Lohnplus

Berliner Beschäftigte erhalten mehr Geld

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Hans Evert

Die Hauptstadt holt auf: Immobilienpreise steigen – die Kaufkraft aber auch. Die hohen Tarifabschlüsse in der Industrie befeuern den Trend.

Die nächste Lohn- und Gehaltsabrechnung dürften den 50.000 Berliner Beschäftigten der Metall – und Elektroindustrie einige Freude bereiten.

Rückwirkend zum 1. Mai gibt es mehr Geld: rund 130 Euro pro Monat für junge Facharbeiter, fast 250 Euro für Mitarbeiter der höchsten Entgeltstufe. Verständlich, dass der Geschäftsführer der Berliner IG Metall, Klaus Abel, das als Erfolg feiert. „Schon in den vergangenen Jahren hatten die Mitarbeiter unserer Branche eine positive Reallohnentwicklung. Das setzt sich nun fort.“

4,3 Prozent Lohnplus in der Metall- und Elektroindustrie, sogar 4,5 Prozent in der Pharma- und Chemiebranche, erstritten von der Gewerkschaft IG BCE: Die Lohnrunden in diesem Jahr füllen auch vielen Berliner Beschäftigten die Portemonnaies. Sie arbeiten in Unternehmen wie Bayer im Wedding, Berlin-Chemie in Adlershof oder den Siemensbetrieben in Spandau und Moabit.

Hinzu kommen weitere großzügige Lohnrunden, etwa 6,3 Prozent für die Angestellten des Bundes, der in Berlin Tausende in Ministerien, Bundestag und Behörden beschäftigt. Trotz Sorgen um den Euro und Risiken für die Konjunktur: Viele Berliner Beschäftige können mit mehr Geld rechnen – auch in den kommenden Jahren.

Löhne fast auf Bundesniveau

Ablesbar ist das auch in den Zahlenreihen der Statistiker vom Bund und des Landesamtes Berlin-Brandenburg. Demnach verdienen Berliner Vollzeitbeschäftigte durchschnittlich 3276 Euro brutto im Monat. Damit liegt Berlin fast auf Bundesniveau (3311 Euro) und sogar vor einigen westdeutschen Bundesländern. Im Vergleich zu Hamburg (3859 Euro) oder süddeutschen Regionen ist die Hauptstadt aber immer noch arm und sexy, wie Klaus Wowereit es einmal formulierte. Doch Berlin holt stetig auf.

„Ungefähr seit 2004 hat die Stadt an Dynamik gewonnen“, sagt Claus Pretzell, Volkswirt der Förderbank IBB. Die Zahl der regulären Stellen nimmt zu. Rund 1,17 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs sind es aktuell und damit 35.000 mehr als im Jahr davor. Oft seien es Zugezogene, die ihre gut bezahlten Jobs mitbringen, sagt Ökonom Pretzell. „Die Dynamik der Stadt sorgt dafür, dass die Einkommen nach und nach weiter anziehen werden.“

Indirekt ablesbar ist das auch an einem Trend, der in der Politik in erster Linie kritisch gesehen wird: den steigenden Mieten und Immobilienpreisen. „Diese steigen auch deswegen, weil es immer mehr Menschen mit Einkommen und Vermögen gibt, die diese Preise zahlen können“, sagte Pretzell.

Kaufkraft in Berlin um vier Prozent gestiegen

Dass Berlin nicht unbedingt so arm ist, wie immer geargwöhnt wird, zeigt auch ein anderer Indikator: die Kaufkraft. Erhoben wird sie vom Marktforschungsunternehmen GfK aus Nürnberg. Definiert ist sie als jene Summe, die zum Ausgeben verbleibt, wenn man Steuern und andere Abgaben von erzielten Einkommen aller Art (Arbeit, Transferzahlungen) abzieht. Demnach ist die durchschnittliche Kaufkraft Berliner Haushalte im vergangenen Jahr um vier Prozent gestiegen. Dennoch liegen sie mit rund 18.000 Euro immer noch gut zehn Prozent unterhalb des Bundesdurchschnitts.

Übertriebene Einkommens-Euphorie ist daher nicht angebracht. Gleich mehrere Punkte unterstreichen das: Da ist zum einen der Zyklus der Tarifverhandlungen entsprechend den Vertragslaufzeiten. Viele Branchen – beispielsweise der Bau, aber auch Bereiche wie der Einzelhandel – haben noch Tarifverträge unter dem Eindruck des Krisenjahres 2009 abgeschlossen.

Deutschlandweit profitiert von den guten Abschlüssen des Jahres 2012 nur rund ein Drittel der Beschäftigen.

430.000 erwerbsfähige Berliner erhalten Hartz-IV-Leistungen

In Berlin dürften es sogar noch weniger sein, da hier die Industrie schwächer ausgeprägt ist als in anderen Regionen. Hier dominiert der Dienstleistungssektor. Zudem bestreiten in der Hauptstadt viele Menschen ihr Einkommen ganz oder in großen Teilen vom Staat.

Knapp 430.000 erwerbsfähige Menschen in der Stadt erhalten Hartz-IV-Leistungen – etwa weil sie schon lange arbeitslos sind, weil sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben oder weil sie so wenig verdienen, dass sie aufstocken müssen. Alle diese Menschen alle profitieren nicht davon, wenn etwa in der Metall- und Elektroindustrie die Löhne und Gehälter deutlich angehoben werden.

Hoffnung gibt es hingegen für die Leiharbeiter der Berliner Metall- und Elektroindustrie. Nach Schätzung der IG Metall sind das gut zehn Prozent der Belegschaft in den Branchenbetrieben. In der Hauptstadt wären es demnach rund 5000 Menschen. Für sie bringt der jüngste Tarifabschluss in der Metallindustrie eine gute Nachricht: In Zukunft muss ihnen nach zwei Jahren Beschäftigung eine Festanstellung angeboten werden.