"The Social Network"

Was Aigner über Facebook-Gründer Zuckerberg denkt

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Foto: AP, dpa / dpa

Ilse Aigner hat sich für uns den Facebook-Film "The Social Network" angeschaut und bemitleidet jetzt Gründer Mark Zuckerberg.

Am Anfang des Films steht das Ende einer Beziehung. Einer realen Beziehung. Mark Zuckerberg traktiert seine Freundin mit absurden Theorien, bis sie ihm entnervt den Laufpass gibt. Gleich die erste Szene von „The Social Network“ lässt den Zuschauer etwas ratlos zurück: Wer ist der junge Mann, den sie Mark nennen, der sich ständig um Kopf und Kragen redet?

Der jüngste Milliardär der Welt – ein armer und doch hochbegabter Mensch. Das ist der Eindruck, der am Ende bleibt: Was für ein unglaubliches Genie! Und, wenn nur ein kleiner Teil des Gezeigten stimmt, irgendwie auch ein bemitleidenswerter Kerl.

Zuckerberg, Siegertyp und Loser zugleich. Nach seiner Freundin sucht auch sein einziger Freund das Weite. Nicht zu Unrecht, nebenbei bemerkt. Und doch wirkt die Einsamkeit und Verzweiflung des Genies beklemmend. Glaubt man dem Film, scheint Zuckerberg nicht gerade prädestiniert zu sein für gute Freundschaften.

Europa-Chef beantwortet Protestbrief

Klar, Kontakte im Netz sind einfacher: Man lebt dort in der Illusion, viele Freunde zu haben, kann dabei aber unverbindlich bleiben und auf Distanz. Für mich zeichnet sich eine echte Freundschaft aber dadurch aus, dass man sich aufeinander verlassen kann, dass man füreinander einsteht und Nähe zulässt. Das geht im Netz einfach nicht.

Ich selbst habe Mark Zuckerberg nie kennengelernt. Den offenen Brief, den ich aus Protest gegen die immer größer werdenden Lücken beim Datenschutz geschrieben habe, hatte ich zwar an ihn als Chef des Konzerns adressiert – jedoch nicht in Erwartung einer persönlichen Antwort, sondern im Bestreben, eine öffentliche Diskussion zu führen.

Die Resonanz war erstaunlich positiv, die Debatte ging weit über die Grenzen Deutschlands hinaus, und nach nur zwei Tagen kam auch eine Mail von Facebook. Geantwortet hat mir der Europa-Chef, ein Mann, mit dem man ganz vernünftig über Datenschutz diskutieren kann. Zuckerberg kenne ich nicht, insofern verbietet sich für mich jedes Urteil über die Frage, inwieweit die fiktive Filmfigur der realen Person ähnelt.

"Gefällt mir" verändert die Welt

Was ich bei „The Social Network“ vermisst habe, ist die Faszination, die von Facebook ausgeht. Die Bandbreite der Kommunikation, die dieses Medium bietet, ist ja unglaublich. Gleichzeitig ist Facebook ein beeindruckendes Geschäftsmodell, eine Art globales Meinungsforschungsinstitut, das durch immer neue Innovationen immer profitabler wird. Durch die Einführung des „Das gefällt mir“-Buttons kann man den Mainstream beeinflussen.

Die Menschen kaufen Dinge, weil Freunde oder Freunde von Freunden sie gut finden. Ein faszinierendes Massenphänomen. Gleichzeitig wächst die Zahl der Kritiker, die dieses Netz für beängstigend halten. Man muss sich einmal die Dimension vergegenwärtigen, die Facebook erreicht hat: Im weltgrößten sozialen Netzwerk sind rund 500 Millionen Nutzer angemeldet – so viele Menschen, wie in allen Rathäusern der 27 EU-Staaten registriert sind. Mit dem Unterschied, dass die Meldeämter keine Partyfotos, keine Privatkontakte, keine Hobbys speichern, geschweige denn im Internet vermarkten.

Facebook lebt davon, persönliche Daten verfügbar zu machen. In seltsamem Kontrast dazu steht, wie Zuckerberg und seine Facebook-Kollegen die eigene Privatsphäre schützen. Versuchen Sie doch mal, auf den Facebook-Seiten eine Telefon- oder Faxnummer zu finden oder Mailadressen des Managements. Fehlanzeige.

Hilft der "digitale Radiergummi"?

Als ich mich damals entschloss, einen offenen Protestbrief an Mark Zuckerberg zu schreiben, fragte ich mich, wohin ich ihn schicken sollte. Am Ende hat er den Brief per Luftpost bekommen, an die Firmenadresse in Kalifornien. Richard Allan, der Europa-Chef, ist dann nach Berlin gereist, um sich der Kritik zu stellen. Doch meine Bedenken konnte er nicht ausräumen. Deshalb habe ich mich entschieden, meinen Account zu löschen, obwohl ich früher viel Freude an Facebook hatte. Aber ich wollte und konnte als Verbraucherschutzministerin nicht länger Mitglied eines Netzwerks sein, das die Privatsphäre seiner Mitglieder nicht mehr respektiert.

Ich will niemandem Vorschriften machen, ob und wie viel er von sich im Internet preisgibt. Im Gegenteil: Wer sich jeden Tag ins Schaufenster stellen will, soll dies tun. Aber jeder muss dabei jederzeit die Kontrolle über seine Daten behalten, über Fotos, Nachrichten, Adressen. Jeder muss wissen, was mit seinen persönlichen Daten passiert. Und jeder sollte die Freiheit haben, nicht im Netz aufzutauchen.

Gegenwärtig suchen IT-Entwickler nach einer Möglichkeit, wie Nutzer einmal ins Netz gestellte Bilder und Nachrichten nachträglich wieder löschen können. Etwa durch einen „digitalen Radiergummi“, was technisch aber nicht so einfach ist. Eine andere Möglichkeit könnte ein automatisches Verfallsdatum sein. Dazu wird mein Ministerium einen Forschungsauftrag vergeben.

Ist Privatleben ein Relikt vergangener Zeiten?

Es kann doch nicht die Lösung sein, irgendwann eine neue Identität annehmen zu müssen, nur um den Nachrichten und Bildern zu entkommen, die man früher einmal ins Netz eingestellt hat. Das weiß auch Google-Chef Eric Schmidt. Von ihm stammt der sicher nicht ganz ernst gemeinte Vorschlag, mit Erreichen der Volljährigkeit den Namen zu wechseln, um virtuelle Jugendsünden hinter sich zu lassen.

Es gibt einen bemerkenswerten Satz in „The Social Network“. Er ist nicht der Figur Zuckerberg zugeschrieben, sondern Justin Timberlake, der den „Napster“-Gründer Sean Parker spielt: „Privatleben ist ein Relikt vergangener Zeiten.“ Der echte Mark Zuckerberg hat sich ähnlich geäußert und zu Recht breiten Widerspruch ausgelöst. Ich – und damit bin ich nicht allein – möchte nicht, dass künftig andere darüber entscheiden, wie öffentlich mein Privatleben ist.

Gewiss, gerade junge Leute gehen freizügiger mit ihren Daten im Netz um – oft im falschen Glauben, es würde unter Freunden bleiben. Wer sich in einem sozialen Netzwerk anmeldet, geht oft davon aus, dass es sich um einen geschlossenen Raum handelt. Eigentlich sollte man sich darauf verlassen können, dass die Fenster und die Türen nicht klammheimlich vom Betreiber geöffnet werden – etwa durch eine Änderung der allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Einer kann nicht über den Film lachen

Facebook ist früher, anders als der Film vermittelt, verantwortungsbewusster mit den Daten seiner Mitglieder umgegangen. Doch mit der Zeit wurden immer mehr Verknüpfungen zugelassen, die dem Konzern höhere Werbeeinnahmen und Marktanteile sichern. Da war für mich als Verbraucherschutzministerin die rote Linie überschritten.

Natürlich ist es das Geschäftsmodell von Internet-Unternehmen wie Facebook, möglichst viele Nutzerdaten zu sammeln und mit diesen dann Geld zu machen. Nichts im Netz ist umsonst – überall bezahlen wir mit unseren Daten. Da darf man sich keine Illusionen machen.

Obwohl der Film ja ein anderes Motiv für die Gründung von Facebook unterstellt: Dort ist es der Versuch spätpubertärer Studenten, sich Geltung zu verschaffen, um besser bei den Frauen anzukommen. Hier driftet der teils langatmige Film ins Komische ab. Einer kann bestimmt nicht darüber lachen.

Zerrbild begleitet bis zum Lebensende

Zuckerberg wird in dem Film als karriere- und rachsüchtiger Internet-Freak dargestellt. Ein selbst für Hollywood einmaliger Akt der Ächtung – zumal wir es mit einem 26-Jährigen zu tun haben, über den sich kein Autor wirklich ein Urteil erlauben kann.

So ist der Film durchaus eine Analogie zu sozialen Netzwerken. Auch dort äußern sich Menschen teilweise in verletzender Weise über andere, ohne dass diese Schmähungen je wieder zurückgeholt werden können. Durch „The Social Network“ entsteht ein Bild eines Menschen, das vielleicht überhaupt nicht der Realität entspricht, das diesen aber bis an sein Lebensende begleiten wird.

Aufgezeichnet von Miriam Hollstein