Elektromobilität

Bundesregierung soll Startgeld für E-Autos zahlen

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Nikolaus Doll

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Autobauer sollen bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos in Deutschland auf die Straße bringen. Doch dafür muss der Staat viel Geld locker machen.

Grün, sauber, am besten elektrisch – ohne eine Vision vom umweltfreundlichen, batteriegetriebenen Automobil entworfen zu haben, geht in diesen Wochen kein Chef eines deutschen Autoherstellers von einer Rednerbühne. Lange haben die Unternehmen hierzulande das Thema E-Mobil eher behutsam verfolgt, jetzt machen sie Tempo. Die Branche müsse sich auf die Zeit nach dem Öl vorbereiten, sagte BMW-Chef Norbert Reithofer auf der Hauptversammlung des Autoherstellers in München. „Der Übergang zur postfossilen Gesellschaft wird kommen. Und das schneller als viele denken.“

Nicht weit weg von München kündigt zeitgleich Audi-Chef Rupert Stadler den Aufbruch der VW-Tochter ins Batterieauto-Zeitalter an: 1200 neue Experten vor allem für Elektromobilität und Leichtbau sollen eingestellt werden, erklärte Stadler auf der Hauptversammlung in Ingolstadt. Die deutschen Konzerne wollen verhindern, dass die Konkurrenz in den USA, Frankreich, Japan und China ihren Forschungsvorsprung weiter ausbauen kann.

Der Startschuss zur ehrgeizigen Aufholjagd fällt am kommenden Montag. Dann wird die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE), ein Zusammenschluss von Industrie, Fachleuten und Verbänden verschiedener Branchen, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Abschlussbericht vorlegen. Rund 60 Seiten wird die Expertise haben, an der 147 Experten gearbeitet haben. Seit Mai vergangenen Jahres wurde ein Konzept entworfen, dass die deutsche Automobilindustrie ins Zeitalter der Elektroautos katapultieren soll.

Herausgekommen ist ein Fahrplan mit drei Projektphasen zur Grundlagenforschung, Markteinführung und Förderung von Elektroautos. Das Ziel der NPE ist hoch gesteckt: "Deutschland soll Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität werden und damit weltweit führend bei den notwendigen Schlüsseltechnologien.“

Konkret wird angepeilt, dass die Autobauer bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos in Deutschland auf die Straße bringen. Das hört sich viel an: Aber gemessen an der Zahl der Autos, die derzeit im Land unterwegs sind, wären das nicht mal zwei Prozent des Gesamtbestands aller Fahrzeuge. Allerdings muss man beachten, von welchem Stand die Branche starten muss: 40.000 Elektroautos gibt es derzeit in Deutschland, das sind 0,08 Prozent der gesamten Fahrzeugflotte.

Die NPE-Experten versprechen sich vom Elektroauto Verbesserungen beim Klimaschutz sowie erhöhte Absatzchancen der deutschen Automobilhersteller und Zulieferer auf wichtigen oder stark wachsenden Exportmärkten wie China oder USA – immerhin ist die deutsche Autobranche eine Schüsselindustrie und exportabhängig. Nicht zuletzt sollen neue Jobs entstehen. „Es besteht ein Potenzial von rund 30.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen bis 2020“, heißt es im Bericht. Damit diese Visionen wahr werden können, muss allerdings kräftig geforscht werden, die Mittel sollen zum größten Teil von den Unternehmen kommen, allerdings erwarten sie eine umfangreiche Förderung vom Staat.

„Das Gesamtvolumen der erarbeiteten Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die Marktvorbereitungsphase beläuft sich auf vier Milliarden Euro“, steht in dem Bericht. „Wir hoffen, dass rund 1,6 Milliarden Euro vom Staat kommen. Und nach allen Signalen, die wir derzeit aus der Politik haben, stehen die Chancen gut“, sagt ein hochrangiges Mitglied der Plattform. Die deutsche Industrie will darüber hinaus in den Jahren 2012 bis 2014 von sich aus bis zu 17 Milliarden Euro in die Weiterentwicklung der Batterieautos stecken.

Regierung schließt direkte Kaufprämien aus

Doch das ist nur ein Teil der Forderungen an den Staat: Die NPE schlägt zudem Fördermittel vor, die den Kunden zugute kommen sollen. So will man den Verkauf der E-Autos ankurbeln. Denn die werden zumindest zu Beginn aufgrund der kostspieligen Batterie im Durchschnitt rund 9000 Euro teurer sein als ein vergleichbares Modell mit Verbrennungsmotor.

Steuererleichterungen werden ebenso für Käufer von Batterieautos genannt wie zinsgünstige Kredite. Direkte Kaufprämien hatte die Bundesregierung vorab stets ausgeschlossen. "Ohne zusätzliche Anreizmaßnahmen sind bis 2020 nur etwa 450.000 Elektrofahrzeuge zu erwarten“, heißt es in dem Bericht.

Die Bundesregierung will kurzfristig auf den Bericht reagieren und voraussichtlich im Mai ein Aktionsprogramm vorlegen. Doch noch bevor Klarheit darüber herrscht, wie viel der Bund tatsächlich in das Projekt investiert, wird Kritik an möglichen Staatsmitteln zur Förderung der Elektromobilität laut. Warum soll der Staat fördern, was Sache der Industrie ist, nämlich die Erforschung neuer Technologien? Warum soll mit Steuermitteln ein Projekt vorangetrieben werden, das letztlich dazu dient, dass die ohnehin exportorientierte deutsche Autoindustrie im Ausland mehr Fahrzeuge verkauft?

Zuletzt mutet es in der Tat seltsam an, dass die Regierung eines marktwirtschaftlich ausgerichteten Staates wie Deutschland Absatzzahlen für ein industrielles Produkt festlegt – und dafür bereit ist, Geld zu bezahlen. „Die Mittel der Bundesregierung wären keine Subventionen für Fabriken“, sagt Henning Kagermann, Ex-Chef von SAP und Vorsitzender des NPE-Lenkungskreises.

"Hier geht es darum, neue Produktionsverfahren zu entwickeln, es geht um ganz neue Wertschöpfungsketten.“ Und schließlich habe das Projekt schon allein durch die Vielzahl der beteiligten Wirtschaftszweige eine besondere Dimension. „Klar können wir abwarten, bis sich die verschiedenen Player von selbst zusammenfinden. Aber dadurch verlieren wir Zeit.“