Ein Modellprojekt der Berliner Arbeitsagentur hat sich zu einer unerwarteten Erfolgsgeschichte entwickelt. Innerhalb eines halben Jahres konnten die zwölf Berliner Jobcenter fast 28.000 Hartz-IV-Empfängern eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt vermitteln. Damit übertrafen die Arbeitsvermittler ihre selbst gesteckten Ziele. Man hatte im Juni 2011 begonnen und wollte in einem Zeitraum von zwei Jahren 20.000 Menschen in reguläre Beschäftigung vermitteln.
Der Name des Projekts lautet „Berliner Joboffensive“. Dafür wurden unter den rund 175.000 Arbeitslosen, die Hartz-IV-Leistungen beziehen, vergangenen Sommer 65.000 ausgewählt. Sie verfügen alle über eine Berufsausbildung oder einen Studienabschluss.
Ein Berater für 100 Arbeitslose
Für die Betreuung wurden 350 Vermittler eingestellt und 300 weiteren Mitarbeitern der Jobcenter zur Seite gestellt. Somit kümmert sich jeder der 650 Vermittler um 100 Arbeitslose – und diese enge Betreuung ist offenbar der Schlüssel zum Erfolg.
„Unsere Berater haben engen Kontakt zu Unternehmen gesucht und teilweise die Kunden zum Bewerbungsgespräch begleitet“, sagte Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, der Berliner Morgenpost. Firmen wurden angeschrieben und auf diese Art und Weise offene Stellen aufgespürt. Zudem organisierten die Jobcenter Jobbörsen – in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden, beispielsweise den Handwerksinnungen. Die Berater sorgten zudem dafür, dass die Arbeitslosen auch zu den Gesprächen erschienen. „Die zwölf Berliner Jobcenter haben freie Hand bekommen. Sie haben das kreativ genutzt – und das hat sich bezahlt gemacht“, so Möller.
Berlin hat seit Jahren die höchste Arbeitslosenquote aller deutschen Bundesländer. Aktuell liegt der Wert bei 12,3 Prozent. Von den rund 211.000 Berlinern ohne Job beziehen aber gerade einmal etwa 36000 Arbeitslosengeld I. Der Rest, etwa 175.000, sind Hartz-IV-Empfänger. Darunter fallen beispielsweise Langzeitarbeitslose, Menschen, die nach längerer Auszeit wieder berufstätig werden wollen, aber auch Studenten und Lehrlinge, die nach Abschluss ihrer Ausbildung eine Tätigkeit suchen. Diesen Arbeitslosen gilt das Hauptaugenmerk der Berliner Arbeitsmarktpolitik. Bisher fruchteten die Bemühungen jedoch kaum.
Allein vom Bund flossen im vergangenen Jahr fast eine halbe Milliarde Euro für sogenannte Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gemäß dem SGB II. Hinzu kommen Millionen vom Land Berlin und aus Strukturfonds der EU. Doch trotz all dieser erheblichen Anstrengungen kam Berlin nicht so richtig voran. Die Erfolgsbilanz war bislang mager.
Wirtschaftsverbände wie die Industrie- und Handelskammer dringen darauf, die Arbeitsmarktpolitik mehr an den Bedürfnissen der Unternehmen auszurichten. Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) fordern etwa, Qualifizierungen von Arbeitslosen verstärkt in Betrieben vorzunehmen. Bislang sind es in erster Linie freie Träger, die mit ihrem Kursangebot den Weiterbildungsmarkt für Menschen ohne Job dominieren. Doch deren Ergebnisse lassen nach Ansicht der UVB oft zu wünschen übrig.
Bei den Bemühungen geht es deshalb nicht nur darum, den Hartz-IV-Empfängern eine Stelle zu vermitteln. Die Jobcenter wollen auch ihren Ruf als Partner der Wirtschaft verbessern. Viele Firmen in der Stadt sind skeptisch, wenn es darum geht, offene Stellen mithilfe der Behörde zu besetzen. Oft suchen sie andere Wege, um Mitarbeiter zu finden.
Dabei hat sich Berlins Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren durchaus positiv entwickelt. Ende 2011 hatten fast zwei Millionen Menschen in Berlin ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer Steigerung von 2,4 Prozent. Diesen Trend gibt es seit ungefähr fünf Jahren. Doch da auch viele Brandenburger zum Arbeiten in die Stadt pendeln und viele Neuberliner mit ihren Jobs hierherziehen, sinkt die Zahl der Arbeitslosen trotzdem nur langsam.
Durch den Erfolg dürfte der „Berliner Joboffensive“ eine wichtige Rolle in der Neuordnung der Arbeitsmarktpolitik des Landes zukommen. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU ist verabredet, sich bei der Betreuung von Arbeitslosen künftig auf die Eingliederung in reguläre Beschäftigung zu konzentrieren. Hingegen soll der öffentliche Beschäftigungssektor zurechtgestutzt werden. Auch die Berliner SPD berät bei ihrer Klausurtagung in Rostock über neue Wege bei der Arbeitsmarktpolitik in der Stadt.
Modell für ganz Deutschland
Das Projekt „Berliner Joboffensive“ wird zum großen Teil von der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) finanziert. Sie steuert 40,5 Millionen der 48 Millionen Euro bei. Der Rest kommt vom Land Berlin. Da das Projekt Erfolge zeigt, könnte die „Berliner Joboffensive“ als Instrument bundesweit zum Einsatz kommen. Mitte des Jahres wird es eine Auswertung geben. Danach entscheidet die Nürnberger Behörde, ob die „Berliner Joboffensive“ ein Modell für Hartz-IV-Bezieher in ganz Deutschland wird.