Schuldenkrise

„Europa steuert schlafwandelnd auf eine Katastrophe zu“

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Experten warnen vor einem wirtschaftlichen Kollaps in Europa. Sie prophezeien „eine Katastrophe von unabsehbaren Ausmaßen“.

Eine Gruppe renommierter Wirtschaftsexperten sieht Europa vor dem Abgrund. „Europa steuert schlafwandelnd auf eine Katastrophe von unabsehbaren Ausmaßen zu“, heißt es in einem Gutachten von 17 europäischen Ökonomen.

Die Wissenschaftler, darunter der Sachverständige Peter Bofinger, verlangen von den Regierungen dringend mehr Anstrengungen, um den drohenden Kollaps noch zu vermeiden. Eine langfristige Transferunion lehnen sie dagegen ebenso ab wie Euro-Bonds.

Unter der Überschrift „Aus der Sackgasse – Ein Weg aus der Krise“ verlangen die Experten, die Konstruktionsfehler der Währungsunion zu beseitigen und das System institutionell neu zu gestalten, um das Vertrauen in den Euro zurückzugewinnen. Die Beseitigung der Altlasten – also der Schuldenkrise – müsse noch stärker als bisher von allen Euro-Ländern gemeinsam getragen werden, heißt es in der Studie, die vom US-Institute for New Economic Thinking veröffentlicht wurde.

Kurzfristig sei unter anderem die Ausweitung des Garantierahmens für die Schuldenstaaten notwendig, sofern sie die vereinbarten Reformauflagen umsetzten.

Der Weg aus der Krise könne nur gelingen, wenn es ein glaubwürdiges Bekenntnis zum strukturellem Wandel der Euro-Zone gebe, unterstreichen die Ökonomen. Langfristig seien eine Bankenunion erforderlich, um Staatsfinanzen und Kreditversorgung zu entkoppeln, tiefgreifende Finanzmarktreformen sowie Mechanismen zur Kontrolle der Fiskalpolitik. Unentbehrlich sei aber auch ein geordneter Abwicklungsmechanismus für den Austritt von Staaten, die den Anforderungen des Fiskalvertrages nicht gerecht würden.

Brandbrief deutscher Wirtschaftsexperten

Zu den Volkswirten, die das Gutachten vorgelegt haben, gehören auch Lars Feld, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die ehemalige Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro und Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Erst vor einigen Tagen hatte ein Brandbrief von Ökonomen in Deutschland für Aufmerksamkeit gesorgt.

Das Münchner Ifo-Institut sieht in der neuen Bewertung Deutschlands durch die US-Ratingagentur ebenfalls eine deutliche Warnung. „Wir sehen uns in unserer Analyse bestätigt, dass auch Rettung ansteckend sein kann“, sagte Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Wenn Griechenland zahlungsunfähig werde und aus der Eurozone ausscheide, müsse Deutschland mit bis zu 82 Milliarden Euro Verlust rechnen, ergab eine Analyse des Instituts nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung.

Carstensen sagte, im schlimmsten Fall werde Deutschland mit 770 Milliarden Euro belastet. Darin enthalten seien die Risiken aus den Rettungsfonds, die Anleihen der Europäischen Zentralbank und 400 Milliarden Euro an Forderungen, die Deutschland über das europäische Abwicklungssystem Target gegenüber den Krisenländern aufgebaut habe.

Der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, Wolfgang Gerke, nannte den Austritt Griechenlands aus dem Euro unvermeidbar. „Je länger damit gewartet wird, desto mehr wird es kosten“, sagte er der „Schweriner Volkszeitung“. „Wenn jetzt Ratingagenturen wie Moody's vonseiten der Bundesregierung kritisiert werden, ist dies eine billige Ablenkung.“

( dpa/mim )