Deutsche machen wieder mehr Urlaub im eigenen Land. Gefragt sind vor allem die Hotels an Kurorten. Aber nicht alle sind auf dem neuesten Stand. Viele Orte besitzen noch abgewirtschaftete Badeeinrichtungen auf dem Stand der 70er-Jahre. Gewinner sind die Kurorte aus Bayern.

Trendwende am Urlaubsmarkt: Statt an Mittelmeerstränden in der Sonne zu liegen, setzen immer mehr Deutsche auf Fitness und Wellness im eigenen Land. Davon profitiert vor allem die Hotellerie in den Heilbädern. „Der boomende Gesundheitstourismus verschafft den deutschen Kurorten wieder Hoffnung auf eine Zukunft“, sagt Dirk Feid, Geschäftsführer des Hotellerie-Beratungsunternehmens Treugast. 101,3 Mio. Übernachtungen registrierte der Deutsche Heilbäderverband im vergangenen Jahr in den rund 300 deutschen Kurorten und Heilbädern.

Das entspricht einem Plus von 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr und dem ersten signifikanten Anstieg der Übernachtungszahlen in einem jahrelangen Abwärtstrend. Noch 2001 wurden mehr als 105,6 Mio. Übernachtungen in den Gesundheitsorten gezählt. Mit dem wirtschaftlichen Abschwung nach dem Börsencrash im gleichen Jahr ging es auch mit den Gästezahlen in den Kurorten abwärts. 2005 verzeichnete der Heilbäderverband nur noch 97,7 Mio. Übernachtungen – 7,5 Prozent weniger als vier Jahre zuvor.


Für die Trendwende sehen Experten mehrere Ursachen. „Den Kurorten kommt zugute, dass immer mehr Deutsche Urlaub im eigenen Land machen, weil die Kosten hier inzwischen oftmals niedriger sind als in klassischen Ferienländern“, sagt Carsten Brinkmann, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Terranus. Die aktuelle Fitness- und Wellness-Welle würde dabei dazu führen, dass Kurorte als Urlaubsdestination besonders nachgefragt werden. „Die Hotellerie in diesen Orten profitiert davon, dass viele Urlauber mit Heilbädern auch Fitness- und Wellness-Angebote verbinden.“

Wie stark der Gesundheitstrend ist, zeigt eine Untersuchung des Deutschen Wellness-Verbandes (DWV). Danach stieg der Umsatz in der Branche in den vergangenen fünf Jahren um jeweils fünf Prozent pro Jahr auf inzwischen fast 78 Mrd. Euro. Zudem profitieren die Kurorte und ihre Reha-Kliniken von der Gesundheitsreform. Seit dem 1. April 2007 sind die Krankenkassen verpflichtet, Mutter- oder Vater-Kind-Kuren als Regelleistung anzubieten. „Früher lag es im Ermessen der Krankenkasse, ob eine solche Rehabilitationsmaßnahme genehmigt wird“, erläutert Carsten Körner, Klinikexperte bei Terranus. „Seit dem vergangenen Jahr müssen die Kassen zahlen, wenn die medizinischen Voraussetzungen erfüllt sind.“ Welche Folgen dies hat, zeige ein Blick auf die Aufwendungen der Krankenversicherer. Im ersten Halbjahr nach Einführung der neuen Regelung seien die Ausgaben der Kassen für diese Kuren um über 16 Prozent gestiegen.

Belegungen in Reha-Kliniken steigen wieder



Darüber hinaus trug der wirtschaftliche Aufschwung dazu bei, dass wieder mehr Arbeitnehmer Kuraufenthalte in Anspruch nehmen. Brinkmann: „Seit 2006 sind die Belegungszahlen der Reha-Kliniken um rund zehn Prozent gestiegen.“ Dieser Trend werde aber bei einem wirtschaftlichen Abschwung kippen. „Sobald die Beschäftigten wieder verstärkt um den Verlust ihres Arbeitsplatzes fürchten müssen, wird die Nachfrage nach Kuren deutlich zurückgehen.“

Um erfolgreich am Markt zu bestehen, müssen die Heilbäder und ihre fast ausschließlich mittelständisch geprägte Hotellerie deshalb der kommenden Krise vorbeugen. Wie die Kurorte erfolgreich Gäste gewinnen können, hat die Beratungsgesellschaft Treugast in ihrem neuen Branchenreport untersucht. Das Ergebnis: Mit einer klaren Positionierung, innovativen Angeboten und einer kontinuierlichen Qualitätssteigerung lassen sich die größten Erfolge erzielen. Das größte Hindernis auf dem Weg zum Erfolg sei dabei der Investitionsstau der vergangenen Jahrzehnte, meint Treugast-Präsident Stephan Gerhard. „Viele Gemeinden besitzen noch abgewirtschaftete Badeeinrichtungen auf dem technischen Stand der 70er-Jahre, die hohe laufende Kosten verursachen.“

Kurorte müssen sich deutlich positionieren

Als Beispiele für erfolgreiche Kurorte nennt die Treugast-Studie unter anderem Prien am Chiemsee und Bad Wörishofen. „Prien hat sich neben seinem gesundheitstouristischen Angebot mit einem hochwertigen Kulturprogramm weit bekannt gemacht und damit neue Gäste gewonnen“, sagt Gerhard. Bad Wörishofen im Unterallgäu wiederum profitiert vom Pfarrer und Hydrotherapeuten Sebastian Kneipp, der hier seine Wassertherapie entwickelte. In den vergangenen Jahren hat die „Gesundheitsstadt“ – so der eigene Werbeslogan – ihr Angebot kontinuierlich mit Nordic-Walking, Aromatherapie und Stressbewältigungsseminaren ausgebaut. In diesem Jahr kam noch eine Sole-Inhalationsanlage hinzu, mit der Kurgäste und Urlauber Bronchialleiden mildern und ihr Nervensystem stärken können.

Dass ein Heilbad durch eine deutliche Positionierung und immer neue Angebote im Wettlauf mit den Konkurrenzstädten profitiert, lässt sich aus der Treugast-Studie ebenfalls ablesen: Danach konnten die fünf Kurorte mit den höchsten Kennzahlen im Innovationsranking ihre Bettenauslastung in den Jahren 2002 bis 2006 um 13,5 Prozentpunkte stärker steigern als die fünf Schlusslichter im Branchenvergleich. Gerhard: „Nachhaltigen Erfolg verzeichnen Kurorte nur, wenn sie den Mut zu Investitionen aufbringen.“

Die Münchner Beratungsgesellschaft Treugast hat bei ihrem Innovationsranking erstmals untersucht, wie attraktiv 116 deutsche Kurorte für Urlauber sind und über welche Entwicklungskraft sie verfügen. Das Ranking soll eine Entscheidungshilfe bieten für Banken bei der Kreditvergabe sowie für Investoren und Projektentwickler bei der Beurteilung der einzelnen Standorte.