Öko-Lüge

Aldi und Rewe täuschen Verbraucher mit Bio-Tüten

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Florian Rinke

Foto: DPA

Supermärkte verlangen höhere Preise und hoffen auf ein grünes Image. Doch für den Kompost eignen sich die Beutel nicht.

Lange galt die Bio-Plastiktüte als grüne Alternative zu den vermeintlich klimaschädlichen Plastiktragetaschen. „Zeig der Umwelt dein Lächeln“, heißt es so etwa auf den angeblichen Öko-Taschen von Aldi Süd.

Das Lächeln dürfte dem Unternehmen nun jedoch erst einmal vergangen sein. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat die Handelsketten Aldi und Rewe abgemahnt und dazu aufgefordert, die „Verbrauchertäuschung“ mit vermeintlich biologisch abbaubaren Plastiktüten zu beenden. Eine Woche haben die Unternehmen nun Zeit, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, andernfalls will die DUH Klage einreichen.

Damit geht der Streit zwischen den Handelskonzernen und der Umwelthilfe in die nächste Runde. Am Mittwoch hatte diese eine Studie veröffentlicht, in der sie mit dem Mythos der kompostierbaren Plastiktüte aufräumt. „Die angeblich ‚grünen' Plastiktüten helfen der Umwelt nicht“, kritisiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe: „Sie werden nicht kompostiert, lassen sich auch nicht recyceln und bestehen hauptsächlich aus Erdöl.“

Plastik aus genmanipuliertem Mais

Bei Rewe hat man inzwischen reagiert und den Verkauf der Tüten eingestellt. „Gemeinsam Gutes“, wie es auf der Rewe-Bio-Tüte hieß, tat man der Umwelt anscheinend nicht, auch wenn Rewe den Darstellungen der DUH ebenso widerspricht wie Aldi. Der Anteil des Kunststoffs aus nachwachsenden Rohstoffen liegt laut Umwelthilfe nur bei 30 Prozent. Da es sich bei diesem Anteil zudem häufig auch um einen maisbasierten Kunststoff handelt, der in der Regel aus genmanipulierten Maispflanzen in den USA gewonnen wird, träten bei einer Kompostierung weitere Probleme auf. „Aldi und Rewe versuchen den Verbraucher für dumm zu verkaufen“, sagt Jürgen Resch.

Kompostiert werden die Tüten in der Praxis jedoch so gut wie nie. Sie werden genau wie andere Plastikteile in den Kompostieranlagen als Störstoffe aussortiert und anschließend verbrannt. Bei anderen Öko-Beuteln ist es genauso, selbst bei den Tüten, die man extra für den Bioabfall kauft und in die braune Tonne tut.

„In den Kompostieranlagen wird alles, was Plastik ist, aussortiert und gelangt in die Müllverbrennung“, bestätigt auch Heribert Wefers, Experte für technischen Umweltschutz beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND): „Bio-Plastiktüten sind eine Pseudo-Lösung.“

Für die Unternehmen sind die angeblich kompostierbaren Tragetaschen jedoch mehr als das. Laut Verpackungsverordnung wird für biologisch abbaubare Kunststoffverpackungen bis zum 31. Dezember 2012 keine Lizenzgebühr für das Duale System, den so genannten „Grünen Punkt“ fällig. „Diese Plastiktüten mögen in der Herstellung ein bisschen teurer sein, werden mit Preisen von bis zu 40 Cent aber auch deutlich teurer wieder verkauft als herkömmliche Plastiktüten“, sagt Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft bei der DUH: „Für die Unternehmen ist das eine Win-Win-Win-Situation: Sie zahlen keine Lizenzgebühren, können einen höheren Preis verlangen und bekommen dazu noch ein grüneres Image.“

Doch nicht überall im Handel wird mit „kompostierbaren“ Tüten geworben. Bei der Tengelmann Unternehmensgruppe sagt man ganz klar: „Unsere Tüten sind nicht biologisch abbaubar und nicht kompostierbar.“ Dies stehe auf den „I'm green“-Taschen, die das Unternehmen vom Hersteller Papier-Mettler bezieht, allerdings auch nicht drauf. Dafür seien die Tüten, die zu 85 Prozent aus Zuckerrohr bestehen, jedoch mehrmals verwendbar und recyclingfähig. „Wir zahlen daher auch für jede Tüte Lizenzabgaben an das Duale System“, heißt es im Unternehmen.

Auch künftig will man deshalb an den grünen Plastiktaschen festhalten, die man erst vor rund einem Jahr in 150 Kaisers Filialen in Berlin-Brandenburg probeweise eingeführt hatte. Inzwischen haben die Tüten in allen Filialen, in denen pro Jahr im Schnitt 25 Millionen Tragetaschen von den Kunden genutzt werden, die normale Tragetasche ersetzt. Neben der Bio-Tüte gibt es dort allerdings auch weiterhin Baumwolltragetaschen und so genannte PP-Tragetaschen, die besonders stabil sein sollen. Sorgen, dass die negativen Schlagzeilen der Konkurrenz auch auf die eigenen Bio-Tüten zurückfallen, hat man bei Tengelmann nicht: „Wir hatten bislang erst eine Anfrage von einem Kunden, der sich erkundigt hat.“

EU prüft Plastiktüten-Verbot

Eigentlich sollten die grünen Tüten eine Alternative zur herkömmlichen Plastiktüte sein, die von vielen als riesige Verschwendung von Ressourcen gesehen wird. Immerhin wird eine normale Tüte im Schnitt nur rund 25 Minuten benutzt und anschließend weggeworfen.

500 Milliarden Tüten werden so pro Jahr weltweit verbraucht. In der EU-Kommission reifen deshalb bereits seit einiger Zeit Pläne, ob man den Verbrauch von herkömmlichen Plastiktüten durch eine Zwangsabgabe senken oder gar verbieten kann. Immerhin nutzt jeder Europäer im Schnitt 500 Plastiktüten pro Jahr.

Umweltverbände wie der BUND drängen daher bereits seit langem auf ein Verbot von kostenlosen Plastiktüten. „Es geht um das Wegkommen von der Wegwerfmentalität“, sagt BUND-Experte Heribert Wefers. „Plastiktüten und Bio-Plastiktüten haben ihren ökologischen Preis.“

In anderen Ländern ist man da schon sehr viel weiter: In Frankreich und Italien sind herkömmliche Plastiktüten längst aus den Supermärkten verschwunden. Auch China, Bangladesch und afrikanische Staaten wie Ruanda und Tansania haben der Plastiktüte den Kampf angesagt.

Während das Verbot in Tansania jedoch in der Praxis kaum greift, wird in Ruanda hart durchgegriffen. Wer in das Land reisen will, muss an der Grenze sein Gepäck durchsuchen lassen. Werden Plastiktüten gefunden, müssen sie durch Papiertüten ersetzt werden.