Umweltschutz

Weniger Plastik-Verpackung – Wie glaubwürdig sind Konzerne?

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Hanna Gersmann

Foto: dpa Picture-Alliance / Jens Kalaene / picture alliance / ZB

Weltweit verpflichten sich Unternehmen, den Anteil von Plastik an Verpackungen zu reduzieren. Bei manchen bleibt es ein Werbespruch.

Berlin.  Der Kunde soll es auf den ersten Blick sehen: Auf einigen Textmarkern des Stifteherstellers Stabilo steht neuerdings: „83% recycled plastics“. Die Hülle des Stiftes besteht zum Großteil aus alten Drehverschlüssen von Coca-Cola-Flaschen. Das Unternehmen hat eine ganze Reihe umweltfreundlicher Verpackungen entwickelt, „Green Sortiment“ nennen sie das.

Viele Unternehmen denken um und reduzieren mittlerweile den Anteil von Kunststoffen in Verpackungen und Produkten, wollen nicht mehr mit dem Umweltsünder in Verbindung gebracht werden. Mindestens acht Millionen Tonnen Plastik landen jährlich in den Ozeanen – das ist eine Lkw-Ladung Plastik pro Minute. Erst vor wenigen Tagen untersuchten Forscher in Norwegen einen gestrandeten Wal. 30 Tüten fanden sie in seinem Magen. Unternehmen scheinen zu spüren – allzu viel Plastik schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch ihrem Image.

Für die Firmen geht es ums Geld

40 Konzerne haben Anfang des Jahres zu Beginn des Wirtschaftsforums in Davos eine Absichtserklärung unterzeichnet: Sie wollen weniger und umweltfreundlicheren Kunststoff einsetzen. Mitglieder der Initiative sind unter anderem der Getränkehersteller Coca-Cola, der Lebensmittelkonzern Danone und der Konsumgüterproduzent Unilever. 20 Prozent der weltweiten Plastikproduktion könnten mit Gewinn wiederverwertet werden, schreiben sie und weitere 50 Prozent könnten recycelt werden, statt auf Müllkippen zu landen.

Die Konzerne folgen damit einer Initiative der britischen Seglerin Ellen MacArthur, die bereits eine gleichnamige Stiftung gegründet hat. Die Ellen-MacArthur-Stiftung schätzt, dass bislang der Großteil von Kunststoffverpackungen nur einmal verwendet wird und den Unternehmen damit 95 Prozent ihres Materialwerts von 80 bis 120 Milliarden Dollar pro Jahr verloren gehen. Es geht also für die Konzerne um bares Geld. Wohl auch darum investieren Unternehmen in neue Ideen für Recycling und für innovative Materialien.

Hersteller verweisen auf Erfolge

Der französische Lebensmittelkonzern Danone erklärt, dass der Konzern weltweit für seine Verpackungen 625.000 Tonnen Plastik im Jahr verwendet. Man habe aber bereits eine
„packaging policy“ erarbeitet, um die „Kreislaufwirtschaft zu fördern“ – etwa bei Bechern, Beuteln und Flaschen. Das Gewicht der Plastikverpackung für das Joghurtgetränk „Actimel“ etwa habe man innerhalb von fünf Jahren halbiert.

Auch Unilever verweist auf Erfolge. Man produziere heute weniger Müll als früher: Bei Flaschen der „Dove“-Körperpflegeprodukte werde durch „das Einbringen von Gasblasen in die mittlere Wandschicht“ bereits „mindestens 15 Prozent des gesamten verarbeiteten Kunststoffs eingespart“. Zudem habe sich der Konzern verpflichtet, bis zum Jahr 2025 nur noch voll recyclingfähige oder kompostierbare Plastikverpackungen einzusetzen. Derzeit seien es etwa 70 Prozent.

Pilotprojekt im Coca-Cola-Werk nahe Berlin

Der Softdrink-Hersteller Coca-Cola wiederum hat das Gewicht seiner Verschlüsse reduziert. Ein Sprecher erklärt, der Konzern habe mit einem Lieferanten das Gewicht der Drehverschlüsse von 2,5 Gramm auf 2,2 Gramm je Verschluss verringert, mit einem anderen Lieferanten sogar von 2,6 Gramm auf 1,95 Gramm. Auch nutzt der Konzern zum Teil Flaschen aus Recyclingkunststoff. Ein Sprecher erklärt, der Recyclinganteil bei PET-Einwegflaschen habe „2010 bei 20,9 Prozent und 2015 bei 29,2 Prozent“ gelegen. Zudem verweist der Konzern auf ein Pilotprojekt im
Produktionswerk Genshagen nahe Berlin. Dort würden über 99 Prozent aller Produktionsabfälle wiederverwendet.

Über derlei Initiativen geben die Konzerne gerne Auskunft. An anderer Stelle aber hapert es oft beim Umweltschutz. Thomas Fischer ist Experte für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe. Was die Unternehmen versprechen, sei gut, findet er – fügt jedoch an: „Die Firmen geben sich aber öko­engagierter als sie sind.“ Er nennt das „Greenwashing.“ Ein Beleg für ihn: Coca-Cola habe sich bei der 0,5-Liter- und 1,5-Liter-Flasche von Mehrweg verabschiedet.

Strategiepapier enthüllt gegensätzliche Ziele

Der Konzern argumentiert, die 1,5 Liter-Mehrwegkästen hätten sich nicht mehr verkauft und viele der 0,5-Liter-Flaschen seien abhandengekommen. Denn die würden meistens unterwegs – am Bahnhof, Flughafen, Kiosk – gekauft und ganz woanders wieder abgegeben. Doch für Fischer zählt allein, dass „Mehrweg immer noch besser ist“, auch wenn sich die Einwegbranche schon verbessert habe.

Besonders ärgert Fischer ein internes Strategiepapier aus der Europa­zentrale des Konzerns, das vor Kurzem an die Öffentlichkeit gelangte. Darin wird deutlich, worauf der Konzern seinen „Lobbyfokus“ richten will: Auf den Kampf gegen höhere Recycling- und Mehrwegquoten per Gesetz.

Ein Sprecher von Coca-Cola erklärte, das interne Dokument stamme aus der „Vergangenheit“, es entspreche nicht „der derzeitigen Strategie von Coca-Cola in Europa“.

Immerhin, mit der Absichtserklärung haben sich die Konzerne nun ein Ziel gesetzt, an dem sie sich messen lassen müssen.