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Berliner Wirtschaft wächst stärker als erwartet

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Joachim Fahrun

Die Meldung kommt unerwartet und platzt mitten in die internationale Finanzkrise: Berlins Wirtschaft ist im ersten Halbjahr 2008 stärker gewachsen als der Bundesdurchschnitt. Wenn auch nur minimal. Erfreulich – doch Wirtschaftssenator Wolf warnt nicht umsonst vor überschwänglicher Freude.

Berlins Wirtschaft ist im ersten Halbjahr 2008 stärker gewachsen als der Bundesdurchschnitt – es ist das erste Mal seit der Wende. Preisbereinigt legte das Bruttoinlandsprodukt in der Hauptstadt um 2,5 Prozent zu, wie das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg meldete. Die Wirtschaft Gesamtdeutschlands legte in den ersten sechs Monaten des Jahres um 2,4 Prozent zu.

Damit hat Berlin ein Etappenziel erreicht, denn jahrelang hatte sich die Wirtschaft in der Stadt deutlich schlechter entwickelt als im übrigen Deutschland. Im ersten Halbjahr 2008 lag die Hauptstadt nun gleichauf mit Baden-Württemberg auf Rang sieben der 16 Bundesländer.

Treiber des Wachstums in der Stadt war die oft schon totgesagte Industrie. Um 7,5 Prozent wuchs preisbereinigt die Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe – fast doppelt so stark wie im Rest des Landes (plus 4,4 Prozent). Brandenburg wuchs insgesamt um 1,8 Prozent, die märkische Industrie legte um 8,7 Prozent zu.

Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) sprach von einer „sehr erfreulichen Entwicklung“, obwohl die Halbjahresstatistik noch wenig darüber aussage, wie die einzelnen Länder am Jahresende abschnitten. „Ich warne vor überschäumendem Optimismus“, sagte Wolf. Ähnlich äußerte sich IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. „Keinesfalls darf die Entwicklung dazu führen, dass die Politik bei der Schaffung besserer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Hände in den Schoß legt“, sagte Eder.

Hartmut Mertens, Chefvolkswirt der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB), die der Senat mit der Förderung von Unternehmen beauftragt hat, sieht die Berliner Wirtschaft inzwischen „wesentlich besser aufgestellt“ als noch vor zwei, drei Jahren. Die Produktivität sei zwischen 2004 und 2007 um neun Prozent gestiegen. Die Exportquote der Industrie habe von 18 Prozent auf 33 Prozent zugelegt, sagte Mertens. „Berliner Produkte werden konkurrenzfähiger auf dem Weltmarkt.“ Das gelte nicht nur für die kleinen Hochtechnologie-Unternehmen etwa in Adlershof, sondern auch für die klassische Industrie. So habe die Elektrotechnik im ersten Halbjahr 2008 um 30 Prozent zugelegt, die Chemieindustrie um sechs Prozent.

Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände (UVB), sagte, Berlin habe ein erstes Etappenziel erreicht. Ob sich diese Entwicklung jedoch verstetigt, sei vor dem Hintergrund der weltwirtschaftlichen Turbulenzen ungewiss. Dabei müsse Berlin, um die immer noch bestehende wirtschaftliche Lücke zum Bund zu schließen und die hohe Arbeitslosigkeit zu senken, dauerhaft über dem Schnitt der anderen Bundesländer wachsen.

Für die zweite Jahreshälfte rechnen die Experten mit einem deutlichen Abflauen der Konjunktur. IBB-Volkswirt Mertens erwartet eine Entwicklung „knapp über der Stagnation“. Daraus ergebe sich für das gesamte Jahr 2008 ein Wachstum von bis zu 1,5 Prozent, sagte Mertens.

Wirtschaftssenator Wolf hält an seiner Prognose von 1,3 Prozent für das laufende Jahr fest. Berlin habe die Chance, einigermaßen glimpflich aus der weltweiten Finanzmarktkrise herauszukommen, glauben die Experten. Die im Vergleich zu anderen Bundesländern immer noch niedrigere Exportquote mache Berliner Unternehmen weniger anfällig gegenüber weltwirtschaftlichen Schwankungen, sagte Senator Wolf.

Auch IBB-Volkswirt Mertens geht nicht davon aus, dass die Berliner Firmen künftig keine Kredite mehr bekommen. Die großen Akteure in Berlin wie die Sparkasse seien von der weltweiten Finanzkrise kaum berührt. Für das kommende Jahr rechnet Mertens für Berlin mit einem Wachstum zwischen 0,5 und einem Prozent, UVB-Chef Amsinck hält 0,8 Prozent für realistisch.