Franz Dühnens neuester Fall ist ein wahres Monster. "Parkgarage mit Waschstraße, drei Etagen, Aufzug", steht auf dem Datenblatt, das der Ingenieur in der Hand hält. Und tatsächlich macht die Immobilie richtig was her: Ein Gebäude mit grauen Stockwerken, gelben Auffahrten und einem blauen Aufzug – natürlich alles aus Plastik und alles in allem nur etwa so groß wie ein Bierkasten. Denn Franz Dühnen ist Experte für Spielzeugsicherheit. Der 48-Jährige arbeitet beim Prüfkonzern Dekra und gehört zu rund 200 Experten hierzulande, die dafür sorgen, dass es unterm Weihnachtsbaum tatsächlich nur schöne Bescherungen gibt.
Die Profis unterziehen jedes Spielzeug auf Wunsch des Herstellers einer rigorosen Sicherheitsprüfung. Und die beginnt schon bei der Verpackung. "Gibt es ein CE-Zeichen, eine Warnung vor Kleinteilen, ist der Hersteller mit Adresse vermerkt?", rattert Dühnen die einschlägigen Regularien herunter, während er die Verpackung der Parkgarage dreht und wendet. Alles klar. Dann kommt der Inhalt an die Reihe.
Der studierte Werkstoffingenieur nimmt die Plastikbeutel in Augenschein, in denen die Einzelteile der Garage verpackt sind. "Die Folie muss mindestens 0,038 Millimeter dick sein, damit sie sich beim Atmen nicht übers Gesicht zieht", erklärt der Sicherheitsprofi und peilt gleich den nächsten Gefahrenherd an: das Aufzugseil.
"Länger als 22 Zentimeter", erklärt Dühnen mit dem Zollstock in der Hand, "für Kinder unter Drei wäre das nicht zulässig." Strangulierungsgefahr. Doch die Garage ist für größere Parkhausbetreiber gedacht, deshalb kein Problem. Das alles wird der Prüfingenieur freilich noch einmal minutiös nachmessen.
Euro-Norm für Spielzeug
Wie genau, steht in einer Vorschrift mit dem kryptisch-bürokratischen Namen "EN71, Teil 1 bis 11". Diese Norm regelt, was Spielzeuge in Europa alles aushalten müssen, ein Art Brüsseler Version von Murphys Law. "Es geht um die Frage: Was kann im schlimmsten Fall passieren?", erklärt Rainer Weiskirchen, Sprecher bei der LGA, einer Tochter des TÜV Rheinland, dem deutschen Marktführer bei Spielzeugprüfungen.
Als erstes nehmen die Experten die Mechanik unter die Lupe. Für einen Teddybären zum Beispiel heißt das: die berüchtigte Zerreißprobe steht an. Das Auge muss einen Zug von 90 Newton aushalten, die Nähte 70 Newton. Dann folgt die chemische Untersuchung, im Fall des Plüschtiers unter anderem die so genannte Migrationsprüfung. "Welche Stoffe kommen aus dem Fell, wenn daran gelutscht wird", erläutert LGA-Mann Weiskirchen. Sollte der Bär obendrein noch Geräusche von sich geben, wird von den Experten außerdem noch untersucht, ob er die jeweiligen Lautstärke-Grenzwerte einhält. Stecken Elektronik und Batterien im Bauch des Stofftieres, werden auch diese Innereien von den Profis ordnungsgemäß unsachgemäß behandelt. "Wir hatten schon Fälle, in denen das Spielzeug schmolz, wenn die Batterien falsch eingesetzt wurden", erinnert sich Weiskirchen. Solche Exemplare landen in der so genannten Schreckenskammer der LGA.
Die Qualifikationen sind vielfältig
So vielfältig wie die verschiedenen Foltermethoden sind auch die Qualifikationen der Prüfer. Unter den Sicherheitsprofis finden sich Maschinenbauer, Feinwerk- und Verfahrenstechniker. Ein technisches Studium ist keine zwingende Voraussetzung für den Beruf des Spielzeugprüfers, verbessert aber die Karrierechancen, genau wie Erfahrungen mit Prüftechnik. In Zukunft könnte es in der Branche übrigens auch Chancen für Nicht-Techniker geben. Der TÜV weitet nämlich seine Dienstleistungen aus: "Es gibt seit Kurzem auch eine Spezialistin im Team, die Spielwaren nach pädagogischen Gesichtspunkten bewertet", berichtet Weiskirchen. Derzeit umfasst das Prüfteam etwa 60 Mitarbeiter.
Selbst Kinder zu haben, ist weder beim TÜV noch bei der Dekra eine Einstellungsvoraussetzungen. Es schadet allerdings auch nicht. Der Prüfer wisse dann, was Kinder mit Spielzeug alles anstellen, sagt Dekra-Ingenieur Dühnen und lacht. "Selbst die beste Norm deckt nicht alles ab."