Brüssel

Experten fordern mehr Investitionen in Forschung

Christian Kerl

Brüssel. Nur mit einer Wende in der Industriepolitik kann Europa seine anhaltende Schwäche beim Produktivitätswachstum ausgleichen und die Basis für neue Arbeitsplätze in der Industrie und im Dienstleistungssektor schaffen. Dazu müsse aber deutlich mehr in Forschung und Entwicklung investiert und die Wirtschafts- und Industriepolitik der Mitgliedsländer besser koordiniert werden, heißt es im noch unveröffentlichten Bericht einer Expertengruppe der EU-Kommission. Der Report soll an diesem Freitag vorgelegt werden.

Die Expertengruppe unter Leitung des ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) zeichnet ein kritisches Bild der Entwicklung bisher: Seit 2000 habe Europa eine „deutliche Deindustrialisierung“ erlebt, fast vier Millionen Arbeitsplätze in der Produktion seien verloren gegangen. „Europa leidet unter zu wenig Produktivitätswachstum, zu wenig Innovation, zu wenig neuen Industrien, zu wenig Risikokapital und zu wenig Wachstum in Zukunftsmärkten“, sagte Rüttgers dieser Zeitung. Die Forschungs- und Innovationspolitik der EU sei unterfinanziert und nicht ausreichend mit der Politik der Mitgliedstaaten vernetzt; das von der EU-Kommission formulierte Ziel, drei Prozent der Wirtschaftsleistung in Forschung und Technologie zu investieren, sei klar verfehlt worden – damit sei auch die Chance vergeben worden, 3,7 Millionen neue Jobs bis 2025 zu schaffen.

Der Report bemängelt, es fehle in der EU an einer gemeinsamen Wirtschafts- und Industriepolitik, die Ungleichheiten zwischen den Staaten abbauen könnte. Die Befunde stünden im Gegensatz zu den politischen Ambitionen der EU, der wettbewerbsfähigste und dynamischste Wirtschaftsraum der Welt zu sein. Der Report identifiziert 14 Aufgabenfelder für Innovationspolitik: Dazu zählen Digitalisierung, saubere und sichere Mobilität, ein stabiles und sicheres Internet und der Ausbau günstiger, erneuerbarer Energien.