Bankenrettung

Großbritannien wird zum Mehrheitsaktionär

| Lesedauer: 4 Minuten

Foto: AFP

Es ist einer der wichtigsten Tage seit dem Ausbrechen der Finanzkrise: Die Euro-Staaten verabreden heute ein Rettungspaket – und werden damit wohl die Märkte weltweit beeinflussen. Großbritannien prescht derweil voran. Laut Medienberichten wird das Land zum Mehrheitsaktionär bei Großbanken, etwa der Royal Bank of Scotland.

Die britische Bankenbranche hat sich Kreisen zufolge für Montagmorgen auf die Enthüllung der Pläne für staatliche Kapitalspritzen eingestellt. Am Sonntag verhandelten die Banken noch in Krisengesprächen mit der Regierung und mit den Aufsichtsbehörden über Einzelheiten der Pläne, nach denen der britische Staat milliardenschwere Anteile an mehreren Institute übernehmen würde. Großbritannien hatte 50 Milliarden Pfund Kapitalhilfen angeboten. Nach einem Bericht der „Sunday Times“ könnte wegen des enormen Umfangs der Maßnahme der Handel an der Londoner Börse ausgesetzt werden.

Die London Stock Exchange (LSE) dämpfte jedoch entsprechende Erwartungen: „Nach meiner Information wird der Markt am Montag öffnen“, sagte ein LSE-Sprecher.

Die „Sunday Times“ berichtete weiter, die Royal Bank of Scotland (RBS), HBOS, Lloyds TBS und Barclays könnten zusammen 35 Milliarden Pfund beantragen. In Branchen- und Analystenkreisen wurde geschätzt, dass RBS mindestens zehn Milliarden und HBOS mehr als fünf Milliarden Pfund benötigen könnten. Damit könnte der britische Staat der größte Eigner und sogar Mehrheitsaktionär bei diesen Instituten werden. Lloyds und Barclays Kapitalbedarf wurde auf etwa je drei Milliarden Pfund geschätzt.

Unterdessen diskutieren in Paris die Euro-Länder über Rettungspakete für ihre Finanzinstitute. Großbritannien gehört nicht zur Eurozone. Bei der Hilfe für die Banken geht es laut Merkel nicht um eine Verstaatlichung. Bei einer Unterstützung könne der Staat den Instituten dann aber auch „Auflagen machen“, hatte sie am Samstag beim Treffen mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy betont.

Für Deutschland wird ein Paket mit vier Elementen diskutiert:

1) Mittels einer staatlichen Garantie sollen die Banken wieder motiviert werden, sich gegenseitig Geld zu leihen. Wegen des Vertrauensverlustes im Finanzmarkt ist derzeit das Vertrauen der Banken untereinander gestört. Immer mehr Banken parken überschüssiges Geld bei den Zentralbanken, anstatt es selbst zu günstigeren Zinsen anderen Instituten zu geben. Eine Staatsgarantie könnte bewirken, den Banken die Angst vor dem Geldverleihen an andere Institute zu nehmen und so wieder den für die Volkswirtschaft wichtigen Liquiditätsfluss in Gang setzen.

2) Ähnlich dem Modell in den USA könnten sogenannte Risikopositionen der Banken – also zum Beispiel Zertifikate, die auf faulen Immobiliendarlehen beruhen – bei einer „Bad-Bank“ ausgelagert werden, die diese mit staatlichen Geld aufkauft. Das würde den Haushalt in jedem Fall stark belasten.

3) Die Krise hat die Eigenkapitaldecke der Banken mehr oder weniger angefressen. Grund: Wegen der faulen Positionen müssen die Banken immer höhere Abschreibungen vornehmen, was Eigenkapital kostet. Die britische Regierung will den Banken bereits zum Ausgleich Staatskapital anbieten – im Gegenzug zu Beteiligungen an den Banken. Diese könnten später vom Staat wieder verkauft werden.

4) Wie von der Kanzlerin am Dienstag in der Regierungserklärung angesprochen, wird in jedem Fall das Bilanzrecht geändert werden – und zwar EU-weit. Ziel auch hier: Die Belastung der Rechnungslegung durch die Risikopositionen mindern – nach dem Vorbild der USA.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles und DGB-Chef Michael Sommer forderten ein milliardenschweres Konjunkturprogramm, um die Folgen der Finanzkrise einzudämmen. Nahles sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, die Deutschen sollten mehr Geld in die Hand bekommen – „nicht, um es auf die hohe Kante zu legen, sondern um die Wirtschaft anzukurbeln“. Sie schlug so genannte Klimaschecks vor: „Solche Schecks könnte jeder bekommen, der ein Auto kauft, das weniger als sechs Liter Sprit verbraucht. Oder einen sparsamen Kühlschrank.“

DGB-Chef Sommer forderte im „Tagesspiegel“ ein öffentliches Investitionsprogramm zum Ausbau von Infrastruktur und Bildung in Höhe von mindestens 25 Milliarden Euro. Das Ziel des Bundes, bis 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, muss nach seiner Ansicht zurückstehen. Wesentlich sei in dieser Situation die Vermeidung einer Rezession.

( dpa/AP/Reuters/lw )