Der Schuldenschnitt für Griechenland muss nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel mindestens 50 bis 60 Prozent betragen. Angesichts der skeptischen Einschätzung der Schuldentragfähigkeit durch die Troika reiche der im Juli vereinbarte 21-prozentige Forderungsverzicht der privaten Gläubiger auf keinen Fall aus, betonte Merkel nach Angaben aus Teilnehmerkreisen am Samstagabend beim Treffen der konservativen Parteienfamilie EVP in Brüssel. Vorrang habe sicher das Prinzip der Freiwilligkeit beim Forderungsverzicht. Aber Griechenland müssten insgesamt mindestens 50 bis 60 Prozent der Schulden erlassen werden, damit das Land wieder auf die Beine kommen könne.
Zugleich mahnte die Kanzlerin nach Angaben von Teilnehmern, dass eine Einigung der Experten der Euro-Gruppe über die Hebelwirkung beim Euro-Rettungsschirm EFSF bereits Anfang kommender Woche vorliegen müsse. Nur wenn der Bundestag am Montagabend eine deutsche Übersetzung der noch fehlenden Passagen für die EFSF-Leitlinien vorliegen habe, könne sie die nötige Zustimmung des Haushaltsausschusses vor dem nächsten geplanten EU-Gipfel am Mittwoch einholen. Das Bundesverfassungsgericht habe die Regierung bei Euro-Rettungsmaßnahmen an das Votum des Bundestages gebunden, erklärte sie ihren europäischen Kollegen. Wie der Hebel aussehen könnte, sagte Merkel nach Teilnehmerangaben dabei nicht. Sie habe ihren Kollegen jedoch beteuert, dass es mit Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy keine grundlegenden Differenzen gebe, hieß es.
Zudem warb Merkel erneut für eine EU-Vertragsänderung innerhalb der kommenden zwölf Monate, um Eingriffsrechte in die nationalen Haushalte derjenigen Euro-Staaten zu bekommen, die die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakets nicht einhielten. Österreichs Vizekanzler Michael Spindelegger warnte jedoch, dass dies schwierige Referenden in etlichen EU-Staaten erfordere
Bundesbankpräsident sieht Schuldenschnitt für Griechenland kritisch
Bundesbankpräsident Jens Weidmann bewertet einen Schuldenschnitt für Griechenland hingegen skeptisch. „Ein Schuldenschnitt ist jedenfalls kein Allheilmittel“, sagte Weidmann der Zeitung „Bild am Sonntag“ (Onlineausgabe). „Wenn dadurch die Bereitschaft zu Strukturreformen nachlässt, kann er sogar gefährlich sein.“
Weidmann sagte, man dürfe überschuldeten Staaten keinen allzu bequemen Ausweg aus ihrer Situation eröffnen. „Das wäre eine Einladung zur Nachahmung, und die Vertrauenskrise würde sich ausweiten“, sagte er. Wenn Länder aber ihre Probleme entschlossen und angingen und ihre Wettbewerbsfähigkeit verbesserten, sollten sie unterstützt werden.
Griechischer Regierungsberater warnt vor großem Schuldenschnitt
Die Pläne der Euro-Partner für einen größeren Schuldenschnitt Griechenlands treffen auch in der Athener Regierung auf Widerstand. Eine deutlich stärkere Beteiligung der privaten Gläubiger als die vereinbarten 21 Prozent seien gefährlich für die Euro-Zone, erklärte der ehemalige Vizepräsident der Europäischen Zentralbank und jetzige Regierungsberater, Lucas Papademos.
In einem Kommentar für die Sonntagsausgabe der Zeitung „To Vima“ warnte Papademos, dass ein größerer Schuldenerlass die Freiwilligkeit der Beteiligung der Finanzbranche infrage stelle und damit die Risiken erhöhe. Sollten die Ratingagenturen dies als Zahlungsausfall bewerten, drohe ein Übergreifen der Probleme auf die Banken. Dann könnte es zu einer Kreditkrise mit schweren Folgen für die Wirtschaft kommen, was wiederum die staatlichen Sparanstrengungen untergraben dürfte. Daher sei es im Augenblick ratsam, die Beschlüsse vom Euro-Gipfel im Juli umzusetzen und angemessen zu stärken.
Im jüngsten Lagebericht der Troika aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) hieß es allerdings, das damals verabredete zweite Rettungspaket über 109 Milliarden Euro reiche nur, wenn die privaten Gläubiger auf 60 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Der Schuldenstand Griechenlands könnte dann bis 2020 auf tragfähige 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden nach einem Höchststand 2013 von voraussichtlich 186 Prozent. Die Staats- und Regierungschefs der EU suchen am Sonntag auf einem Gipfel in Brüssel nach einem Ausweg aus der Schuldenkrise. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte bei einem Treffen der europäischen Konservativen am Samstagabend im Vorfeld des Gipfels laut Teilnehmern, dass der Schuldenschnitt für Griechenland mindestens 50 bis 60 Prozent betragen