Himmlische Geschäfte

Wer alles am Papstbesuch verdient

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Andre Tauber

Foto: picture alliance / Stefano Spazi

Papst Benedikt XVI. besucht kommende Woche Deutschland. Die katholische Kirche vermarktet sich immer professioneller. Zahlreiche Firmen wittern das große Geschäft. Und auch die Kirche hofft auf Einnahmen.

Für Karl-Wilhelm Gutmann ist das menschenleere Feld ein fast schon heiliger Anblick. Als der Besitzer eines Sägewerks auf dem Rollfeld des Freiburger Flughafens steht, wo in wenigen Tagen Papst Benedikt XVI. die erste Messe seines Deutschlandbesuchs zelebriert, dämmert es bereits. In den vergangenen Tagen montierten Arbeiter 5000 Holzbänke. Nun riecht es nach frischem Holz. „Das ist in einzigartiger Moment für jemanden, der mit Holz zu tun hat“, sagt Gutmann über den Moment. Er macht Fotos. „Wenn es hier voll sein wird, sieht man die Bänke ja nicht mehr.“

In der kommenden Woche wird Papst Benedikt XVI. Deutschland besuchen. Die Bänke sind die bislang originellste Idee, um diesen Besuch so nachhaltig wie möglich zu gestalten: finanziell wie ökologisch. Das Erzbistum Freiburg hat sich Anfang August entschlossen, die sonst üblichen Plastikstühle durch eine ökologische Variante zu ersetzen. Gutmanns Firma musste den Betriebsurlaub streichen und zwei Leiharbeiter einstellen, um den gigantischen Auftrag abwickeln zu können. Nach der Papstmesse sollen die Bänke für 410 Euro das Stück verkauft werden. Unter www.papstbank.de wirbt das Erzbistum Freiburg seit wenigen Tagen: „Sichern Sie sich ein Stück Zeitgeschichte.“

Komfortable Position

Es ist das dritte Mal, dass Papst Benedikt XVI. seine Heimat besucht. Und die Kirche wird immer besser darin, die Kosten mit neuen Einnahmen zu decken. 25 Millionen Euro muss die Kirche für die Finanzierung des Papstbesuchs in Berlin, Erfurt, Münster und Freiburg berappen. Im Gegensatz zur Kirche in Großbritannien, die vergangenes Jahr Probleme hatte, die Kosten zu tragen, sind die Deutschen in einer komfortablen Position. Zum einen ist ihr Budget größer. Zum anderen vermarkten sie den Besuch auch geschickt. Die Parkbänke sind nur ein Beispiel dafür.

Dass die Kirche immer professioneller für ihre Produkte wirbt, zeigt ein Blick auf die Internetseite des Papstbesuchs. Ein lächelnder Papst weckt Interesse für die Seite. Prominent sieht man die Rubrik, in der sich die Gläubigen Tickets für die Papstmessen reservieren können. In derselben Größe wird gleich darunter ein päpstlicher Fanshop angepriesen. „Besuchen Sie den offiziellen Shop zum Papstbesuch 2011“, heißt es. Einen Klick später findet man Papst-Benedikt-Medaillons für 5,95 Euro, Kerzen für 4,95, Fünferpacks mit Fähnchen sowie eine Gedenkmedaille aus Gold für 134,90 Euro. Visa oder Mastercard werden akzeptiert.

Um den Laden kümmert sich Matthias Kopp von der Deutschen Bischofskonferenz. Kopp hat bereits Erfahrungen damit, wie man einen päpstlichen Fanshop aufzieht. Schon beim Weltjugendtag 2005 in Köln stellte Kopp das Sortiment zusammen. Mit Erfolg. Von den Gesamtkosten im Umfang von 120 Millionen Euro wurde knapp ein Viertel durch Merchandising, Spenden, Sponsoring sowie die Einnahmen aus einer Lotterie gedeckt.

Ein Großteil von Kopps Arbeit besteht allerdings darin, Nein zu sagen. Laufend wird er von Firmen, die die Papstreise nutzen möchten, um ihre Produkte mit dem päpstlichen Logo oder dem Namen Papst Benedikt XVI. zu schmücken, mit Anfragen bombardiert. Kopp bleibt allerdings meist hart. Neulich sagte er einem Kekshersteller ab, der Vanillegebäck mit päpstlichem Logo verkaufen wollte. „Bei so etwas kommt die Ablehnung schnell“, sagt er. Die Produkte und die Unternehmen dahinter müssen immerhin zur Kirche passen. Das Papa Aqua Mobil, ein Spielzeugschiffchen einer Freiburger Behindertenwerkstatt, gehört dazu. Das Schiffchen wurde eigens dafür gemacht, durch die kleinen Bäche zu schippern, die Freiburg durchziehen.

Die Rechtefrage ist zumindest auf dem Papier klar definiert. Wer das Wappen oder den Namen des Papstes verwenden will, braucht die Erlaubnis der Deutschen Bischofskonferenz, die die Rechte im Auftrag des Vatikans verwaltet. Die Lizenzgebühren aus der Verwendung fließen direkt in den Haushalt der Libreria Editrice Vaticana, dem Verlagshaus des Vatikans in Rom. Behalten darf die Kirche in Deutschland hingegen die Lizenzgebühren von Produkten, die das schwarz-rot-gelbe Logo der Papstreise tragen.

Der Vatikan hat diese Einnahmen nötig. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind die Kassen des Heiligen Stuhls und des Vatikanstaats recht klamm, zumal auch die Finanzkrise dem Vatikan zusetzte. Papst Benedikt XVI. tut sein Möglichstes, um das zu verhindern. Immerhin ist er ein Erfolgsautor. 132 Bücher und Kommentare verfasste Ratzinger schon vor seiner Wahl zum Papst. Später folgten drei Enzykliken und zwei Teile des Bestellers „Jesus von Nazareth“. Die Einnahmen fließen teils in die deutsche Joseph-Ratzinger-Papst-Benedikt-XVI.-Stiftung, teils in den päpstlichen Rat Cor Unum, der Entwicklungsprojekte fördert, und zum Teil tragen sie eben auch zur Entlastung des Vatikanhaushalts bei.

Klagen gegen Schwarzhändler

Um die Einnahmen der Kirche zu schützen, werden Mitarbeiter der Bistümer und Polizisten am Rande des Papstbesuchs die Augen offen halten, dass auch nur offiziell zugelassene Produkte verkauft werden. Schon während des Weltjugendtags 2005 hatte die Kirche mehrere Schwarzhändler angeklagt. Beim anstehenden Papstbesuch dürften nicht weniger versuchen, schnelle Kasse zu machen. Pilger müssen in Freiburg und Erfurt teils weite Fußmärsche zurücklegen, um zu den Messen zu kommen – da gibt es genügend Gelegenheit, etwa nicht lizenzierte T-Shirts zu verkaufen.

Andererseits gibt es auf den Wegen viele Gelegenheiten für Firmen, sich in Szene zu setzen. Viele Firmen haben Sponsoringverträge mit der Kirche abgeschlossen. So stellt Volkswagen etwa eine Flotte für die Organisation des Besuchs zur Verfügung. Das Hotelportal HRS stellt 400.000 Schlüsselbänder für die Messetickets. Das HRS-Firmenlogo ist natürlich zu sehen. Die meisten Namen von Sponsoren sind allerdings nicht bekannt. Viele Betriebe würden ihre Namen nicht nennen wollen, heißt es von der Kirche.

Wie viel sich mit dem päpstlichen Segen ändert, das weiß Hubert Gschwendtner. Der Bayer ist Bürgermeister des kleinen Örtchens Marktl am Inn, dem Geburtsort des späteren Papstes Joseph Ratzinger. Mit seinen 2700 Einwohnern war das Örtchen bis zur Papstwahl vor sechs Jahren kaum jemandem ein Begriff. In der Vergangenheit verirrten sich nur ein paar Radler in die Stadt, die meist weiter in Richtung Passau fuhren. „Das hat sich über Nacht geändert“, sagt Gschwendtner. Heute ist Marktl zur Pilgerstätte geworden. Anfangs kamen 200.000 Touristen pro Jahr, jetzt sind es immerhin noch halb so viele. Im Durchschnitt gibt jeder von ihnen sieben Euro in Marktl aus.

Der Ort schien vollkommen aus dem Häuschen zu sein, als Ratzinger zu Papst Benedikt XVI. wurde. Als der Pontifex bei seinem Deutschlandbesuch 2005 über Marktl flog, versammelten sich am Boden mehrere Tausend Menschen. Die freiwillige Feuerwehr bestrahlte das Geburtshaus Ratzingers, damit er es im Tiefflug sehen konnte. Die Deutsche Lufthansa taufte später gar ein Flugzeug auf den Namen Marktl – nicht mit schnödem Sekt allerdings, sondern mit Weihwasser aus Rom.

Bierflaschen mit Papstgesicht

Kein Wunder, dass zahlreiche Händler im Ort auch plötzlich ihre Liebe zur katholischen Kirche neu entdeckten. Fritz Weideneder allen voran. Als Chef der Lokalbrauerei ist er eine Autorität in Marktl und ein pfiffiger Geschäftsmann. Gleich nach der Papstwahl, als Kamerateams aus der ganzen Welt ankamen, beklebte er zwanzig Bierflaschen mit selbst gedruckten Etiketten, auf denen ein lächelnder Papst Benedikt XVI. zu sehen war. Den Namen „Papstbier“ ließ er sich schützen. Rund 10.000 Kisten verkaufte er zunächst jährlich, teilweise auch nach Mexiko und Brasilien. Nun ist die Euphorie verflogen.

Mittlerweile ist das Örtchen am Alpenrand erwachsener geworden. „Die Geschäftemacherei ist zurückgegangen“, sagt Bürgermeister Gschwendtner. Sein Ort hat hart daran gearbeitet, ein professionelles Tourismusprogramm zu entwerfen. Busparkplätze und Beschilderungen wurden eingeführt, ein Tourismuszentrum eröffnete in der Ortsmitte und stellt All-inclusive-Touren für Busunternehmen zusammen. Geschwendtner wird nicht zur Papstmesse fahren. Der stolze Papstbankhersteller wird zur Messe nach Freiburg pilgern. Er hat immerhin genug Grund zu danken. Immerhin kann er seit Kurzem seinen Betrieb das „Papstbank-Sägewerk“ nennen. Eine entsprechende Werbeanzeige hat er bereits entworfen.