Steuern 2015

Was Rentner bei der Steuererklärung beachten sollten

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Barbara Brandstetter
Das Bundesfinanzministerium schätzt, das rund 3,9 Millionen Rentnerhaushalte in Deutschland steuerpflichtig werden

Das Bundesfinanzministerium schätzt, das rund 3,9 Millionen Rentnerhaushalte in Deutschland steuerpflichtig werden

Foto: Marijan Murat / dpa

70.000 Senioren werden wegen der Rentenerhöhung 2016 steuerpflichtig – Abgaben fallen auch für Versorgungsbezüge an.

Der Ruhestand könnte eigentlich ganz schön sein – hätten die Politiker 2004 nicht das Alterseinkünftegesetz und mit ihm die nachgelagerte Besteuerung beschlossen. Denn auch wenn im Ruhe-stand so manche lästige Pflicht entfällt: Für immer mehr Ruheständler entwickelt sich das Finanzamt zum lebenslangen Begleiter.

Das Bundesfinanzministerium schätzt, dass aufgrund der ansehnlichen Rentenerhöhung 2016 von voraussichtlich 4,4 Prozent im Westen und 5 Prozent im Osten 70.000 Ruheständler erstmals eine Steuererklärung bei ihrem zuständigen Finanzamt einreichen müssen. Damit wären rund 3,9 Millionen Rentnerhaushalte in Deutschland steuerpflichtig. Derzeit gibt es 21 Millionen Ruheständler.

Das liegt zum einen daran, dass der steuerpflichtige Anteil der gesetzlichen Rente von Rentnerjahrgang zu Rentnerjahrgang steigt. Ruheständler, die sich 2015 zur Ruhe gesetzt haben, müssen 70 Prozent der Rente versteuern. Wer sich 2040 oder später in den Ruhestand verabschiedet, wird 100 Prozent der gesetzlichen Rente steuerlich veranschlagen müssen.

Zudem reduzieren die Finanzämter verschiedene Steuervergünstigungen wie den Versorgungsfreibetrag für Pensionen und Betriebsrenten sowie den Altersentlastungsbetrag für andere Einkünfte wie beispielsweise Mieteinnahmen. Ab 2040 wird es weder Versorgungsfreibeträge noch Altersentlastungsbeträge geben.

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Einfach keine Steuererklärung zu machen und zu hoffen, nicht entdeckt zu werden, ist eine schlechte Strategie. Denn sämtliche Rentenzahlstellen melden ihre Auszahlungen regelmäßig der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA). „Daher sind die Finanzämter sehr wohl über Art und Höhe der Rentenzahlungen informiert“, sagt Uwe Rauhöft vom Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine.

Ruheständler tragen ihre Renten in die „Anlage R“ ein. Kein leichtes Unterfangen. „Daher sollten Ruheständler bei der Rentenversicherung eine Bescheinigung beantragen“, rät Rauhöft. Dieser können sie entnehmen, welche Angaben in welche Zeile gehören. Gleiches gilt für die Leistungsmitteilungen von betrieblichen oder Riester-Renten: Die Angaben erleichtern das Ausfüllen der Bögen ungemein.

Besteuerungsanteil bei Renten In die Zeilen 4–13 der „Anlage R“ tragen Ruheständler ihre Leibrenten ein – also Auszahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Rürup-Renten, berufs­ständischen Versorgungswerken und landwirtschaftlichen Alterskassen. Diese werden mit dem sogenannten Besteuerungsanteil verteuert. Bei diesen Auszahlungen entscheidet das Jahr des Renteneintritts darüber, wie hoch die Steuerlast, der sogenannte Besteuerungsanteil, ausfällt. Wer sich 2015 in den Ruhestand verabschiedet hat, muss 72 Prozent der Bezüge steuerlich veranschlagen. Bei Rentnerjahrgängen ab 2040 unterliegt die komplette Rente der Steuerpflicht.

Auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums findet sich folgendes Beispiel: Herr Müller ist alleinstehend. Er geht 2015 in Rente. Er bezieht 1207 Euro gesetzliche Rente im Monat, 14.485 Euro im Jahr. Über weitere Einkünfte verfügt er nicht. Der Gesamtbetrag seiner Einkünfte liegt daher bei 14.485 Euro. Den steuerfreien Teil der Rente in Höhe von 4346 Euro schreiben die Finanzbeamten zeitlebens fest. 10.139 Euro unterliegen der Besteuerung. Davon können der Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 102 Euro, der Sonderausgabenpauschbetrag (36 Euro) sowie Versorgungsaufwendungen von rund 1529 Euro abgezogen werden. Somit ergibt sich für Herrn Müller ein zu versteuerndes Einkommen von 8472 Euro.

Da die Rentenbezüge von Herrn Müller in Höhe von 14.485 Euro im Jahr oberhalb des Grundfreibetrags in Höhe von 8472 Euro liegen, ist er verpflichtet eine Steuererklärung abzugeben. Doch da nach Abzug von Pauschalen und Ausgaben sein zu versteuerndes Einkommen die 8472 Euro nicht übersteigt, muss er keine Steuern zahlen. Es kann jedoch durchaus sein, dass Herr Müller in den nächsten Jahren doch noch Steuern zahlen muss. Denn Rentenerhöhungen sind steuerpflichtig. Regelmäßige Anpassungen des Grundfreibetrags gleichen dies häufig aus, aber nicht immer. „Daher ist es möglich, dass Ruheständler auch noch im Alter von 80 oder 90 Jahren in die Steuerpflicht rutschen“, sagt Steuerexperte Rauhöft.

Prüfen sollten Ruheständler eine mögliche Steuerpflicht auch, wenn der Ehe- oder Lebenspartner stirbt. Der Staat zeigt sich zwar kulant: Im Jahr nach dem Tod gewähren die Finanzämter dem Ehepartner noch den günstigen Splittingtarif. „Doch wenn dieser entfällt, müssen viele dann doch mit dem Finanzamt abrechnen“, sagt Wolfgang Wawro vom Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg.

Bei der Witwenrente ist für die Höhe des Besteuerungsanteils relevant, wann der Verstorbene in Rente gegangen ist. Ein Beispiel: Frau Schulz hat sich im vergangenen Jahr zur Ruhe gesetzt und muss daher 70 Prozent ihrer gesetzlichen Rente versteuern. Zudem bezieht sie Witwenrente, weil ihr Mann 2012 verstarb. Doch diese muss sie nicht mit 70, sondern lediglich mit 50 Prozent steuerlich veranschlagen, da sich ihr Mann 2005 in den Ruhestand verabschiedet hatte.

Für all diejenigen, die Auszahlungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen erhalten, sehen die Finanzämter eine Öffnungsklausel vor (Zeilen 11–13). Davon können beispielsweise Ärzte, Steuerberater, Notare, Ingenieure oder Apotheker profitieren. Die Öffnungsklausel können all diejenigen beantragen, die vor dem Jahr 2005 mindestens zehn Jahre Beiträge in die Versorgungseinrichtung oder in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, die insgesamt über dem Jahreshöchstbetrag in der gesetzlichen Rentenversicherung lagen. „Ist dies der Fall, können Steuerzahler beantragen, dass die auf den übersteigenden Beiträgen beruhende Rente mit dem wesentlich günstigeren Ertragsanteil versteuert wird“, sagt Peter Kauth vom Internetportal Steuerrat24.de.

Ertragsanteil bei Renten In die Zeilen 14 bis 20 tragen Ruheständler Auszahlungen ein, die mit dem günstigen Ertragsanteil steuerpflichtig sind. Dazu gehören Renten aus privaten Rentenversicherungen, betrieblichen Pensionskassen oder Direktversicherungen, die vor 2005 abgeschlossen und deren Beiträge pauschal versteuert wurden. Entscheidend für die Höhe des Ertragsanteils ist das Alter, in dem der Steuerzahler die erste Rentenzahlung erhält. Dabei gilt: Je älter der Betroffene bei der ersten Auszahlung, desto geringer fällt der Ertragsanteil aus. Mit 60 oder 61 Jahren liegt dieser bei 22, mit 66 Jahren bei 18 Prozent. Ein Beispiel: Herr Schulz erhält mit 66 Jahren erstmals eine Auszahlung aus seiner privaten Rentenversicherung in Höhe von 1000 Euro. Demnach bleiben 820 Euro steuerfrei (82 Prozent von 1000 Euro). 18 Prozent sind steuerpflichtig.

Renten aus einer privaten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung, die lediglich über einen befristeten Zeitraum gezahlt werden, werden mit dem besonderen Ertragsanteil versteuert. Dessen Höhe richtet sich nach der Dauer der Rentenzahlung. „Je kürzer die Laufzeit, desto niedriger ist der Ertragsanteil“, sagt Steuerexperte Kauth.

Versorgungsbezüge Pensionen sowie Betriebsrenten aus Direktzusagen oder von der Unterstützungskasse sind sogenannte Versorgungsbezüge. Diese tragen Steuerzahler nicht in die „Anlage R“, sondern in die „Anlage N“ ein. Die Auszahlungen sind voll steuerpflichtig. Allerdings gewährt der Fiskus in diesen Fällen ab dem 63. Lebensjahr einen sogenannten Versorgungsfreibetrag, einen Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sowie eine Werbungskostenpauschale. Die Freibeträge werden von den Finanzbehörden in den kommenden Jahren nach und nach abgeschmolzen.

Beamte, die sich 2015 zur Ruhe gesetzt haben, erhalten einen Versorgungsfreibetrag von 24 Prozent, maximal 1800 Euro. Dazu addiert das Finanzamt einen Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag von 540 Euro und den Werbungskostenpauschbetrag von 102 Euro. Insgesamt bleiben demnach Versorgungsbezüge bis zu 2442 Euro steuerfrei. Diesen Freibetrag schreiben die Beamten zeitlebens fest. Wer sich 2040 in den Ruhestand verabschiedet, kann lediglich noch den Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 102 Euro verrechnen.

Altersentlastungsbetrag Ruheständler, die neben der gesetzlichen Rente, Pension oder Betriebsrente weitere Einkünfte wie beispielsweise Mieten, Zinsen oder Arbeitslohn erhalten, profitieren von einem sogenannten Altersentlastungsbetrag. Entscheidend für dessen Höhe ist das Jahr, in dem der Betroffene sein 64. Lebensjahr vollendet. Ruheständler, die im vergangenen Jahr ihren 64. Geburtstag gefeiert haben, also in der Zeit zwischen dem 2. Januar 1951 und dem 1. Januar 1952 geboren wurden, erhalten ab 2016 zeitlebens einen Altersentlastungsbetrag von 22,4 Prozent der Einkünfte, maximal 1064 Euro.

Ehepartner können Steuern sparen, wenn Mieteinkünfte oder Kapitalerträge auf beide Ehepartner verteilt werden. „Denn der Altersentlastungsbetrag steht dann jedem Ehepartner gesondert zu“, sagt Steuerberater Wawro. Der Altersentlastungsbetrag wird den Steuerzahlern nach Vollendung des 64. Lebensjahres automatisch gutgeschrieben. „Daher sollten Ruheständler ihre Kapitalerträge in der ‚Anlage KAP‘ eintragen“, sagt Wawro. Der Altersentlastungsbetrag wird wie andere Freibeträge in den kommenden Jahren abgeschmolzen. Wer 2039 oder später 64 Kerzen auf seiner Geburtstagstorte ausbläst, erhält keinen Altersentlastungsbetrag mehr.

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