Berlin. Berlin ist bei den digitalen Finanzdienstleistern aus dem Netz tonangebend. Die FinTechs sind eine Chance für den Finanzplatz Berlin.

Unternehmen der Finanztechnologie (FinTechs) sind eine Chance für Berlin als Wirtschaftsstandort und Finanzplatz. Einige dieser Unternehmen können schnell zu Marktführern im Finanzbereich heranwachsen. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Mittwoch vorgelegte Analyse der Investitionsbank Berlin (IBB).

Bei FinTechs handelt es sich um Unternehmen, die technologiegetriebene und digitalisierte neue Finanzprodukte anbieten. So ermöglicht etwa das Start-up „Cringle“ Bargeldüberweisungen zwischen Freunden. „Weltsparen“ bietet festverzinsliche Papiere an, die kaum eine Bank verkauft. Mit „Lendico“ können sich Internetnutzer gegenseitig Kredite gewähren. Das sind nur drei Beispiele für Finanzdienstleistungen der neuen Art.

Vertrauenskrise der Banken nützt den Finanz-Start-ups

Solche Firmen werden zunehmend zu Mitbewerbern der etablierten Banken, die nicht nur unter Niedrigzinsen leiden, sondern auch unter einer Strukturschwäche und einer Vertrauenskrise. „In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Institute auf 2000 mehr als halbiert. Sparkassen und Banken haben 9000 Filialen geschlossen und 66.000 Stellen abgebaut“, skizzierte Jürgen Allerkamp, der Vorstandsvorsitzende der IBB, die Bankenkrise. Mehr als 80 Prozent der Institute befürchten Verluste, 20 Prozent sehen ihr Geschäftsmodell als gefährdet an. Banken verlieren ihre Rolle als Vermittler.

Diesen Trend machen sich die FinTechs zunutze. „70 Fintech-Unternehmen sind in Berlin beheimatet. Das sind doppelt so viele wie am Finanzplatz Frankfurt. Sie konnten im vergangenen Jahr 79 Millionen Dollar Wagniskapital nach Berlin holen“, beschrieb Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) die aktuelle Lage. „Diese Unternehmen greifen die etablierten Player an und stellen ihre Geschäftsmodelle infrage“, bestätigte auch Allerkamp.

Um hier die Position Berlins zu festigen, seien günstige Rahmenbedingungen wichtig, sagte Chris Bartz, Venture Partner beim Unternehmensentwickler FinLeap und Vertreter des Branchenverbandes Bitkom. Er mahnte ein „digital vorausschauendes Umfeld“ an. Hier stimmte ihm die Wirtschaftssenatorin zu. Sie setze sich genau dafür ein und nannte als Beispiel die im neuen Kleinanlegerschutzgesetz festgeschriebenen Erleichterungen für Crowd­funding-Plattformen.

Berlin eröffnet London-Büro für umzugswillige Firmen

Der bevorstehende Brexit könnte sich positiv auf Berlin als FinTech-Standort auswirken. Senatorin Yzer berichtete von „sehr konkreten“ Gesprächen mit umsiedlungswilligen Londoner FinTech-Unternehmen und versicherte, dass sie die Opportunität der Situation nutzen wolle. Im September ist zudem die Eröffnung einer Repräsentanz in London geplant, die umzugswillige Unternehmen beraten soll.

Der IBB-Chef gab eine Wachstumsprognose für Berliner FinTechs von 50 Prozent jährlich ab. Damit würde sich voraussichtlich die schwer zu schätzende Stellenzahl von derzeit 2000 bis 4000 ebenfalls verdoppeln. Berlin hatte bereits ein FinTech, als man den Begriff hier noch nicht buchstabieren konnte: Das US-Unternehmen PayPal (2002–2015 Teil von Ebay), das binnen eines Jahres um 25 Prozent gewachsen ist, wickelt in Dreilinden seit mehr als einem Jahrzehnt Bargeldtransaktionen für den deutschsprachigen Raum ab. „PayPal ist mittlerweile mehr wert als alle deutschen Banken zusammen“, kommentierte Chris Bartz dieses Erfolgsmodell.