Bundesweit boomt die Branche. 453.000 Menschen nutzten im vergangenen Jahr ein Teilzeit-Auto. Auch in Berlin steigen die Zahlen rasant.
Glaubt man Willi Loose, dann hat „das Auto in Deutschland als Statussymbol ausgedient“. Dabei hat er tagtäglich mit Autos zu tun. Loose ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Carsharing (bcs) und stellte am Dienstag die Jahresbilanz für 2012 vor.
Und die Zahlen bestätigen einen rasanten Wachstumskurs der Branche. Immer mehr Menschen in Deutschland nutzen Carsharing. Mehr als 453.000 Autofahrer waren im vergangenen Jahr mindestens einmal mit einem Carsharing-Fahrzeug unterwegs. Die Idee, das Auto mit anderen zu teilen, lockte fast 200.000 neue Kunden an.
Die Zahl der verfügbaren Autos stieg 2012 bundesweit auf mehr als 12.000. In Berlin stehen nach Schätzungen des Verbandes aktuell etwa 2300 Autos zur geteilten Nutzung bereit – Tendenz steigend.
Insgesamt zählt der bcs in Berlin zehn kommerzielle Carsharing-Unternehmen, mehr als in jeder anderen deutschen Stadt. Vor allem die Carsharing-Töchter großer Autohersteller drängen mit ihren nicht stationsgebundenen Angeboten seit 2011 massiv auf den boomenden Markt in Berlin und anderen Großstädten. Allein sie gewannen 2012 bundesweit 146.000 neue Kunden. Auch bundesweit ist die Branche weiter auf Wachstumskurs. Das Ziel sind zwei Millionen Nutzer im Jahr 2020.
Vergleichsweise neue Anbieter wie DriveNow, Car2go oder Multicity, allesamt Töchter großer Autokonzerne, hatten den größten Anteil an dem Boom. Teilweise erst seit 2011 oder 2012 auf dem Markt, konnten sie ihre Nutzerzahlen binnen eines Jahres auf aktuell 183.000 mehr als vervierfachen. Die Zahl ihrer Autos stieg bundesweit von 1300 auf 4550, mehr als jedes Dritte davon ist auf Berliner Straßen unterwegs. Diese sogenannten Free-floating-Angebote werben damit, dass die Autos frei im Straßenraum verfügbar sind und innerhalb eines Gebietes überall abgestellt werden können.
Berlin noch nicht die deutsche Carsharing-Hauptstadt
Vor allem in Berlin ist das offenbar ein Erfolgsrezept. DriveNow (ein Joint Venture von BMW und Sixt) ist als erstes dieser Unternehmen im September 2011 in Berlin gestartet und meldet aktuell etwa 39.000 Kunden. Ursprünglich sah das Unternehmen mittelfristig ein Potenzial für 80.000 Nutzer in Berlin. „Diese Zahl müssen wir inzwischen deutlich nach oben korrigieren“, sagt Sprecher Michael Fischer. Nach der Daimler-Tochter Car2go stieg zuletzt auch Multicity (Citroën) in den Berliner Markt ein, als Erster mit einer komplett elektrisch angetriebenen Flotte.
Neben diesen drei Neueinsteigern zählt der bcs in Berlin noch sieben weitere Carsharing-Unternehmen. Mehr Anbieter gibt es in keiner anderen deutschen Stadt. Hinzu kommen ehrenamtlich geführte Vereine, in denen private Autos zur gemeinsamen Nutzung vermittelt werden. Auch die klassischen Anbieter mit festen Stationen zum Entleihen und Abgeben profitieren von dem Boom. Bundesweit stiegen Nutzer-, und Fahrzeugzahlen 2012 um etwa 20 Prozent. Ein Trend, der auch für Berlin gilt, wie Katharina Fölsche, Geschäftsführerin von Stadtmobil Berlin, bestätigt. Allein das neben Branchenriesen wie der Bahntochter Flinkster vergleichsweise kleine Unternehmen stockt seine Flotte noch in diesem Jahr um 20 auf dann mehr als 100 Autos auf.
Zumindest noch nutze die Konkurrenz allen, glaubt auch Christian B. Schmidt, Betreiber der Internet-Plattform carsharing-berlin.de. „Viele Kunden sind bei mehreren Anbietern registriert“, so Schmidt. Je nach Situation nutzten sie entweder die flexibleren Free-floating-Autos oder die besser planbaren stationären Angebote. Durch die wachsende Präsenz der Fahrzeuge nähmen immer mehr Berliner Carsharing als sinnvolle Alternative zum eigenen Auto wahr, ist Schmidt überzeugt. „Die Marktpotenziale sind riesig“, sagt er.
Gemessen an der Einwohnerzahl ist Berlin indes noch nicht die deutsche Carsharing-Hauptstadt. Karlsruhe, Düsseldorf, München und Stuttgart lagen in einer bcs-Untersuchung im Sommer vergangenen Jahres noch vorne.