Baden-Württembergs zukünftiger Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist mit seiner Kritik an der Autoindustrie auf heftigen Widerstand gestoßen. Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück warnte den Grünen-Politiker davor, Ängste in der Autoindustrie zu schüren.
Auch der Autobauer Daimler und die Gewerkschaft IG Metall reagierten verschnupft. Kretschmann hatte in einem Interview der „Bild am Sonntag“ gesagt: „Weniger Autos sind natürlich besser als mehr. Wir müssen in Zukunft Mobilitätskonzepte verkaufen und nicht nur Autos.“
Hück sagte: „ Porsche und Daimler sollten nicht in die Schmuddelecke gestellt werden. Beide Unternehmen bauen schon jetzt umweltfreundliche Autos und verkaufen sie nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.“
98.000 Jobs bei Daimler
Daimler-Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm sagte den „Stuttgarter Nachrichten“, in Baden-Württemberg arbeiteten derzeit 98.000 Menschen allein bei Daimler. „Diese Beschäftigten, ihre Familien und ihr Umfeld leben davon, dass bei uns viele Autos gebaut werden.“ Die Entwicklung alternativer Antriebe werde bei Daimler mit Hochdruck vorangetrieben.
Auch ein Sprecher der IG Metall betonte, in der Branche werde ein wichtiger Teil des Wohlstandes von Baden-Württemberg erwirtschaftet. Hunderttausende Beschäftigte arbeiteten dort jeden Tag in Forschung, Entwicklung, Verwaltung, Produktion und Vertrieb. „Die Menschen dürfen jetzt nicht verunsichert werden. Wir müssen sie mitnehmen beim strukturellen und ökologischen Wandel.“
Rückendeckung bekam Kretschmann vom Bonner Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel. „Es ist keine zukunftsweisende Strategie zu sagen, durch immer mehr Automobile werden wir wohlhabender“, sagte er dem „Bonner General-Anzeiger“.
Dass Deutschland besser Mobilitätskonzepte statt Autos exportiert, wäre aus Miegels Sicht vernünftig: „Das Auto ist nur Mittel zum Zweck. Wenn wir diesen Zweck intelligenter erfüllen können, als wir es heute tun, umso besser.“
„Die Zeit des billigen Öls ist vorbei"
Kretschmann ging am Dienstagabend wieder einen Schritt auf die Autoindustrie zu. Die künftige grün-rote Landesregierung werde die Branche bei der Entwicklung umweltfreundlicherer Fahrzeuge unterstützen.
„Die Zeit des billigen Öls ist vorbei und der Klimawandel schreitet rasant voran“, sagte er. „Gerade weil wir wollen, dass unsere Automobilhersteller auch in 20 Jahren noch im weltweiten Wettbewerb erfolgreich bestehen können, werden wir in einen intensiven Dialog mit ihnen treten und sie bei der Entwicklung zukunftsfähiger Autos und Mobilitätskonzepte unterstützen.“
Am 12. Mai soll Kretschmann Ministerpräsident werden
Kretschmann und SPD-Verhandlungsführer Nils Schmid wollen am Mittwoch in Stuttgart ihren Koalitionsvertrag unterzeichnen. Damit wird eine weitere Hürde zum Machtwechsel nach fast 48-jähriger CDU-Herrschaft im Südwesten genommen.
Die künftige Landesregierung verspricht einen Politikwechsel vor allem in den Bereichen der Bildung und der Energiewirtschaft.
Am 7. Mai sollen Grüne und SPD bei Landesparteitagen den Koalitionsvertrag absegnen. Für den 12. Mai ist im Landtag die Wahl Kretschmanns zum ersten Ministerpräsidenten der Grünen in der Geschichte der Bundesrepublik geplant.