Subventionen

Elektroautos kosten Steuerzahler eine Milliarde Euro

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N. Doll, B. Fuest, M.Greive und T. Kaiser

Foto: dpa

Den Deutschen droht ein Elektro-Schock: Denn die staatliche Förderung der E-Mobilität wird teuer – und ihr Nutzen ist stark umstritten.

Manchmal hat die Bundeskanzlerin Zeit, ein wenig zu träumen – zum Beispiel, welches Auto sie sich gönnen würde, wenn sie auf die Anforderungen des Amtes und die strengen Sicherheitsvorkehrungen keine Rücksicht nehmen müsste. „Als Privatperson würde ich mir einen Mini kaufen. Der ist praktisch, klein, trotzdem schön und verfügt über eine gewisse Schnittigkeit“, schwärmte Angela Merkel einmal.

Heute würde die Regierungschefin vermutlich anders über ihr Traumauto reden. Zumindest wenn sie mit gutem Beispiel vorangehen wollte. Sie würde sagen, dass ihr Lieblingswagen sparsam ist und schadstoffarm. Ein E-Mini wäre das, also ein Auto mit Batterieantrieb, doch die gibt es aus deutscher Großserienfertigung nicht – noch nicht.

Bis 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs sein, so will es die Bundesregierung. Und damit das klappt, haben sich Industrie, Verbände und Wissenschaftler in der „Nationalen Plattform Elektromobilität“ (NPE) zusammengetan. Kommende Woche will die Regierung über ein Förderpaket entscheiden. Doch im Vorfeld wird heftige Kritik an möglichen Staatshilfen laut. Warum soll der Bund unterstützen, was eigentlich Sache der Industrie ist, fragen Kritiker.

125 Jahre ist das Auto alt, erfunden wurde es in Deutschland, und bis heute sind die deutschen Hersteller in vielen Bereichen der Autowelt führend. Eine gemeinsame Plattform haben sie dafür bislang nicht benötigt. Doch mit dem Thema Elektromobilität wird ein neues Kapitel aufgeschlagen, schließlich will Deutschland seinen Kohlendioxidausstoß drastisch reduzieren.

Fachleute sprechen von der größten technischen Revolution dieser Branche, seit Daimler das Automobil serienreif gemacht hat. Daher will Merkel am Montag einen Bericht entgegennehmen, der die Revolution planbar macht. Autoren aus Forschung, Industrie, Gewerkschaften und Verbänden raten zu einem Drei-Stufen-Plan, der über Jahre genaue Vorgaben zu Fördermitteln, Absatzzahlen und einzelnen Entwicklungsmaßnahmen macht.

Es brauche mehr Grundlagenforschung, mehr Überzeugungsarbeit, mehr Koordination – und mehr Geld. „Wenn wir das gesellschaftlich gewollte Ziel einer Abkehr von fossilen Brennstoffen ernst nehmen und in diesem Zuge eine Million Elektroautos bis 2020 auf deutschen Straßen erreichen wollen, brauchen wir eine konzertierte Aktion aller Beteiligten. Dies beinhaltet finanzielle Anreize und Fördermittel“, sagt Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke. Vier Milliarden Euro zusätzlich für Forschung und Marketing sind nach Ansicht der Experten notwendig, um das gemeinsame Planziel zu erfüllen.

Das riecht nach Planwirtschaft. Nach einem VEB Elektroauto, der am Ende genau eine Million Mal das Bundesbatterie-Auto auf die Straßen bringt. Beteiligen soll sich daran vor allem der Steuerzahler, die Bundesregierung will für Forschung und Entwicklung der Elektromobilität nach Informationen von Morgenpost Online eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Damit soll vor allem die Grundlagenforschung vorangetrieben werden.

Geplant sind außerdem Steuererleichterungen für Halter batteriegetriebener Fahrzeuge sowie „nichtmonetäre Anreize“ wie die Nutzung spezieller Fahrspuren oder Sonderparkplätze. Direkte Kaufprämien sind nicht vorgesehen. Das geht aus einer Vorlage hervor, die das Bundeskabinett am Mittwoch diskutiert. „Anders als geplant wird es sehr kurzfristig eine Entscheidung über eine staatliche Unterstützung geben“, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person.

Mit dem Geld soll die Industrie 2012 und 2013 einen deutlichen Schritt nach vorn Richtung marktreifer Elektrofahrzeuge machen. Ohne staatliche Förderung, so steht es in dem Bericht für die Regierung, werden 2020 nur 450.000 Elektroautos fahren.

Förderung nützt Klimaschutz nur wenig

Über den Sinn oder Unsinn solcher exakten Prognosen will Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck von der Umweltschutzorganisation Greenpeace gar nicht erst spekulieren. „Es ist sogar relativ egal, ob es eine halbe Million Elektroautos mehr oder weniger sind“, sagt er. Denn die 41 Millionen Autos in Deutschland sind für etwa 14 Prozent der deutschen CO 2 -Emissionen verantwortlich, eine halbe Million Autos produzieren gerade einmal 0,15 Prozent des Kohlendioxids.

„Die ganze Initiative Elektromobilität konzentriert sich mit dem Elektroauto auf ein Produkt, das keinerlei Potenzial dafür hat, in Deutschland ein Massentransportmittel zu werden“, lautet das Fazit des Greenpeace-Experten. „Die Fördergelder fürs Elektroauto nützen dem Klimaschutz also nur sehr wenig.“

Derweil zeigen die Autobauer, dass die existierenden Verbrennungsmotoren noch immer mehr Klimaschutzpotenzial bieten als die exotische Elektrotechnik: Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber sagt: „Wir nutzen sämtliche Stellhebel, die es gibt, um unsere Autos sparsamer und effizienter zu machen. Gewichtsreduktion spielt in allen Baureihen eine wichtige Rolle, und wir setzen alle Komponenten auf Diät.“

Dass das Elektroauto mit Akkutechnik auch mit gewaltiger Förderung in Deutschland kein Massentransportmittel wird, zeigt ein Blick auf den Stand der Technik: Ein aktuelles Modell auf dem deutschen Markt ist Mitsubishis Kleinwagen i-Miev. Der kostet 34.390 Euro und fährt mit einer Akkuladung 100 Kilometer weit. Selbst wenn die Anstrengungen der Industrie die Reichweite ihrer Konkurrenzmodelle verdoppeln und den Preis halbieren sollten, wäre ein deutscher i-Miev noch rund 5000 Euro teurer als vergleichbare Kleinwagen.?

Deswegen geht Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen, davon aus, dass Elektroautos nur eine Übergangslösung sind. „Rein durch Batterien getriebene Fahrzeuge sind für Ballungsräume eine Alternative, aber wohl auch in Zukunft nicht für lange Strecken tauglich.“

Am Elektromotor als Antrieb kommt in Zukunft trotzdem niemand vorbei, erklärt Dudenhöffer, nur die Energiequelle sei in Zukunft eine andere: „Die Technologie der Zukunft wird das Brennstoffzellen-Fahrzeug sein.“ Der Professor glaubt zu wissen, warum die Politik trotz Klima-Unwirksamkeit Geld in die Elektrotechnik investiert: „Bis die Zelle serienreif ist, werden Batterieautos eine Rolle spielen. Vor allem in China wird es einen großen Markt dafür geben. Die deutsche Industrie muss aufpassen, dass sie auf diesem Feld nicht den Anschluss verliert.“ Klimaschutz hin oder her, für die Industrie ist vor allem diese Konkurrenz der Grund, nach Subventionen zu fragen.

Auch wenn der Akku nicht die Energiequelle der Zukunft ist – der Antrieb mit Strom ist es sehr wohl, und diesen Umbruch haben die hiesigen Autobauer zu spät erkannt. Derzeit kann kein Kunde ein Fahrzeug aus deutscher Serienfertigung kaufen, das seine Antriebsenergie aus der Steckdose bezieht.

Matthias Wissmann, Präsident des Auto-Verbandes VDA, setzt auf eine staatlich geförderte Aufholjagd zur Konkurrenz aus Japan und den USA: „Eine übergreifende Kooperation wie in der Plattform Elektromobilität ist nötig, um die Technologiewende zu schaffen.“ Andernfalls werde die deutsche Industrie ins HIntertreffen geraten: „In den USA fließt wesentlich mehr staatliches Geld in die Förderung der Elektromobilität als bei uns – zum Teil auch ganz direkt in die Produktion. Ähnliches gilt für Frankreich.“

Dieses Argument aber will Wolfgang Franz, Chef des Sachverständigenrates der Bundesregierung, nicht gelten lassen: „Mit dem gleichen Argument könnten auch Unternehmen aus Maschinenbau oder Chemie Förderung verlangen und darauf verweisen, dass sie Produkte entwickeln, die maßgeblich sind für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.“ „Ich halte nichts davon, wenn der Staat sich Bereiche aussucht, die seiner Ansicht nach besonders zukunftsträchtig sind, und dann gezielt bestimmte Produkte oder Technologien fördert“, sagt Franz. „Das verzerrt den Wettbewerb.“

Wenn das Elektroauto tatsächlich relevant für die deutsche Industrie sei, dann würde diese das selbst realisieren und entsprechend investieren, sagte Ökonom Lars Feld von der Universität Mannheim: „Mit der Milliardenhilfe würde einseitig eine spezielle Technologie gefördert.“

Doch Wissmann kontert: „Niemand verlangt Dauersubventionen etwa für die Produktion. Es geht darum, dass der Bund Mittel für die Grundlagenforschung bereitstellt, für die Entwicklung neuartiger Verfahren oder die Qualifizierung von Mitarbeitern bzw. den Start von Pilotanlagen“, sagt Wissmann, der auch Leiter des Industriekreises der NPE ist. Kanzlerin Merkel bekräftigte in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft zumindest schon einmal, das Ziel von einer Million E-Autos bis 2020 erreichen zu wollen und Deutschland zum „Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität“ zu machen.