Es ist eine Erfolgsgeschichte wie kaum eine andere in der Berliner Start-up-Szene. Sie hat alle Ingredienzien, die eine Gründer-Saga braucht: Erfinder, die mit ihrer Vision ihrer Zeit voraus waren. Ein Produkt, das zur falschen Zeit auf den Markt kam. Ein Konzern, der die Garagenfirma für eine bis heute unbekannte Summe kaufte. Missmanagement, das den Konzern fast zu Fall brachte. Und schließlich ein Konsortium, das die Firma mutmaßlich zu einem Happy End führt.

Die Automobilkonzerne Audi, BMW und Daimler haben den Berliner Navigationsspezialisten Here vom Handykonzern Nokia erfolgreich akquiriert. Agenturberichten zufolge flossen dafür 2,5 Milliarden Euro. Die drei Unternehmen, sonst erbitterte Konkurrenten, übernehmen den Kartendienst gemeinsam und jeweils zu gleichen Teilen. Alle Kartellbehörden haben nach übereinstimmenden Angaben der beteiligten Unternehmen ihre Genehmigung für die Transaktion erteilt.

Alles fing im Jahr 1999 mit dem Start-up Gate5 an. Dessen Gründer war der heutige Business Angel Chris­tophe Maire. Er hatte früh das Potenzial mobiler Geräte für die Navigation erkannt und arbeitete mit seinem Team sechs Jahre lang an der Vision einer Routenplanungssoftware. Nokia kaufte das auf 70 Mitarbeiter gewachsene Unternehmen 2006 und legte damit den Grundstein für seine Verkehrssparte in Berlin. Der damalige Geschäftsführer Michael Halbherr blieb bis vor Kurzem Chef des Navigations- und Kartendienstes Here.

Gate5 kann als die Keimzelle der innovationsgetriebenen Digitalwirtschaft in Berlin betrachtet werden und bildete neben den Vorläufern des Onlinehandelsimperiums der umtriebigen Samwer-Brüder das Fundament der Berliner Start-up-Szene. Das Ur-Start-up brachte nicht nur ein international aktives Unternehmen hervor: Auch mehrere spätere Akteure der Berliner Gründerszene gingen dort ein und aus und machten ihre ersten Gründererfahrungen.

Zum Beispiel der Schwede Eric Wahlforss, der spätere Erfinder des 2007 gestarteten Musikstreamingdienstes SoundCloud, heuerte 2001 als Programmierer bei Gate5 an, wie Felix Petersen, Gründer der Start-ups Plazes und Amen einmal erzählte. Auch Holger Weiss, der spätere Gründer des im Jahr 2013 an den Elektronikkonzern Panasonic verkauften Musikstreamingdienstes Aupeo, gehörte zu den ersten Mitarbeitern des Geolocationdienstes.

Gate5-Gründer Christophe Maire schließlich wurde nach dem Verkauf an Nokia Business Angel und prägte als Investor Firmen wie das soziale Netzwerk StudiVZ, den Online-Shoppingclub Brands4Friends oder die Foto-Plattform EyeEm und viele kleinere Start-ups. Er gilt als der prominenteste Berliner Frühphaseninvestor. Mitte vergangenen Jahres ging auch Michael Halbherr, unter die Investoren. Er hatte das Unternehmen seit der Gründung begleitet und zuletzt als Nokia-Vorstandsmitglied geleitet.

Die Here-Zentrale mit 700 Beschäftigten ist in der Invalidenstraße angesiedelt. Weltweit arbeiten 6000 Mitarbeiter an dem Projekt. 3000 davon sind Geografen. Konkurrent ist TomTom aus den Niederlanden. Gate5 und Here sind eine Story wie gemacht für ein Lehrbuch über Start-up-Kultur.