Kundenservice

So läuft Kundenservice im Zeitalter der digitalen Chatbots

| Lesedauer: 6 Minuten
Guido Walter
Wer online Fragen zu einem Produkt stellt oder eine Bestellung vornimmt, der kommuniziert meist mit Chatbots.

Wer online Fragen zu einem Produkt stellt oder eine Bestellung vornimmt, der kommuniziert meist mit Chatbots.

Foto: iStockphoto/Natali_Mis / iStockphoto

Bei vielen Unternehmen übernehmen inzwischen Roboter den Kundenservice. Das spart Geld. Doch die Technik ist noch nicht ausgereift.

Berlin.  In dem Film „Zurück in die Gegenwart“ reist das „Raumschiff Enterprise“ vom 23. zurück ins 20. Jahrhundert. Als Bordingenieur Scott im Jahr 1986 vor einem Computer steht, spricht er ihn ganz selbstverständlich mit „Hallo Computer“ an. Das Gerät reagiert nicht auf seine Worte. Die Szene zeigt: 30 Jahre später ist die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine einen Quantensprung weiter.

Zunehmend werden sogenannte Chatbots eingesetzt. Das sind Roboter, die Nutzer bei der Suche nach Informationen helfen – entweder über Chat-Fenster am Computer oder am Telefon. Die schlauen virtuellen Assistenten übernehmen etwa Hotelreservierungen, Pizzabestellungen oder beantworten Fragen in einer Service-Hotline.

Häufig entpuppen sich Chatbots als digitale Dilettanten

Unternehmen träumen bereits vom Beginn der „Bot Economy“. Denn im besten Fall sparen sie sich so die hohen Personalkosten für die Anstellung von Servicemitarbeitern. Doch häufig zeigt sich: Die Technik ist noch nicht ausgereift, in vielen Gesprächen entpuppen sich Chatbots als digitale Dilettanten.

Miles Lynam-Smith hat bereits Großes vor mit den Bots. Der bei der Deutschen Telekom für Chatbots zuständige Manager schwärmt von den Einsatzmöglichkeiten der Roboter. „Das Potenzial ist riesig“, sagte er vergangene Woche auf dem Chatbot Summit in Berlin – der weltweit größten Veranstaltungsreihe der Branche. Im Bereich Kundenbetreuung sollen Bots bei der Telekom in Zukunft präzisere Dialoge mit Kunden und Betreuern ermöglichen, verkündete Lynam-Smith.

Den Marktforschern von Tractica zufolge soll der Umsatz mit virtuellen digitalen Assistenten für Endkunden im Jahr 2021 weltweit auf 11,8 Milliarden Dollar (10,3 Milliarden Euro) steigen. Vor einem Jahr noch betrugen die Umsätze gerade mal 104 Millionen Dollar (91 Millionen Euro).

Chatbots lernen stetig hinzu

2017 werden Chatbots voraussichtlich an 85 Prozent aller Interaktionen zwischen Unternehmen und Kunden beteiligt sein, hat das Marktforschungsinstitut Gartner errechnet. Über 100.000 Chatbots tummeln sich allein auf dem Facebook-Messenger – eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr.

Chatbots lernen stetig hinzu und werden schlauer. Je mehr Daten in ihr System fließen, desto besser lernen die Roboter, menschliche Konversation zu imitieren. Abermillionen Dialoge werden aufgezeichnet, registriert und dechiffriert.

Viele Gesprächssituationen überfordern Bots – noch

„Bots können in Zukunft wie Instant-Apps werden, mit denen du reden kannst“, sagt ChatbotLife-Gründer Stefan Kojouharov, der Unternehmen beim Einrichten der virtuellen Assistenten hilft. Kojouharov geht davon aus, dass Chatbots viele Webseiten und Anrufe ersetzen und möglicherweise auch Apps verdrängen werden. „Eines Tages werden kleine Unternehmen ihre eigenen Bots haben, die Produkte verkaufen, Termine vereinbaren und FAQs beantworten.“

Doch mit vielen Gesprächssituationen sind Chatbots noch immer überfordert. Sie verstehen es nicht, auf einfache Nachfragen zu reagieren. Das demonstrierte die Deutsche Bank auf dem Chatbot Summit an Ort und Stelle. Sie verkündete vor den Besuchern, ihren Chatbot „Reynold“ in Zukunft nicht mehr zu nutzen.

Deutsche Bank sucht Nachfolger für „Reynold“

Innovation Manager Joris Hensen schilderte den frustrierenden „Alltag“ des Bots, der nicht nur Fragen nach dem Kontostand beantworten, sondern auch Urlaubstipps geben sollte – und damit jedoch total überfordert war. Hinzu kommen juristische Probleme. „Reynold“ darf keine Aktien verkaufen, sondern nur allgemeine Tipps geben. Jetzt sucht die Bank einen Nachfolger für „Reynold“.

Nach Auffassung von Nenad Maric, Manager beim irischen Chatbot-Entwickler Comtrade, sollte sich die Bank damit beeilen. Die junge Generation rücke ins Zentrum des Geschäfts der Banken, die seien aber nicht auf deren Bedürfnisse vorbereitet, sagt er. Einst hätten Banker den persönlichen Kontakt zu den Kunden gepflegt.

Sicherheitsfragen stellen Banken vor Herausforderung

„Das Online-Banking hat die Art der Kommunikation mit Kunden aber radikal verändert.“ Für die jugendlichen Kunden finde der persönliche Kontakt jetzt auf einer Messaging-Plattform statt. Den Gehaltseingang auf dem Konto mit einem freundlichen Emoji zu kommentieren, käme bei jungen Bankkunden durchaus an.

Für die Banken aber ist das noch eine große Herausforderung. Sie müssen hohe Anforderungen an digitale Sicherheit und Compliance einhalten. Einfacher haben es Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé. Das Schweizer Unternehmen hat für Nutzer seines Maggi Kochstudios den Chatbot „Kim“ entwickelt. „Essen ist eine emotionale Sache, über die man reden möchte“, sagt Franca Herwig, Managerin bei Nestlé.

Unterhaltung klappt bislang nur auf abgesteckten Themengebiet

Ein normaler Dialog mit Kim sei möglich, das typische Hin und Her einer Unterhaltung mit Fragen und Rückfragen funktioniere. Das Themengebiet ist jedoch genau abgesteckt. Der Test eines Nutzers auf dem Chatbot Summit zeigt: Schweift der Gesprächspartner vom Thema Kochen und Rezepte ab, dann führt ihn der Bot zurück in seine Verständniszone.

In Zukunft könnten sich die digitalen Assistenten sogar vermehrt mit anderen Robotern unterhalten. „Sie können Gruppen bilden und sogar neue Bots erzeugen, das ist so einfach wie Legosteine aufeinanderbauen“, glaubt Bee­rud Sheth von der Messaging-Plattform Gupshup. Ein Bot, der für ein Hotel die Zimmerreservierungen vornimmt, könnte einen weiteren Bot erzeugen, der für Reservierungen im Restaurant zuständig ist.

Noch bevorzugen viele Kunden Kontakt per E-Mail

Doch bis in Deutschland derlei Dienstleistungen überwiegend über Roboter abgewickelt werden, dauert es wohl noch einige Jahre. Denn noch sehen Kunden Chatbots vielfach skeptisch. Einem Report der Berater von Fittkau & Maaß zufolge meiden Deutsche auf Websites und Webshops bislang den Umgang mit digitalen Assistenten. Knapp 52 Prozent gaben an, „ungern“ mit einem Chatbot zu reden. Den schriftlichen Kontakt via E-Mail oder Kontaktformular lehnten dagegen nur 3,5 der Befragten ab.