Yvonne Feller und Florian Flechsig hatten ein ehrgeiziges Diplom-Projekt: In einem halben Jahr eine Million zu machen. Dafür sammelten sie Pfandflaschen, verkauften Berliner Luft, stiegen ins Daytrading ein oder verdingten sich als Fotomodell im "Eisbär-Knut-Kostüm". Die Grafikdesigner sind kläglich gescheitert. Im Gespräch mit Morgenpost Online erzählen sie, weshalb Geld nicht so wichtig ist und sie trotzdem reich geworden sind.
Morgenpost Online: Euer Kontostand zurzeit?
Yvonne Feller: Plusminus Null.
Florian Flechsig: Im Moment plus 2100 Euro.
Morgenpost Online: Fast wie zu Beginn eures Diplom-Projekts . Euer Ziel war es, eine Million Euro zusammen zu kriegen. Warum habt ihr damals ausgerechnet mit Flaschensammeln begonnen?
Feller: Wir hatten ausgemacht, dass wir beide bei Null Euro anfangen. Und wir brauchten ja Startkapital. Klar, ein Banküberfall ist erfolgversprechender, aber halt illegal. Um legal aus dem Nichts Geld zu machen, hat sich das angeboten. Außerdem hat jeder Pfandflaschen schnell griffbereit. Aber es stimmt schon: Gemessen an dem Ziel, eine Million zu bekommen, eine etwas seltsame Maßnahme.
Flechsig: Wir wollten ja alles mal ausprobieren. Pfandflaschen gehörten dazu.
Morgenpost Online: Ihr habt viele absurde Dinge ausprobiert: Ihr seid als wandelnde Werbefläche herumgelaufen, habt an Sportwetten teilgenommen und versucht, Pommes-Fettflecken als Jesus-Erscheinung bei Ebay zu verkaufen. Was war das beste Mittel, um Geld zu verdienen, was das Schlechteste?
Flechsig: Das Beste war bei mir zugleich das Schlechteste. Nämlich Daytrading – also mit Zertifikaten zu handeln. Das hat kurzfristig zwar schön viel Kohle gebracht, aber am Ende habe ich damit auch alles wieder verloren.
Feller: Bei mir war das Beste ganz solide: Plätzchen backen und verkaufen hat erstaunlich gut funktioniert. Werbung auf meinem Blog zu schalten hat das meiste Geld gebracht und ich musste kaum etwas tun. Nur einen Link einbauen. Das Schlechteste war Uschi International. Ich habe versucht, einen Superhit, ein One Hit Wonder, zu erdenken, aufzunehmen und zu vertreiben. Das hat wahnsinnig viel Zeit gekostet. Ich hatte zwar Spaß, aber finanziell gesehen… Also umgerechnet auf die Stunde waren das…
Flechsig: 50 Cent vielleicht.
Feller: Ach, viel weniger! Ein Cent vielleicht.
Morgenpost Online: Ihr habt Visuelle Kommunikation studiert. Warum also keine Designprojekte?
Feller: Wir wollten gerade kein Designprojekt daraus machen, sondern Sachen machen, die jeder machen kann. Darum ging es uns.
Morgenpost Online: Habt ihr mal gedacht, es könnte doch klappen mit der Million?
Flechsig: Vielleicht nicht mit der Million, aber es gab Momente, in denen ich gedacht habe, dass sich das Ganze finanziell auszahlen könnte. Als die Medien auf uns aufmerksam wurden. Aber wie wir damit Geld hätten machen können, wussten wir auch nicht.
Morgenpost Online: Wenn ihr damit euer Studium hättet finanzieren müssen…
Flechsig: Dann hätten wir andere Sachen gemacht.
Feller: Ja, mit Sicherheit! Also tatsächlich ist es so, dass das Geld viel weniger ist als das, was wir mit einem normalen Studentenjob hätten erwirtschaften können. Auch jetzt, nachdem das Buch raus ist. Ich kann das schlecht einschätzen, aber am Ende kommt vielleicht ein Stundenlohn von 50 Cent dabei raus. Es ist natürlich spannend, was wir da mitgemacht und erlebt haben. Aber finanziell gelohnt hat es sich bisher nicht.
Morgenpost Online: Wäre die Idee, eine Online-Erbenvermittlung zu starten, langfristig ein Coup gewesen?
Feller: Ich habe am Anfang fest dran geglaubt. War Feuer und Flamme, aber nach zwei Tagen Recherche war mir klar, warum das noch keiner gemacht hat: Es geht rechtlich nicht. Man kann in Deutschland niemanden enterben und das Erbe fremden Menschen vermachen.
Morgenpost Online: Gab es einen Punkt, an dem ihr das Experiment abbrechen wolltet?
Feller: Ja, schon. Als wir plötzlich die massive Berichterstattung hatten und dann ganz viele Reaktionen kamen. Auch Beleidigungen. Das war ein Punkt, an dem es persönlich wurde. Aber wir hatten uns ja vorher überlegt, das Projekt öffentlich zu machen.
Flechsig: Manche Leute haben gedacht, wir machen jetzt mit dem Geld den fetten Reibach und waren schon sauer auf uns, ohne dass wir überhaupt Geld hatten. Da kamen E-Mails mit Aussagen wie „ihr haltet euch wohl für was Besseres“ und solche Sachen.
Morgenpost Online: Waren es Hartz IV-Empfänger, die so verschnupft reagiert haben?
Flechsig: Nee, überhaupt nicht. Zu dem Thema fällt mir die Reaktion von einem ein, der schrieb, selbst Hartz IV-Empfänger zu sein. Der fand unser Projekt so super, dass er uns sogar 1,44 Euro gespendet hat. Ich glaube, dass die Leute, die uns kritisiert haben, weil wir angeblich Hartz IV-Empfänger diffamieren wollten, gar nicht aus der Ecke kamen.
Morgenpost Online: Berlin ist ja eine Stadt mit einer hohen Durchknallerquote. Hättet ihr das Projekt auch in einer anderen Stadt gemacht – zum Beispiel in München?
Flechsig: Wahrscheinlich wäre das sogar besser gewesen. Weil dort weniger durchgeknallte Leute herumlaufen, und wir eher aufgefallen wären. Ich fand es schon beachtlich, dass man oft völlig ignoriert wird – selbst wenn man im Eisbärenkostüm in die U-Bahn steigt.
Morgenpost Online: Habt ihr weniger Zukunftsangst nach dem Projekt?
Feller: Auf jeden Fall. Ich denke inzwischen, irgendwas geht immer. Ich bin selbstständig und hab natürlich auch Durststrecken und weniger zu tun. Aber ich bin gelassener geworden. Vor unserem Projekt bin ich doch nervös geworden, wenn ich kein Geld auf dem Konto hatte. Heute stresst mich das nicht mehr so sehr.
Flechsig: Ich bin ja angestellt. Aber sollte ich mal gekündigt werden, dann weiß ich, dass ich mich irgendwie durchschlagen kann. Auch wenn ich damit vielleicht kein Vermögen verdienen würde.
Morgenpost Online: Habt ihr Stellenangebote bekommen nach der Veröffentlichung des Buchs?
Feller: Nee, es ist jetzt nicht so, dass eine Agentur auf uns zugekommen wäre und gesagt hätte, wir wollen jetzt unbedingt eure Ideen. Aber ganz ehrlich – das hätten wir auch gar nicht gewollt.
Morgenpost Online: Monatelang habt ihr nur über Geld nachgedacht. Wie hat sich euer Verhältnis zu Geld in der Zeit verändert?
Flechsig: „Klar, Geld ist ne ganz gute Sache. Man muss seine Miete bezahlen. Aber eigentlich ist es auch ein bisschen egal. Ich hab gemerkt, dass ich persönlich jetzt nicht unbedingt ganz reich werden muss, um klar zu kommen. Ich muss in zehn Jahren nicht den Top-Verdienst haben, um glücklich zu sein. Das geht auch mit weniger.
Morgenpost Online: Bitte noch einen Tipp für unsere Leser: Was ist der ultimative Studentenjob?
Feller: Das Ultimativste ist immer noch irgendwas mit Sex. Ich glaube, wenn man getragene Unterwäsche verkaufen kann oder Telefonsex, ist es schon mal nicht schlecht. Das ist als Mann natürlich schwierig…
Flechsig: Aber als Mann kann man, wenn man ein bisschen ein Händchen dafür hat, auch was mit Aktien machen. Allerdings braucht man dazu natürlich Startkapital und muss im Notfall auf das Geld verzichten können.
Morgenpost Online: Oder man schreibt ein Buch?
Flechsig: Richtig. Oder man schreibt ein Buch .
Morgenpost Online: Werdet ihr jetzt reich?
Feller: Na hoffentlich! Dann können wir die Fragen auch das nächste Mal anders beantworten, und müssen nicht sagen, dass uns das Geld eigentlich egal ist.
Yvonne Feller (27) hat Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste in Berlin studiert. Sie arbeitet als Freelancerin in Berlin. Florian Flechsig (30) lebt und arbeitet als Grafikdesigner in Berlin. Er hat eine Stelle in einer Agentur. Ihr Diplom-Selbstversuch „Wir sind jung und brauchen das Geld“ ist im Januar bei DTV erschienen und kostet 13,90 Euro.