Standortverlegung

Warum der Pharma-Riese Pfizer Berlin liebt

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Frank Seidlitz

Foto: dpa / DPA

Das US-Unternehmen Pfizer hat seine Deutschlandzentrale von Karlsruhe in die Hauptstadt verlegt. Mit Morgenpost Online spricht Pedro Lichtinger, Europa-Chef des Pharmakonzerns, über die Vorteile des Gesundheitsstandortes Berlin.

Morgenpost Online: Kann man von Berlin aus besser Medikamente verkaufen als aus Karlsruhe?

Pedro Lichtinger: So einfach ist es nicht. Das sehen sie ja auch schon daran, dass wir die Distribution in Karlsruhe belassen.

Morgenpost Online: Warum dann der kostspielige Umzug in die Hauptstadt?

Pedro Lichtinger: Es war eine strategische Entscheidung. Das Geschäft mit forschungsintensiven Medikamenten hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Früher glich es eher einem Monolog, einem einfachen Prozess aus Nachfrage und Angebot. Das geht heute nicht mehr. Heute ist die Entwicklung und Vermarktung eines neuen Wirkstoffes ein Dialog mit den unterschiedlichsten Partnern in verschiedenen Bereichen, von Biotech-Firmen über Hochschulen, Ärzten bis hin zu Krankenhäusern und Kassen. Berlin bietet für diese Anforderung das beste Profil. Hier finden wir das, was wir brauchen.

Morgenpost Online: Einige Kritiker sagen, dass der Umzug nur dazu diente, die Mitarbeiterzahl zu verringern.

Pedro Lichtinger: Das stimmt nicht. In Berlin werden wir mit 500 Mitarbeitern im Rahmen unserer Planung sein.

Morgenpost Online: Aber der Umzug war für 645 Mitarbeiter angedacht.

Pedro Lichtinger: So viele waren vor über einem Jahr in Karlsruhe von den Umzugsplänen betroffen. Inzwischen haben sich unter anderem Aufgaben im Konzern verlagert. Die Zukunft spielt sich für uns hier in Berlin ab. Und das sehen ja auch Unternehmen aus der Pharma- und Gesundheitsbranche so, auch Konkurrenten von Pfizer.

Morgenpost Online: Sanofi-Aventis und Bayer Schering schätzen auch den kurzen Draht zur Politik.

Pedro Lichtinger: Das ist ein wichtiger Punkt, der sicherlich auch bei uns eine Rolle gespielt hat – wenn auch nur eine untergeordnete. Den Zugang zur Politik hatten wir vorher auch und trotz des Firmensitzes in Karlsruhe funktionierte der Austausch recht gut.

Morgenpost Online: Was erhofft sich Pfizer nun vom Umzug?

Pedro Lichtinger: Ich hoffe, dass die intensivere Zusammenarbeit hier in Berlin zu einer besseren Versorgung der Menschen in ganz Deutschland führen wird. Hier wollen wir uns engagieren. Ein Beispiel: Die Pfizer Foundation wird ein großes Projekt zur Krebsprävention mit einem erheblichen Betrag unterstützen. Es geht darum, Menschen den Ausstieg aus dem Rauchen zu erleichtern.

Morgenpost Online: Das Kerngeschäft scheint derzeit eher Probleme zu bereiten oder warum hat Pfizer in der vorigen Woche einen drastischen Konzernumbau beschlossen?

Pedro Lichtinger: Nein, das Geschäft läuft weiterhin sehr gut. Wir sehen natürlich die Probleme, die auf uns und die ganze Branche zukommen. Wir wollen aber nicht unser komplettes Geschäft umbauen, sondern unsere Forschung und Entwicklung stärker fokussieren. Statt breit aufgestellt zu sein und für jedes große Therapiegebiet Medikamente zu entwickeln, setzen wir nun neue Schwerpunkte.

Morgenpost Online: Woher kommt der Sinneswandel? Schließlich sind die Renditen bei Pfizer immer noch hoch.

Pedro Lichtinger: Wenn wir keine neuen Medikamente auf den Markt bringen, werden wir kein Wachstum mehr haben. Und daher haben wir intern untersucht, in welchen Therapiegebieten es noch wirklich Potenzial gibt, signifikante Verbesserungen für die Patienten zu erzielen und richtungweisende Medikamente auf den Markt zu bringen.

Morgenpost Online: Das Ergebnis?

Pedro Lichtinger: Das haben wir verkündet. Im ganzen Bereich Kardiologie sehen wir derzeit keine nennenswerte Möglichkeit mehr, eine so genannte Sprunginnovation zu erzielen. In der Bekämpfung des Krebs, der Alzheimer-Erkrankung und der Schmerzbehandlung hingegen schon. Daher geben wir die anderen Forschungsbereiche auf und konzentrieren uns auf die erfolgsversprechendsten. Die Folge wird sein, dass wir mehr Geld für die einzelnen Forschungsprojekte haben werden.

Morgenpost Online: Bisher hat Pfizer immer andere Unternehmen übernommen, um neue Medikamente zu erhalten.

Pedro Lichtinger: Wir werden uns sicherlich nicht davon verabschieden, Unternehmen zu kaufen, wenn dies Pfizer nach vorne bringt. In den vergangenen Monaten haben wir ja auch kleine Firmen gekauft.

Morgenpost Online: Die Neuausrichtung birgt aber auch Risiken. Bei Schering hat man gesehen, wie leicht ein Unternehmen bei der Krebsforschung scheitert.

Pedro Lichtinger: Die Medikamente und die Behandlungen werden immer komplizierter und aufwendiger. Aber Pfizer ist da in einer guten Lage: Denn während andere neue Wirkstoffe zukaufen müssen, verfügen wir über einen prall gefüllten Nachschub. Allein im Bereich der Onkologie haben wir 22 Substanzen in der Entwicklung.

Morgenpost Online: Da steht Pfizer komfortabler da als viele Konkurrenten, die über fehlenden Nachschub klagen?

Pedro Lichtinger: Auch bei Pfizer stehen in den nächsten Jahren Medikamente an, deren Patente auslaufen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir einen ausreichend großen Nachschub haben, der ab 2013 neues Wachstum bringt. Zusammen mit der Neuausrichtung auf weniger Therapiegebiete wird Pfizer 2018 ein ganz anderes Unternehmen sein als heute.

Morgenpost Online: Die Finanzkrise schlägt auf andere Industriezweige durch. Merken Sie davon schon etwas?

Pedro Lichtinger: Derzeit noch nicht. Aber die Pharma-Industrie wird sich den Wellen, die die Finanzkrise derzeit schlägt, wohl auch nicht ganz entziehen können. Wir leben ja nicht in einer isolierten Welt. In den Gesundheitsetats der Staaten und der Krankenkassen werden die Turbulenzen sicherlich Spuren hinterlassen.

Mit dem Pfizer-Europachef sprach

Pedro Lichtinger, Pfizer-Europachef, im Interview. Der US-Konzern hat seine Deutschlandzentrale nach Berlin verlegt Fotos: Hans-Christian Plambeck