer im vergangenen Jahr dem Arbeitsleben den Rücken gekehrt hat, muss 74 Prozent der Rente steuerlich veranschlagen. 26 Prozent bleiben zeitlebens steuerfrei. „Rentenerhöhungen sind voll steuerpflichtig“, sagt Uwe Rauhöft vom Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine.
Zudem werden Vergünstigungen und Freibeträge in den kommenden Jahren reduziert. Wer sich 2040 oder später zur Ruhe setzt, muss 100 Prozent der gesetzlichen Rente steuerlich veranlagen. Der Versorgungsfreibetrag für Pensionen und Betriebsrenten sowie der Altersentlastungsbetrag etwa für Mieten werden bis 2040 abgeschmolzen.
Doch auch wenn Ruheständler die Bögen für das Finanzamt ausfüllen müssen, bedeutet das nicht, dass sie auch tatsächlich einen Obolus entrichten müssen. Schließlich profitieren Ruheständler noch von etlichen Freibeträgen. Zudem können sie das Finanzamt an einer Reihe von Ausgaben – etwa für Medikamente, Kuren, Pflege oder Arztbesuche – beteiligen. Bevor Ruheständler ihre Ausgaben verrechnen, gilt es zunächst, die Bezüge in der „Anlage R“ sowie Betriebsrenten und Pensionen in der „Anlage N“ aufzulisten. Da sich nicht immer intuitiv erschließt, welche Bezüge in welcher Zeile eingetragen werden, sollten Ruheständer bei ihren Finanzinstituten Leistungsmitteilungen und bei der Rentenversicherung eine Bescheinigung beantragen. Den Angaben auf den Dokumenten kann entnommen werden, welche Bezüge in welche Zeile gehören.
Besteuerungsanteil Leibrenten tragen Ruheständler in die Zeilen 4 bis 13 der „Anlage R“ ein. Dazu gehören beispielsweise Auszahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, berufsständischen Versorgungswerken, landwirtschaftlichen Alterskassen und Rürup-Renten. Bei diesen Auszahlungen entscheidet das Jahr des Renteneintritts darüber, welcher Anteil steuerlich zu veranschlagen ist. Bei Neurentnern des Jahres 2017 liegt dieser bei 74 Prozent. Der steuerpflichtige Teil steigt von Rentnerjahrgang zu Rentnerjahrgang. Wer sich 2040 oder später zur Ruhe setzt, muss 100 Prozent steuerlich veranschlagen. Rentenerhöhungen sind voll steuerpflichtig. Diese werden zwar häufig durch die Erhöhung des Grundfreibetrages ausgeglichen, allerdings nicht immer – wie etwa in den vergangenen beiden Jahren. „Daher kann es durchaus sein, dass Ruheständler auch noch mit 80 oder 90 Jahren in die Steuerpflicht rutschen“, sagt Wawro.
Witwer und Witwen Genau rechnen müssen all diejenigen, deren Ehepartner im vergangenen Jahr verstorben sind. In dem Fall profitieren Ruheständler auch noch im Jahr nach dem Tod des Partners vom günstigen Splittingtarif. Doch im Jahr darauf rutschen viele Rentner in die Steuerpflicht. Über die Höhe des Besteuerungsanteiles der Witwenrente entscheidet, wann der Verstorbene in den Ruhestand gegangen ist.
Ertragsanteil Auszahlungen aus einer privaten Rentenversicherung gehören in die Zeilen 14 bis 20. In diesem Fall entscheidet das Alter der ersten Auszahlung darüber, welcher Anteil der Rente steuerlich veranschlagt werden muss. Da die Beiträge in jungen Jahren aus versteuertem Einkommen stammen, fällt die Steuerlast im Alter vergleichsweise gering aus. „Dabei gilt die Faustformel: Je älter der Betroffene bei der ersten Zahlung ist, desto geringer fällt der Ertragsanteil aus“, sagt Steuerberater Wawro. Ein Beispiel: Herr Schulz setzt sich mit 60 Jahren zur Ruhe und lässt sich seine private Rentenversicherung dann auch erstmals auszahlen. Daher muss er 22 Prozent der Auszahlung steuerlich veranlagen, 78 Prozent bleiben steuerfrei. Würde sich Herr Schulz seine private Rente mit 66 Jahren auszahlen lassen, müsste er gerade einmal 18 Prozent versteuern. Zusatzrenten von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), deren Beiträge im Umlageverfahren erhoben wurden, sind in der Regel ebenfalls mit dem Ertragsanteil steuerpflichtig. Die Renten tragen Steuerzahler in die Zeilen 40 bis 41 ein.
Versorgungsbezüge Auszahlungen aus Betriebsrenten (aus einer Direktzusage oder Unterstützungskasse) und Pensionen tragen Steuerzahler in die „Anlage N“ ein. Diese sind voll steuerpflichtig. Ab dem 63. Lebensjahr gewährt das Finanzamt jedoch automatisch einen Versorgungsfreibetrag, einen Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sowie Werbungskosten, falls keine tatsächlichen Werbungskosten nachgewiesen werden können. Für diejenigen, die sich im vergangenen Jahr zur Ruhe gesetzt haben, liegt der Versorgungsfreibetrag bei 20,8 Prozent, maximal 1560 Euro. Hinzu kommt der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in Höhe von 468 Euro sowie der Werbungskosten-Pauschbetrag von 102 Euro, falls keine tatsächlichen Aufwendungen entstanden sind. Unterm Strich bleiben demnach bis zu 2130 Euro steuerfrei. Dieser Betrag wird zeitlebens festgeschrieben. Versorgungsfreibetrag und Zuschlag für „Neurentner“ werden in den kommenden Jahren reduziert, bis ab 2040 lediglich noch der Werbungskostenpauschbetrag gewährt wird.
Altersentlastungsbetrag Haben Rentner weitere Einkünfte wie beispielsweise Mieteinnahmen oder Arbeitslohn, erhalten sie automatisch einen Altersentlastungsbetrag – sofern sie 2017 mindestens 65 Jahre alt waren. In diesem Fall gewähren die Finanzämter einen Entlastungsbetrag von 20,8 Prozent der Einkünfte, maximal 988 Euro. Diesen schreiben die Finanzämter Steuerzahlern automatisch gut, soweit sie über weitere Einkünfte verfügen. Der Altersentlastungsbetrag steht jedem Ehepartner für seine Nebeneinkünfte gesondert zu. Daher können Paare den Altersentlastungsbetrag verdoppeln, wenn beide über entsprechende Einkünfte verfügen. „Eine recht einfache Möglichkeit besteht darin, dass sie Sparkonten und Wertpapierdepots, die bisher allein auf einen Namen lauten, auf den Namen beider Ehegatten umschreiben lassen“, rät Steuerberater Herold. So werden die Zinsen beiden Ehegatten je zur Hälfte zugerechnet. Beachten sollten Ehepartner bei der Gestaltung allerdings, dass gegebenenfalls Schenkungsteuer fällig wird – sofern der Freibetrag für Eheleute von 500.000 Euro überschritten wird.
In der achtteiligen Steuer-Serie der Berliner Morgenpost erfahren Sie, wie Sie sich besonders viel Geld vom Finanzamt zurückholen. Sollte eine Frage unbeantwortet bleiben, können Sie diese kommenden Sonnabend den Experten des Bundesverbandes Lohnsteuerhilfevereine (BVL) und des Steuerberaterverbandes Berlin-Brandenburg stellen.