Recyclingunternehmen

Für Alba-Chef Schweitzer riecht Müll sinnlich

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Hans Evert

Foto: Amin Akhtar

Normalerweise ist Eric Schweitzer, Chef des Berliner Entsorgers Alba, in einem Audi unterwegs. Für Morgenpost Online setzte er sich hinter das Steuer eines Müllwagens - und sprach über den Reiz des Rohstoffs Abfall, die Konkurrenz und schmutzige Jobs.

Morgenpost Online: Herr Schweitzer, können Sie den Wagen überhaupt starten?

Eric Schweitzer: Aber sicher. Moment, so. Motor läuft, es kann losgehen. Schnallen Sie sich an.

Morgenpost Online: Auf jeden Fall. Sie sind schließlich seit Jahren nicht Lkw gefahren.

Eric Schweitzer: Das dürfte in der Tat zehn Jahre her sein. Aber das verlernt man nicht. Oh, gucken Sie mal nach rechts. Ist da genug Platz?

Morgenpost Online: Halber Meter, sieht gut aus.

Eric Schweitzer: Okay. So. Super Blick von hier oben, oder?

Morgenpost Online: Stimmt. Aber der Gestank vom Müll Ihrer Sortieranlage liegt noch in der Luft. Nehmen Sie den noch wahr?

Eric Schweitzer: Natürlich. Ich finde, dass das gut riecht. Er verströmt einen sinnlichen Geruch.

Morgenpost Online: Ist ja auch Ihr Geld, das hier stinkt, Verzeihung, duftet. Sie verdienen Ihr Geld mit Müll. Was war der schmutzigste Job, den Sie je gemacht haben?

Eric Schweitzer: Da muss ich gleich einhaken: Wir verdienen unser Geld mit Wert- und Rohstoffen, die wir aus Abfällen zurückgewinnen. Als Schüler haben mein Bruder und ich schon auf einer Bauschuttdeponie Schrott aussortiert. Mein Vater hatte dort einen Behälter für die Metalle hingestellt und gesagt: „Passt auf, so lernt Ihr, dass das, was andere wegschmeißen, Geld bringt.“ Also haben wir das Metall gesammelt. Abends sind wir damit zum Schrotthändler gefahren. Für drei Tonnen gab es 300 Mark. Das Geld durften wir behalten. So kriegen Sie schnell mit, dass vieles, was Leute wegschmeißen, einen Wert hat.

Morgenpost Online: Als Sohn vom Chef hätten Sie doch auch sauberer arbeiten können.

Eric Schweitzer: Klar. Nur was bringt das, wenn Sie als Schüler oder Student Lieferscheine sortieren? Da macht die körperliche Arbeit oder das Lkw-Fahren mehr Spaß. Und Sie bekommen einen großen Respekt vor der täglichen Leistung der Mitarbeiter.

Morgenpost Online: Den besten Ruf genießt Ihre Branche nicht. Schnell ist von Müllmafia die Rede. Hadern Sie mit dem Image?

Eric Schweitzer: Wenigstens hat meine Frau als Ärztin einen angesehenen Beruf, das hilft meinem angeschlagenen Selbstbewusstsein (lacht). Aber im Ernst: Alba hat einen sehr guten Ruf. Recycling dient dem Schutz der Umwelt und der Schonung unserer natürlichen Ressourcen. Und dafür stehen wir. Außerdem sind wir als Hauptsponsor des Alba-Basketballteams ein eingeführter Markenname. Überlegen Sie mal: Wie würde das Land aussehen, wenn es Unternehmen wie Alba nicht gäbe?

Morgenpost Online: Dennoch, wie steht's mit schmutzigen Tricks im Geschäftsleben?

Eric Schweitzer: Die Marktwirtschaft ist ganz sicher kein Ponyhof. Aber ich habe ein wichtiges Prinzip: Behandle andere so, wie du selbst gern behandelt werden willst. Natürlich, wir wollen uns im Wettbewerb durchsetzen. Dabei gibt es aber Regeln wie Anstand, Verlässlichkeit und Gesetzestreue – und an die halten wir uns. Oh, da ist ein Blitzer? Was glauben Sie, wie schnell wir fahren?

Morgenpost Online: 40 Kilometer pro Stunde?

Eric Schweitzer: Es sind 30. Das tut mir leid für Sie. So bekommen Sie jetzt kein Blitzerfoto, das Sie drucken können. Wie Sie sehen, ich halte mich an die Regeln (lacht).

Morgenpost Online: Ihre Branche hat auch uns Verbrauchern Regeln auferlegt. Wir müssen den Abfall trennen. Stimmt es, dass Ihr Vater das in Berlin einführte?

Eric Schweitzer: Die Regeln macht der Gesetzgeber, nicht wir. Richtig ist, dass mein Vater immer überzeugt war, dass Abfälle Rohstoffe sind. Also hat er in den 70er-Jahren das Berliner Modell mit getrennten Behältern für den Haushalt eingeführt. Daraus wurde ein Erfolgsmodell für ganz Deutschland.

Morgenpost Online: Es passt auch perfekt zu unserem deutschen Ordnungssinn.

Eric Schweitzer: Ganz klar. Das erkennen Sie daran, dass es anderswo, in Südeuropa etwa, länger gedauert hat, Mülltrennung zu etablieren. Wir Deutschen sind nach wie vor Weltmeister darin. Dadurch spart die Industrie pro Jahr mindestens 3,7 Milliarden Euro an Rohstoffimporten.

Morgenpost Online: Haben Sie schon richtige Schätze im Abfall entdeckt?

Eric Schweitzer: Mein Vater hat mal ein Auto gefunden. Er sollte eine Halle abreißen und den Bauschutt entsorgen. Auf dem Gelände stand ein Alfa Spider, Baujahr 63, herum. Der Schlüssel war im Handschuhfach, der Motor sprang noch an.

Morgenpost Online: Haben Sie schon ein Auto im Dreck gefunden?

Eric Schweitzer: Leider nie. Den Trabant, der nach der Wende in einem unserer Container steckte, zähle ich nicht dazu.

Morgenpost Online: Da hat jemand das Prinzip Mülltrennung offensichtlich ignoriert. Mal ehrlich: Brauchen wir die Trennung noch? Die Sortieranlagen werden doch ständig besser.

Eric Schweitzer: Sie versagen jedoch, wenn nasse und trockene Abfälle zusammenkommen. Also sollten wir weiter trennen. Nur so können wir aus Abfall Rohstoffe gewinnen. Bedenken Sie: Im deutschen Hausmüll steckt pro Jahr mehr Kupfer, als in der größten Mine der Welt in Chile pro Jahr gefördert wird. Werfe ich allen Abfall zusammen, kann ich ihn nur verbrennen. Und das ist die denkbar schlechteste Methode.

Morgenpost Online: Private Entsorger stehen ja häufig in Konkurrenz zu kommunalen Betrieben. Wie schmutzig ist der Wettbewerb mit Staatsbetrieben?

Eric Schweitzer: Kommunale Betriebe zahlen oft keine Mehrwertsteuer. Das ist eine ungerechte Subvention. 60 Prozent aller Kommunen in Deutschland beauftragen aber Unternehmen wie uns. Alba entsorgt in Deutschland außerhalb Berlins von 3,5 Millionen Einwohnern den Restabfall und von zwölf Millionen Einwohnern die Gelbe Tonne. Kommunen sind sehr oft unsere Partner.

Morgenpost Online: Hört sich harmonisch an. Aber es ist doch so, dass Kommunen die Entsorgung gern in Eigenregie betreiben oder es gerne wieder täten.

Eric Schweitzer: Wie Sie sich denken können, halten wir wenig davon, Wettbewerb einzuschränken. Es ist äußerst sinnvoll, Abfall und Recycling privatwirtschaftlich zu organisieren. Würde es nur kommunale Unternehmen geben, hätten wir nie eine Recyclingquote von 63 Prozent bei Abfällen erreicht.

Morgenpost Online: So, da kommt die O2 World in Sicht, die Halle, in der Ihr Basketballclub Alba Berlin spielt. Wer entsorgt denn hier und macht die schmutzige Arbeit? Ihr Unternehmen oder die kommunale Berliner Stadtreinigung?

Eric Schweitzer: Raten Sie mal, und beachten Sie dabei bitte, wie sauber es hier ist.

Morgenpost Online: Ich ahne, was Sie sagen wollen. Alba bekommt das besser hin als ein städtisches Unternehmen?

Eric Schweitzer: Vergessen Sie es. Ich sage zu diesem Thema nichts.