Berlin. Berlin benötigt ein Gesamtkonzept für Industrieflächen, fordert die IHK. Die Stadtplanung dürfe nicht nur an den Wohnungsbau denken.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin fordert von der Politik ein Gesamtkonzept für die Industrieflächen der Zukunft. Eine am Mittwoch präsentierte Analyse listet 17 Standorte, ihre Entwicklungspotenziale aber auch ihre Probleme auf. Melanie Bähr, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Kammer, sieht die Bestandsaufnahme als Appell an die Politik im Wahljahr, bei der Stadtplanung auch die Interessen der Gewerbetreibenden zu berücksichtigen.

Berlin wächst rasant, und das weckt planerische Begehrlichkeiten: 270.000 Arbeitsplätze sind in den letzten Jahren entstanden, auch vor der Flüchtlingswelle ist die Stadt jedes Jahr um mehr als 40.000 Menschen gewachsen. Seit fünf Jahren ist Berlin beim Anstieg des Bruttoinlandsprodukts führend, die Arbeitslosenquote liegt auf einem Langzeittief.

Appell an die Politik

Vor diesem Hintergrund hat die Politik den Wohnungsbau als ein zentrales Ziel formuliert. „Das weckt Begehrlichkeiten an die Flächen“, moniert Melanie Bähr. Jochen Brückmann, der Infrastruktur-Experte der IHK, wird konkreter: „Wohnbebauung rückt an Gewerbeflächen ran“, sagt er. Zudem lassen sich Wohnungen schneller realisieren und bieten höhere Renditen. Die Industrieflächen-Analyse solle als Appell an die Politik verstanden werden „sich Gedanken zu machen“, wie man auf den Megatrend der Urbanisierung reagieren wolle. Die IHK will zeigen, dass das gegenwärtige Wachstum der Berliner Wirtschaft auf dem Spiel steht.

Ähnlich wie das 2013 vom Senat initiierte Wohnbauflächeninformationssystem (WoFIS) müsse es auch eine Echtzeit-Datenbank für Gewerbeflächen geben, eine To-do-Liste für einzelne Standorte und ein Berliner Gesamtkonzept, fordert die IHK und sieht ihr Papier als einen ersten Schritt. Derzeit könne niemand die Berliner Gewerbeflächen-Reserven exakt beziffern. Sicher sei nur, dass es zwei Gebiete mit mehr als 50 Hektar Freifläche gebe. „Das stimmt uns nachdenklich“, sagt Bähr.

Firmen brauchen Planungssicherheit

Denn nicht nur die Flächen sind ein Problem: Gewerbe- und Industrie brauchen Planungssicherheit. Entwicklungen wie in Oberschöneweide, wo ein Investor im Industriegebiet an den Wilhelminenhofstraße Wohnungen mit Spreeblick bauen will, sind aus Sicht der IHK symptomatisch für den Wettkampf der planerischen Begehrlichkeiten in Berlin. Solche Pläne schränken die Erweiterungsmöglichkeiten für Unternehmen wie First Sensor oder den Batteriehersteller BAE ein. Auch auf dem Schlachthofgelände an der Eldenaer Straße zwischen Lichtenberg und Friedrichshain verdränge die Wohnbebauung eine gewerbliche Nutzung.

Das seien keine Einzelfälle: Im Spandauer Bezirksamt stünden Unternehmer Schlange, die sich ansiedeln wollen, heißt es bei der IHK. Doch es gebe keine Potenziale mehr. Das Schuhpflegemittelwerk Collonil in Reinickendorf könne nicht erweitern und auch der Campus in Buch sei ausgebucht.

Expertise des Bürgermeisters hilfreich

Die Frage nach den Bremsern beantwortet die IHK salomonisch. Wenngleich „die Interessen der Bezirke nicht immer mit dem Gesamtkonzept korrespondieren“ macht die IHK die zweistufige Verwaltung aus Bezirks- uns Senatsbehörden nicht ursächlich für das Planungschaos verantwortlich. Auch im Senat lasse sich kein Hauptverantwortlicher identifizieren. Immerhin sei die Expertise des Regierenden Bürgermeisters als früherer Stadtentwicklungssenator hilfreich, sagt Melanie Bähr. „Wir wünschen uns, dass es schneller geht.“

Die IHK bewertet die 17 Industriestandorte nach unterschiedlichen Parametern. „Während die Standorte überwiegend gut erreichbar sind, gibt es insgesamt Nachholbedarf bei baureifen, zusammenhängenden Industrie- und Gewerbeflächen. Auch ist die Qualität des jeweiligen Standortmanagements vor Ort sehr unterschiedlich“, fasst Melanie Bähr die Analyse zusammen.

Hier gibt es die Analyse zum Download.