Consumer Electronics Show

Microsoft kapituliert vor Apples iPad-Erfolg

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Lars Winckler

Der Softwarekonzern gibt erstmals einen Ausblick auf das nächste Windows. Doch das bedeutet auch: Der Angriff auf das iPad fällt aus.

Es ist die große Gelegenheit. Eine ganze Branche zeigt in Las Vegas, wie sie den Erfolg von Apples iPad kopieren will. Dutzende Klone stehen in den Startlöchern, darunter äußerst viel versprechende. Microsoft-Chef Steve Ballmer darf die Eröffnungsrede der Consumer Electronics Show (CES) halten. Eine Steilvorlage. Doch was macht Ballmer? Er redet über Handys, über Spielkonsolen, über Notebooks. Nur über Tablet-PCs verliert er praktisch keine Silbe.

Offenbar aus gutem Grund. Microsofts oberster Manager weiß, dass er Apple auf diesem Gebiet kaum etwas entgegenzusetzen hat. Kein Betriebssystem, das es mit dem des iPad aufnehmen kann. Das aktuelle Windows 7 mag auf einem Computer zur Höchstform auflaufen. Für einen Tablet-PC ist es denkbar ungeeignet.

Die CES liefert dafür viele Belege. Hersteller wie Asus oder Lenovo haben Microsofts wichtigste Sofware zwar in ihre Tablets eingebaut. „Diese Geräte haben aber das Problem, dass sie mit der Windows-7-Oberfläche viel zu schlecht zu bedienen sind, vor allem wegen der winzigen Symbole“, sagt Andreas Brohme von der Computerbild. Die Hersteller versuchen deswegen zwanghaft, den iPad-Effekt doch noch irgendwie zu simulieren. Etwa durch extra große Symbole, die mit dem Finger bedient werden können. „Ein solches übergestülptes System kostet allerdings Rechenpower“, so Brohme. Zudem schimmert immer wieder die bekannte Windows-Oberfläche durch, die für die Bedienung mit Maus und Tastatur gemacht ist.

Immerhin eine Handschrifterkennung liefert Microsoft mit. Doch das ist zu wenig. Für den US-Konzern ist der Auftritt von Ballmer peinlich, weil man ganz offensichtlich nicht aus Fehlern gelernt hat. Seit mehr als einem Jahrzehnt versucht Microsoft, den Kunden die eigene Tablet-Vision zu verkaufen. Jahr für Jahr scheitert der Konzern, weil die Bedienung der von herkömmlichen Computern zu ähnlich ist. Apple-Chef Steve Jobs hatte das erkannt. Er speckte die Technik des iPads radikal ab – und feiert seitdem Erfolge. Mehr als zehn Millionen soll sich das Gerät seit seinem Marktstart vor zehn Monaten verkauft haben. Alles Kunden, die sich zurücklehnen und digitale Magazine lesen, Fotos oder Videos anschauen wollen. Bloß nicht damit arbeiten.

Jobs’ Erfolgsgeschichte dürfte in diesem Jahr weiter gehen. Branchengerüchten zufolge wird Apple noch im Januar das iPad 2 ankündigen. Es dürfte die lang ersehnte Kamera bekommen, mit der Videotelefonate geführt werden können. Apple nennt das „Facetime“. Auch der Bildschirm wird wohl verbessert, soll Videos und Bilder schärfer wiedergeben und vielleicht auch besser im Sonnenlicht lesbar sein.

Derzeit hat Apple nur einen Gegner zu fürchten: Google. Der Internet-Konzern bastelt emsig daran, sein Handy-Betriebssystem Android für Tablets fit zu machen. Codename des Projekts: Honeycomb („Honigwabe“). Noch im ersten Quartal soll es fertig sein. Auf der CES zeigt sich, dass die Mehrheit der Hersteller auf Google setzt. Beispiel Asus: Drei Android-Tablets steht nur eines mit Windows 7 gegenüber. Und das ist mit rund 1000 Dollar gleich noch das teuerste. Ein Grund dafür: Google verschenkt sein Betriebssystem. Microsoft nicht. Vor allem aber besitzt Google die passende Antwort auf den beliebten App Store von Apple.

Apps – das sind die Mini-Programme, die meist wenig kosten, einfach zu bedienen sind und die Tablets erst richtig zum Laufen bringen. Beobachter sind sich sicher, dass es bei Google schon bald fast alle Apps zu kaufen gibt, die die Kunden vom iPad kennen. Microsoft kann dem noch nichts entgegen setzen. All das kennt man – aus der Welt der Smartphones. Dort sind die Unterschiede zwischen der Apple- und der Google-Welt inzwischen marginal. Die Handys sind technisch praktisch ebenbürtig, die Zahl der Apps nähert sich immer weiter an. Weil Google zahlreiche Dritthersteller auf seiner Seite hat, ist es nach Marktanteilen inzwischen an Apple vorbeigezogen.

Microsoft versucht mühsam, mit Windows Phone 7 Anschluss zu finden, ist aber viel zu spät gestartet. Die Frage ist nun: Wiederholt sich die Geschichte bei den Tablets? Analysten streiten derzeit heftig darüber, wie sich der Markt entwickelt. Die Optimisten glauben an bis zu 90 Millionen verkaufter Geräte in diesem Jahr. Zum Vergleich: 2009 wurden weltweit 308 Millionen Computer verkauft, Schreibtischrechner und Notebooks zusammengenommen. Shawn DuBravac, Chefanalyst der CES, glaubt deswegen nicht an die kühnen Prognosen seiner Kollegen: „Diese Produktionskapazitäten gibt es doch gar nicht“. Im besten Fall dürften es seiner Meinung nach 30 Millionen Tablets werden. Diese Zahl klingt schon deutlich bescheidener – und könnte bedeuten, dass Microsoft noch etwas Aufschub erhält.

Eine Prognose hat sich bereits als falsch erwiesen: Es gibt keinen Verdrängungskampf zwischen Tablets und E-Book-Lesegeräten. Im Gegenteil: DuBravac rechnet damit, dass von ihnen im kommenden Jahr 19 Millionen Stück verkauft werden. Dazu passt eine Zahl von JPMorgan. Laut einer Umfrage besitzen 40 Prozent aller iPad-Kunden in den USA auch das E-Book Kindle von Amazon. Weitere 23 Prozent wollen sich demnächst einen zulegen. Offenbar bedient das iPad doch nicht alle Bedürfnisse. Vor allem die spiegelnde Oberfläche stört viele Kunden, im Sonnenlicht lässt sich kaum etwas erkennen. Möglichkeiten, Apple noch das Wasser abzugraben, gibt es also durchaus.

Immerhin spricht Steve Ballmer auf der CES ominös vom „nächsten Windows“, an dem man gerade arbeite. Das dürfte 2012 erscheinen und soll mit einer neuen Generation von winzigen Computerchips zusammenarbeiten. Die Folge: Die Rechner werden stromsparender und kleiner. Ballmer prophezeit: „Welches Gerät du auch nutzen wirst, Windows wird drauf sein“. Was sich dann doch noch nach einer verspäteten Tablet-Offensive anhört.