Es wäre übertrieben zu behaupten, der Chef von Europas höchster Behörde, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, trage seine Gefühle auf dem Gesicht spazieren. Doch wenn der Portugiese besonders erfreut, stolz oder außerordentlich erleichtert ist, zeigt seine Miene ein spezielles, feines Strahlen, so, als könnte er die Welt umarmen.
Mit diesem Gesichtsausdruck trat Barroso in Brüssel vor die Presse. Einen Tag vor dem Herbstgipfel der EU-Regierungschefs wollte sich der 52-Jährige zur Tagesordnung äußern. Dabei war seine Erleichterung, dass die in Paris vereinbarten Maßnahmen zur Finanzkrise für Entspannung gesorgt hatten, mit Händen zu greifen. Zwar warnte er: „Wir sehen Licht, aber das Ende des Tunnels ist noch nicht erreicht.“ Doch kaum verhohlen gestand der Kommissionschef, dass für Brüssel in der Krise auch ein kleiner Triumph liege. „Wenn wir eine wichtige Lehre ziehen, dann diese: Die gemeinsame EU ist unentbehrlich. Kein Land ist gefeit gegen globale Einflüsse.“ Es wäre ein fataler Fehler für alle Regierungen, auf Alleingänge zu setzen.
Die EU-Kommission möchte denn auch die Gunst der Stunde nutzen und einige Verschärfungen in der Finanzpolitik durchsetzen. Denn bisher ist lediglich Europas Geldpolitik europäisiert. Das heißt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt für die EU Zinsen festlegt und die Geldmenge mit dem Ziel der Preisstabilität steuert. Die Finanzpolitik ist aber Sache der Nationalstaaten.
Seit Jahren schon spricht sich Brüssel für mehr Kontrolle aus, und jetzt sieht Barroso die Gelegenheit gekommen, für eine umfassende Reform Pflöcke einzurammen. Schon Anfang nächsten Jahres soll es Vorschläge geben, wie Brüssel die Märkte stärker regulieren und überwachen könnte, sowohl was Banken als auch Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften angeht. Dafür habe er eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Ex-IWF-Direktors Jacques de Laroisière eingerichtet, sagte Barroso. Im Blick hat die Kommission nach eigenem Bekunden vor allem die Bürger, also kleine Unternehmer, die Sparer und Häuslebauer. Alle Maßnahmen, so betonte der Kommissionschef, zielten nicht darauf ab, den Bankern nach ihren Fehlern aus der Patsche zu helfen. Es gehe vielmehr darum, dass auch künftig Kredite für ein Eigenheim oder eine Unternehmensgründung finanzierbar seien. Auch will die Kommission sicherstellen, dass es weiterhin Investitionen etwa in Energiesparmaßnahmen gibt.
In einer Aktion flinker Schadensbegrenzung will Brüssel daher noch heute eine bessere Sicherung privater Spareinlagen vorschlagen. Nach den bisherigen EU-Vorschriften müssen alle Mitgliedsstaaten mindestens einen Betrag von 20?000 Euro gesetzlich absichern. Die EU-Finanzminister haben sich bereits kollektiv dafür ausgesprochen, eine Garantieerklärung für Sparguthaben von 50?000 Euro zu leisten. Anders als bei der deutschen Pauschalgarantie für die kompletten Spareinlagen sei dies auch einklagbar, sagte ein Diplomat. Möglicherweise fordert die Kommission sogar, dass Sparer im Fall einer Bankpleite binnen drei Tagen ihr Geld zurückbekommen.
Zudem will die Kommission die Bilanzregeln für Banken flexibilisieren, um zu verhindern, dass gesunde Vermögen unterbewertet werden. Die Finanzminister hatten dazu geraten, die Bilanzregeln rechtzeitig für die Berichte über das dritte Quartal zu ändern. Bisher müssen Banken ihre Wertpapiere zu dem Preis in die Bücher schreiben, der gerade am Markt gilt, selbst, wenn sie gar nicht verkaufen wollen. Weil derzeit viele Kurse massiv eingebrochen sind, würden immense Wertverluste am Eigenkapital der Institute zehren. In den USA wurde bereits im September erlaubt, dass die Bewertung nach dem Preis, der für das Papier bezahlt wurde, verbucht wird. Das beschert europäischen Instituten massive Nachteile.
Die Kommission sicherte auch zu, Rettungen von Banken notfalls innerhalb von 24 Stunden zu prüfen. Das britische und das irische Hilfspaket sind bereits genehmigt. Die Wettbewerbsregeln sollen indes trotz allem in Kraft bleiben.