Das Europäische Parlament will möglicherweise schon bald versuchen, einheitliche Arzneimittelpreise in ganz Europa durchzusetzen. „Auf Dauer brauchen wir Arzneimittelpreise, die für ein bestimmtes Medikament in der gesamten Europäischen Union gelten“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen Mehrheitsfraktion im Abgeordnetenhaus, Peter Liese (CDU).
Laut Liese gehört Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Arzneimittelpreisen, viele Medikamente seien 70 Prozent teurer als in Nachbarstaaten. „In Deutschland kostet ein Mittel zur Behandlung von Multipler Sklerose 1429 Euro, das gleiche Mittel kostet in Portugal nur 826 Euro“, erklärte Liese, der selbst Mediziner ist.
Nach Angaben des Gesundheitsexperten könnten die Pharmaunternehmen ihre Produkte im Ausland nur deshalb so billig verkaufen, weil sie in Deutschland hohe Preise erzielen können. Es handle sich letztlich um eine Mischkalkulation. „Die gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland, die zum Beispiel in die AOK einzahlen, finanzieren mit ihren Beiträgen niedrige Preise auch für Millionäre in Südeuropa“, sagte die EU-Abgeordnete Anja Weisgerber, die im Parlament für Verbraucherfragen zuständig ist.
Liese und Weisgerber fordern, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur in London die Preise für ein Medikament in ganz Europa festsetzt. „Dies könnte in Deutschland zu einer Beitragssenkung von bis zu 0,3 Prozentpunkten führen“, so Liese. Außerdem würde dies die Industrie entlasten. „Derzeit benötigen die Pharmafirmen ganze Stäbe von Mitarbeitern, um die unterschiedlichen Preisregulierungssysteme in den 27 Mitgliedstaaten zu verstehen und zu bearbeiten“, sagt Weisgerber.
Einwände, dass sich Versicherte in Rumänien oder Bulgarien möglicherweise Arzneimittelmittel zu einem einheitlichen europäischen Preis nicht leisten könnten, widersprach Liese: „Arzneimittelpreise sind keine Sozialleistung.“ Deutschland ist neben Malta und Dänemark das einzige Land in der EU, in dem die Arzneimittelpreise noch frei ausgehandelt werden. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will das ändern. „Das eröffnet uns ganz neue Möglichkeiten in Europa“, sagte Liese.