Den Banken stehen nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Finanzkrise noch erhebliche Belastungen bevor. Abschreibungen und Verluste an den Kreditmärkten summierten sich bisher in Europa auf 358 Milliarden US-Dollar, sagte EZB-Vizepräsident Lucas Papademos bei einer Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments in Straßburg. "Leider sind in den kommenden Quartalen weitere Abschreibungen zu erwarten.“ Der Internationale Währungsfonds beziffere die zu erwartenden Abschreibungen seit Ausbruch der Krise weltweit auf 2,8 Billionen Dollar, wobei auf die europäischen Banken 737 Milliarden entfallen sollen.
"Mit diesem Stress fertig zu werden, wird eine besondere Herausforderung für die Finanzinstitute sein“, warnte Papademos. Ein Risiko für die Banken sei, dass die Rezession schlimmer werden und länger dauern könnte. Die Wirtschaftskrise werde die Qualität der Kredite an die Unternehmen verschlechtern. Im ersten Quartal dieses Jahres sei das Bruttoinlandsprodukt im Euro-Raum wohl deutlich geschrumpft. Die EZB rechnet erst im kommenden Jahr mit einer schrittweisen Erholung. Auch die starken Kursschwankungen an den Finanzmärkten machten den Banken zu schaffen. Ob die milliardenschweren Rettungsschirme der Regierungen wirkten, sei bisher noch nicht abzuschätzen.
Die EU plant als Konsequenz aus der Finanzkrise eine Reform der Finanzaufsicht, bei der die bisher national zersplitterte Kontrolle von Banken oder Versicherungen besser vernetzt werden soll.
Die EZB soll dabei eine wichtige Rolle spielen und ein neues Gremium leiten, das die Risiken für die Finanzinstitute gesamtwirtschaftlich beobachten und Frühwarnungen abgeben soll. Papademos forderte, dass dieser Rat für Systemrisiken über ausreichende Kompetenzen verfügen müsse, damit auf seine Warnungen auch Taten folgten. „Die Zeiten, da vor Risiken gewarnt wurde und nur wenige zuhörten oder zuhören wollten, sollten vorbei sein.“
Eine solide Rechtsbasis für den Rat sei notwendig, damit dieser Zugang zu allen notwendigen Informationen erhalte. Die EZB hatte schon Jahre vor dem Ausbruch der Krise auf die wachsenden Gefahren am Kreditmarkt hingewiesen, hatte damit aber wenig Gehör am Banken- und Finanzmarkt gefunden.
Hinsichtlich der Perspektiven für die Preisentwicklung sei eine weitere Lockerung der Geldpolitik nicht auszuschließen, sagte Papademos. Das jetzige Zinsniveau von 1,25 Prozent sei nicht die Untergrenze. „Aber wir sind nicht so weit davon entfernt.“ Die EZB rechne damit, dass die Teuerungsrate bis ins kommende Jahr hinein unter ihrer Zielmarke von knapp zwei Prozent verharren wird. Mitte des Jahres seien negative Teuerungsraten zu erwarten.
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